Wer in Großstädten wie Berlin oder Hamburg unterwegs ist, hört nicht nur viele Sprachen, sondern auch viele Dialekte und Akzente. Als Linguistin höre ich oft ganz besonders hin, vor allem bei Akzenten.
Der Begriff ‚Akzent‘ kann unterschiedlich genutzt werden. Einmal bezeichnet er die Betonung von Wörtern oder auch Sätzen, was wir unter anderen aus Gedichten kennen. Andererseits ist der Akzent aber auch ein Merkmal von Dialekten und Sprecher*innen einer Fremdsprache. Wenn wir eine Sprache lernen, z.B. in der Schule, ist es schwierig diese Sprache akzentfrei zu sprechen. Das hängt u.a. mit dem Erwerbsalter zusammen. Kinder, die bilingual aufwachsen, haben meist in keiner ihrer Sprachen einen Akzent.
Ich selber spreche jede meiner Fremdsprachen mit Akzent, das werde ich auch nicht ändern können. Und so geht es den meisten Menschen, egal welche Sprache sie lernen. Doch wie wird eine Person wahrgenommen, wenn sie eine Sprache mit Akzent spricht? Dieser Frage wurde in unzähligen Studien nachgegangen. Unter anderem hat ein Forscherteam herausgefunden, dass Kinder Spielkameraden bevorzugen, wenn sie dieselbe Sprache ohne Akzent sprechen, unabhängig vom Aussehen, Geschlecht oder ob sie die Kinder kennen.
Doch wie ist die Wahrnehmung Erwachsener auf Sprechergruppen mit Akzent? Das sieht die Sache nämlich schon anders aus. Ähnlich wie Sprachen ein höheres oder niedriges Prestige besitzen, beeinflussen auch Akzente unsere Wahrnehmung und Einschätzung unseres Gegenübers.
Spricht eine Person mit einem bestimmten Akzent, glauben wir zu hören, dass sie die Sprache nicht gut beherrscht und weniger kompetent sei. Das ist ein Trugschluss, denn der Akzent hängt weder mit den Kenntnissen der Sprache noch mit dem Bildungsgrad zusammen, sondern meist mit dem Erwerbsalter. Und es ist auch kein Geheimnis, dass wir bestimmte Akzente z.B. einem französischen, als wohlklingender bewerten als andere.
Wir hören unseren eigenen Akzent beim Sprechen einer Fremdsprache aber nicht genauso wie unser Gegenüber, daher ist es schwierig den eigenen Akzent einzuschätzen. Bei anderen hören wir es natürlich, wenn es sich entweder um unsere Erstsprache oder eine Fremdsprache, die wir gut beherrschen, handelt. Würden wir uns selbst als weniger kompetent einschätzen, nur weil wir einen Akzent im Englischen oder Polnischen haben? Wahrscheinlich nicht. Aber bei anderen haben wir einen Grammatik-Tinnitus und urteilen anhand des Akzentes.
Und gegen dieses Problem haben Sprechergruppen mit einem Fremdsprachenakzent sogar noch mehr zu kämpfen, wenn sie noch das „passende“ Aussehen mitbringen. Wir sind so sozialisiert, dass wir das Aussehen einer Person mit bestimmten Charaktereigenschaften oder einem Bildungsgrad assoziieren. Machen wir uns dieser Sache bewusst, können wir viel offener und neutraler in Kommunikationssituationen gehen.
Quellen
Katherine D. Kinzler et al. Accent trumps race in guiding children’s social preferences. In: Social cognition. Band 27, Nr. 4, August 2009, S. 623–634
https://taz.de/Berlins-Buergermeisterkandidat-Saleh/!5034466