
Dass Krieg auch Kunst nicht verschont, zeigt das Beispiel der Werke einer der bekanntesten ukrainischen Künstlerin des letzten Jahrhunderts: Marija Oksentijiwna Prymatschenko.
Ende 1908 in eine Bauernfamilie geboren, wuchs Marija Prymatschenko in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Kindheit im Dorf, das in der Nähe von Kyiv liegt, ließ eigentlich keinen Raum für Kunst. Mit vier Jahren erkrankte Marija an Kinderlähmung, deren Folgen sie ihr Leben lang einschränkten. Doch schon als Kind entdeckte sie ihr künstlerisches Talent, ihre Mutter und Großmutter brachten ihr sticken, zeichnen und malen bei. Auch die Liebe zur Natur bot ihr Inspiration. Über das Sticken fand Marija Prymatschenko Anschluss an Künstlerkreise und eine Förderin, die Künstlerin Tetiana Floru, lud sie 1935 nach Kyiv ein.
Dort versuchte sich Marija Prymatschenko vermehrt in der Malerei, obwohl sie der Stickerei immer treu blieb. Sie bekam ein Stipendium und konnte sich intensiver mit ukrainischer Kunst zu beschäftigen. Die Ausstellungen Mitte der 1930er Jahre, in Moskau, Warschau und Paris, machten Marija Prymatschenko über die Grenzen der Sowjetunion bekannt.
Kurz darauf lernte sie Vasyl Marynchuk kennen, mit dem sie einen Sohn hatte. Noch vor der Heirat wurde Vasyl zur Armee eingezogen und fiel kurz darauf. Marija ging daraufhin mit ihrem kleinen Sohn nach Iwankiw.
Im Laufe ihres Lebens erhielt die Künstlerin zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem die Goldmedaille 1937 der Pariser Weltausstellung und den Taras-Schewtschenko-Preis.
Ihre Werke sind inspiriert von der Natur, Märchen und Legenden. Sie zeigt besonders viele traditionelle Motive, die eine identitätsstiftende Wirkung auf die Menschen in der Ukraine erzeugt. Mit der Zeit wurden die Bilder immer farbenfroher und kontrastreicher. Auch kurze Sprüche bzw. Sätze schrieb Marija Prymatschenko auf Werke aus ihrer späteren Schaffenszeit.
Marija Prymatschenko starb 1997 in Bolotnja in der Nähe von Kyiv. Sie hinterlässt eine große Sammlung von Bildern, Stickereien und anderen Gegenständen mit ihrer Kunst. Ihre Nachfahren traten in ihre Fußstapfen, ihr Sohn und ihre Enkel sind alles bekannte Künstler. Als Anerkennung ihrer Kunst erscheinen in der Ukraine regelmäßig Briemarken mit ihren Werken. Sogar ein Planet wurde 1998 nach ihr benannt.
Der Großteil ihrer Bilder kann man in Kyiv besichtigen. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges wurde das Iwankiw-Museum von Raketen getroffen, in dem auch viele ihrer Bilder ausgestellt sind. Viele Werke wurden dabei zerstört, aber einige konnten aus den Flammen retten werden. Der kulturelle Schaden solcher Angriffe, die alle möglichen Institutionen in der Ukraine betreffen, kann nur geschätzt werden.
Das ukrainische Museum in New York hat 2023 eine große Ausstellung mit Prymatschenkos Bilder und vieler weiterer Kunstgegenstände gezeigt. Einige weniger Bekannte Werke sind heute in Privatbesitz und werden nur selten gezeigt, unter anderem 2022 im Ukrainischen Haus in Kyiv.
Quellen
Ruban, Marija. Marija Prymatschenko (Wydatni ukrajinzi. Ljudy, jaki tworyly istoriju). Ahenzija IRIO, Kyjiw 2020