Perun- der Gott des Himmels

In der slawischen Götterwelt steht er an der Spitze, Perun: Der Gott des Gewitters, des Donners und des Blitzes.

Sein slawischer Name setzt sich aus den Teilen per- (dt. schlagen) und -un (dt. der stark Schlagende) zusammen, was schon zwei seiner Attribute beinhaltet. Andere Herleitungen stammen vom Wort piorun – ‘Blitz’ oder aus der protoslawischen Wurzel *perkwu – ‘Eiche’. Auch die Verwandtschaft mit dem litauischen Namen Perkūnas als Gott zeigt die Ähnlichkeiten zwischen slawischer und baltischer Mythologie, die sicherlich einen gemeinsamen Ursprung haben.

Auch auf anderen Regionen Europas kennt man die Verehrung eines Donnergottes. In Griechenland ist es Zeus, bei den Germanen Thor oder Donar, bei den Römern Jupiter usw.

Naturereignisse ließen sich früher nur mit göttlichen Ursachen erklären und traten oft genug auf, um Kulte drum herum zu schaffen.

In den wenigen schriftlichen Erwähnungen, die es über die slawische Mythologie gibt, wird Perun häufig erwähnt z. B. erwähnte Prokops von Caesarea im 6. Jahrhundert einen Donnergott im De Bello Gothico, ohne ihn jedoch beim Namen zu nennen. Die meisten Erwähnungen finden sich in ostslawischen Aufzeichnungen, die ab dem 10. Jahrhundert zwar immer mehr von der christlichen Lehre beeinflusst sind, aber die „alten“ Gottheiten immer noch verehren und versuchen sie in die christliche Lehre zu integrieren.

Perun ist zweifellos ein sehr mächtiger Gott. Seine Waffe ist die Axt, gerne auch als Feueraxt und Blitze sendend (der Vergleich mit Thor und seinem Hammer Mjölnir drängt sich immer wieder auf), die mit dem Gewitter auch Regen bringt, was Perun zugleich auch zu einem Fruchtbarkeitsspender macht. Auch die Assoziation zur Eiche, einem starken Baum, steht in Verbindung zu Perun, nicht nur wörtlich, sondern auch bildlich.

Die Verehrung des Donnergottes forderte Opfergaben, darunter auch Menschenopfer. In einer Chronik wird beschrieben, dass 983 zwei Männer in der Nähe von Kiew geopfert wurden, weil sie Perun beleidigt hätten. Auch in anderen Gegenden fand man Opferstätten und Überreste von Menschenopfern z.B. im Siedlungsgebiet der Elb- und Ostseeslawen (etwa zwischen Elbe und Oder bis nach Rügen). Doch Menschenopfer waren nicht die Regel, wie man es vielen Kulturen immer wieder zuspricht.

Die Menschen der slawischen Stämme trugen teilweise Axtamulette, das Zeichen Peruns, und gaben auch ihren Toten Grabbeigaben in Form von Äxten und Amulette aus Metall mit, die Archäologen dem Donnergottkult zuschreiben können.

Ein weiteres Attribut zeigt die Wichtigkeit Peruns. Durch seine Waffen und seine Stärke war er auch der Gott des Krieges, der in Kriegszeiten um Schutz angerufen wurde. Man darf nur nicht vergessen, dass die slawischen Völker in erster Linie Bauern und Viehhirten waren. Kriegshandlungen waren zwar nicht selten, aber es gab keine systematischen Raubzüge, wie man es beispielsweise von den Hunnen kennt.

Die zunehmende Christianisierung verdrängt das Wissen an die alten Götter. Ihre Statuen und Abbilder wurden zerstört und da sie meist aus Holz waren, lassen sich kaum noch Funde machen. Erhalten geblieben, vor allem in Gräbern oder Kultplätzen sind Artefakte aus Metall wie Amulette oder kleine Metallfiguren.

