Die Kaukasusregion beheimatet viele Völker und Sprachen, die in Europa kaum bekannt sind. Eine von diesen Sprachen wird von mehr Menschen außerhalb als innerhalb des Landes gesprochen: Armenisch.
Die Sprache ist Teil der indoeuropäischen Sprachfamilie und wird weltweit von ca. 9 Millionen Menschen gesprochen. Davon machen die Sprecher*innen in Armenien selbst nur knapp 3 Millionen aus. Die größten Sprecher*innengruppen leben in Russland, den USA und Frankreich.
Durch die wechselhafte Geschichte Armeniens bzw. der Sprecherinnen des Armenischen findet man große Einflüsse aus iranischen und anderen Sprachen z.B. dem Phrygischen oder Hurritischen. Die Forschung geht deshalb auch davon aus, dass Gruppen der ‚Urarmenier‘ aus Richtung Osten in das heutige Siedlungsgebiet eingewandert sind, vermutlich um 700 v. Chr.
Erste Belege des Armenischen fand man auf der Inschrift von Behistān aus dem 6. Jahrhundert v.Chr., das sogenannte Altarmenisch. Ab der Zeit standen die Armenier für etwa 1000 Jahre unter iranischer Herrschaft, was den Einfluss des Iranischen auf das Armenische mehr als erklärt.
Die Christianisierung, wahrscheinlich durch König Trdat III in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n.Chr., brachte die armenische Sprache in Hinsicht auf die Schaffung einer standardisierten Schriftsprache einen großen Schritt voran. Vorreiter dieser Aufgabe war im 5. Jahrhundert Mesrob Maschtoz, der die Bibel ins Armenische übersetzte. Es entstanden weitere Schriften wie eine geschichtliche, philosophische und religiöse Werke. Zwischen dem 12. Und 18. Jahrhundert entwickelte sich aus dem Altarmenische, das heute noch im religiösen Kontext Anwendung findet, in eine alltagssprachliche Form, genannt Mittel- oder kilikisches Armenisch.
Die wechselnde Herrschaft des heutigen armenischen Staatsgebiet ließ schon seit dem späten Mittelalter die Diaspora eine zentrale Rolle beim Erhalt der armenischen Kultur und Sprache einnehmen. Unter anderem erschienen Druckerzeugnisse in Venedig und Wien. Unter dem Einfluss Russlands im 19. Jahrhundert erfuhren die Armenier eine massive Russifizierung, die Weiterentwicklung der eigenen Sprache und Literatur war kaum möglich. Abermals waren die Armenier im Ausland die treibende Kraft in dieser Sache. Trotzdem erhielt sich das Armenische als Alltags- und Familiensprache neben dem Russischen als Amtssprache.
Heute existieren zwei Standardvarietäten, Ost- und Westarmenisch. Das Westarmenische zu großen Teilen ist die Sprache der Diaspora. Durch die Trennung entwickelten sich lautliche und morphologische Unterschiede, zusätzlich wurde durch die Kontaktsprachen der Diaspora auch noch auf den Wortschatz Einfluss genommen.
Das Lautsystem des Armenischen kennt 26 Konsonanten und 7 Vokale, also ein Umfang der vielen europäischen Sprachen ähnelt. Das Altarmenische wurde wahrscheinlich ganz anders ausgesprochen als das heutige, vor allem von kaukasischen und Turksprachen beeinflusste, Neuarmenisch. Die Standardbetonung liegt auf der letzten Silbe.
Das Kasussystem ist mit sieben Fällen recht komplex, was eine flexible Wortstellung ermöglicht. Generell wird eine SVO-Stellung (Subjekt-Verb-Objekt) als Basis angenommen. Die Sprache kennt kein Genussystem. Außerdem gibt es ein Artikelsystem, aber anders als im Deutschen, und vermehrt Verbformen, die mit Hilfsverben gebildet werden. Der Wortschatz basiert zwar auf dem Altarmenischen, jedoch ist historisch ein großer Anteil iranisch und kaukasisch sowie russisch entlehnt.
Geschrieben wird Armenisch in einer von Mesrob Maschtoz entwickelten Schrift, die aus 39 Buchstaben besteht. Man geht davon aus, dass vorher keine Schrift des Armenischen existiert hat. Die armenische Schrift könnte vom griechischen, aber auch von semitischen Schriften beeinflusst worden sein. Heute stellt die Schrift ein hohes Identifikationsmerkmal der Armenier dar und wird auch künstlerisch verwendet.
Quellen
Eggenstein-Harutunian, Margret: Lehrbuch der armenischen Sprache. 3. Auflage, Helmut Buske, Hamburg 2007
Schulze, Wolfgang. Armenisch. In Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002