Der Stintkönig

Tiere sind in jedem Kulturkreis fester Bestandteil der Sagen- und Legendenwelt. In den Masuren, dem Land der tausend Seen, liegt die kleine Stadt Mikołajki (der frühere Name war Nikolaiken), die ein ganz besonderes Wappentier besitzt: den Stintkönig oder Król Sielaw.

Mikołajki liegt mitten in den Masuren, ist nach dem Schutzpatron der Fischer, dem Sankt Nikolaus, benannt und trägt ein Wappen mit einem Fisch. Da ist nicht verwunderlich, dass auch die bekannteste Sage der Stadt von einem Fisch handelt.  Es existieren verschiedene Versionen, mal mit blauen (d.h. könglichen) Blut mittendrin, mal ohne.

Früher lebten die meisten Menschen in der Region vom Fischfang. Sie fuhren in kleinen Booten raus auf den See, jedoch nie zu weit. Im See sollte ein riesiger Fisch, der Stintkönig, leben und die Fischer hatten Angst vor ihm. Der Fisch konnte ihre Boote umwerfen und viele Menschen konnten damals nicht schwimmen, selbst die Fischer nicht. Mit der Zeit wurden die Boote größer und die Fischer mutiger. Sie fuhren weiter auf den See raus, um mehr zu fischen.  Das verärgerte den Stintkönig, der sich von den Fischern sehr gestört fühlte. Er warf die Boote um, was die Fischer so verängstigte, dass sie es nicht mehr wagten im See zu fischen.

Doch ohne den See und das Fischen verloren die Menschen ihre Lebensgrundlage und verarmten. Viele verließen ihre Heimat und zogen weg. Eine Fischersfrau wollte dieses Elend beenden und brachte dem Gott Puskaitis ein Lamm als Opfer dar. Sie betete lange und bemerkte dann eine Metallscheibe neben sich, die sie mit nach Hause nahm. Ihr Mann fertigte daraus eine Metallnetz, band es an zwei Baumstämme und fuhr zum Fischen auf den See.

Der Stintkönig wurde rasend vor Wut als er den Fischer bemerkte und wollte sein Boot versenken, doch er verfing sich im Netz des Fischers. So gefangen und hilflos, musste der Stinthengst sich seinem Schicksal fügen und wurde von dem Fischer in die Stad gebracht, wo ein Gericht über ihn urteilte. Die vielen zerstörten Boote und die dadurch verursachte Not der Menschen ließen das Gericht das Todesurteil fällen. Der Stintkönig flehte um sein Leben und appelierte an die Menschen, dass sein Tod auch das Verschwinden aller anderen Fische im See zur Folge haben werde. Die Menschen lenkten daraufhin ein und sahen vom Todesurteil ab.

Seit diesem Tag blieb der Stintkönig gefangen und wurde an der Stadtbrücke angebunden. Dort lebt er bis heute und sorgt für den bescheidenen Reichtum der Menschen in der Stadt.

Die Brücke, an der der Stintkönig lebte, ist im Krieg zerstört worden. Nach dem Wiederaufbau der Brücke schwamm der Fisch wieder an einem der Brückenpfeiler, bis heute. Die Bewohner*innen der Stadt sind überzeugt, dass ihre Stadt so lange wirtschaftlich erfolgreich ist wie der Stintkönig dort lebt.

In der Stadt gibt es zu Ehren des Stintkönigs einen Brunnen in dessen Mitte eine Skulptur zu sehen ist. Außerdem kann man den Stintkönig an der Stadtbrücke begrüßen, auch wenn sich sein Aussehen mit der Zeit verändert hat.

Die Geschichte zeugt von der Verbundenheit von Mensch und Tier, wie abhängig alle voneinander sind und welche Wertschätzung Fische in der Region haben. Heute sind die Masuren ein Touristenmagnet und genau deshalb ist der Schutz der Natur in der Region ein großes Anliegen der Menschen, die dort leben. Ohne ausreichenden Naturschutz verschlechtert sich die Lebensqualität und das führt zum Einbruch der Touristenzahlen.

Wer mal nach Mikołajki kommt, sollte dem Stintkönig unbedingt einen Besuch abstatten. Er ist an seiner Krone, mit der er durch das Wasser schwimmt, schon von Weitem zu erkennen!

Quellen

Lihs,Helmut. Rund um den Nikolaiker Stinthengst. In: Erlebtes Ostpreußen, Erinnerungsbilder aus fünf Jahrzehnten. Hrsg. Wilhelm Matull, Leer 1997

https://web.archive.org/web/20070928063529/http://www.mikolajki.pl/deutsch/miasto_de.htm

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