Spuren von Perun finden sich heute aber auch noch in, vor allem, slawischen Sprache. Das polnische Wort piorun für Blitz erinnert stark an Perun. Der Donnerstag, im Deutschen eine Weiterentwicklung vom althochdeutschen donrestac, hieß im Elbslawischen peründan bzw. perendan. Und in vielen Ortsnamen erkennt man die Verbundenheit zum Donnergott. Beispiele dazu sind Pernek in der Slowakei oder Perná in Mähren.

Wie man sieht, ist Perun nicht ganz verschwunden, nur ein wenig versteckt.

Quellen

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1992

Grimal, Pierre (Hrsg.). Mythen der Völker 3. Fischer, Frankfurt am Main: Fischer 1967

Joseph Greenberg – der Universalienlinguist

Manche bezeichnen ihn als einflussreichsten Linguisten, neben Chomsky, des 20. Jahrhunderts. Er entwickelte die heute noch gültigen Sprachuniversalien, die Sprachen in Beziehung zueinander setzen.

Greenberg wurde am 28. Mai 1915 in New York geboren in eine multilinguale Familie hineingeboren. Als Kind war die Musik seine große Leidenschaft, er spielte ausgezeichnet Klavier, gab sogar viel gelobte Konzerte. Seine Eltern sprachen Polnisch, Deutsch und Jiddisch. So verwundert es nicht, dass Greenberg sich, trotz seiner Leidenschaft für Musik, doch für eine sprachwissenschaftliche Laufbahn entschied. Schon als Student an der Columbia University (New York) interessierte er sich für Sprachen aller Art, vor allem für die der indigenen Einwohner Amerikas. Später wechselte er an die Northwestern University in Chicago, wo er seinen Interessensschwerpunkt auf die nigerianischen Sprachen, vor allem auf Hausa, einer Sprache West-Zentral-Afrikas.

Der zweite Weltkrieg unterbrach Greenbergs Studien. Sein Studium qualifizierte ihn zum Analysten bei der Fernmeldetruppe. Nach dem Krieg arbeitete er als Professor an der University of Minnesota, kehrte aber schon 1948 an die Columbia University zurück und beschäftigte sich intensiv seiner linguistischen Forschung mit dem Schwerpunkt auf afrikanische Sprachen. In New York lernte er Roman Jakobson und André Martinet kennen. Die beiden brachten ihn die Prager Schule der Strukturalisten nahe, die sein weiteres Arbeiten beeinflusst hat. 1962 wechselte Greenberg in die Anthropologie-Abteilung der Stanford University (Kalifornien) und blieb dort bis zu seinem Tod. Er starb am 07. Mai 2001 in Kalifornien.

In Laufe seiner langen Forscherlaufbahn hat Greenberg zahlreiche Theorien zu Verwandtschaftsbeziehung zwischen Sprachen verfasst. Besonders seine Thesen zur Sprachtypologie sind allgemein anerkannt. Diese Sprachuniversalien, die er formuliert hat, sollen sprachübergreifend und allgemein gültig sein. Dabei verglich er Sprachen miteinander, um allgemein gültige Gemeinsamkeiten beschreiben zu können. Er „sammelte“ also Ähnlichkeiten und Unterschiede, setzte sie in Bezug zueinander und leitet daraus die Universalien ab.

Wie man sich sicher denken kann, klingt es einfacher als es am Ende ist. Greenberg geht beispielsweise davon aus, dass es in allen Sprachen Wortarten wie Verben, Adjektive, Nomen etc. und eine grundlegende Wortstellung gibt. Doch wie sieht es bei Sprachen aus, die keine feste Wortstellung haben wie z.B. das Lateinische? Die Kritiker bemängeln genau solche Ungereimtheiten in Greenbergs Theorie.

Aber im Großen und Ganzen ist die Theorie anerkannt und logisch aufgebaut. Das Neue an Greenberg war die logische Analyse von Sprachen, nicht nur der Vergleich von Sprache A zu Sprache B. Die einzelnen Eigenschaften von Sprachen wurden aufgeschlüsselt. Damit wird es ermöglicht Sprachen in großer Zahl zu vergleichen, ohne alle Einzelheiten jeder Sprache zu untersuchen (Lexikalischer Massenvergleich).

In den 1960er Jahren versuchte Greenberg seine Methode bei den zahlreichen Sprachen Afrikas, da er sie ja intensiv studiert hat, anzuwenden. Er klassifizierte vier große Sprachefamilien anhand bestimmter Merkmale. Kritiker zweifeln die Gültigkeit der Klassifizierung an, weil sie Greenbergs Methoden als falsch ansehen, folglich auch seine Ergebnisse.

1970 wandte Greenberg seine Aufmerksamkeit den indopazifischen Sprachen zu, deren Verwandtschaftsverhältnisse schwieriger zu erklären sind als die der afrikanischen Sprachen. Seine Forschung wurde sehr kontrovers diskutiert. Das gleiche Problem kam bei den Sprachen der amerikanischen Sprachen auf, denen Greenberg sich in den 80er Jahren wieder verstärkt zuwandte. Die Datenlage sei nicht hinreichend belegt, meinten die Kritiker.

Die Arbeit Greenbergs mag in der heutigen Zeit nicht mehr der wissenschaftlichen Norm zu entsprechen, aber er hat neue Ideen entwickelt, Sprachen zu vergleichen und zu klassifizieren. Die Menge der Forschungsdaten, die er nutzte, war so riesig und unterschiedlich. Und das alles mit begrenzten technischen Mitteln, ganz im Gegensatz zu uns heute!

Seine Universalien helfen mir sehr Sprachen zu verstehen, ohne alle im Einzelnen kennen zu müssen. Und sie bieten Anregungen für weitere interessante Fragen, für mich einer der größten Vorteile der Forschung. Denn wo kämen wir denn hin ohne Fragen, die unsere Neugier wecken?

Quellen

Joseph Greenberg (Hrsg.): Universals of Language. MIT Press Cambridge.

https://news.stanford.edu/news/2002/april24/greenbergmem-424.html

Esperanto – die verbreitetste Plansprache der Welt

In der sehr langen Liste aller weltweiten Plansprachen sticht eine besonders heraus: Esperanto. Sie gilt als am weitesten verbreitete Plansprache der Welt. Was macht ihren Erfolg aus? Welche Besonderheiten weist Esperanto auf?

Wichtig zu sagen ist, das Esperanto nicht die erste Plansprache war. Schon im Mittelalter gab es Versuche, aber keiner hat es weit gebracht.

Ludwik Lejzer Zamenhof (1859-1917) entwickelte Ende des 19. Jahrhunderts eine eigene Sprache, weil er die Schwierigkeiten darin sah, wenn Menschen sich nicht miteinander verständigen konnten, weil sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Lösung des Problems sah er in einer gemeinsamen Sprache. Zamenhof sprach zahlreiche Sprachen (Russisch, Jiddisch, Deutsch, Polnisch, Französisch, Englisch, Latein, Griechisch und Hebräisch) und begann eine aus vielen Sprachen inspirierte Plansprache, die als Zweitsprache für alle leicht zu lernen sein sollte, zu schaffen. Es ging nicht darum, dass natürliche Sprachen durch ihre Komplexität keine Daseinsberechtigung hätten oder die Menschen keine Fremdsprachen mehr lernen sollten. Zamenhof erhoffte sich eine Art Verkehrssprache, so wie es heute etwa das Englische ist, die alle Menschen zu störungsfreier Kommunikation untereinander befähigen sollte. Außerdem glaubte er, dass sich soziale Probleme lösen ließen und die Menschen zu einem friedlichen Leben finden würden.

Die Schwierigkeit besteh darin eine Sprache so zu konstruieren, dass sie möglichst viel Ähnlichkeit mit allen anderen Sprachen ausweist und so für alle leicht und schnell erlernbar ist. Man kann sich vorstellen, welche Herausforderung das bedeutet.

Nachdem Zamenhof einige Jahre getüftelt hatte, wurde am 26. Juli 1887 die erste Schrift über Esperanto veröffentlicht. Sie erschien zunächst auf Russisch, bald auch in anderen Sprachen. In dieser Schrift Unua Libro (dt: Erstes Buch) erklärte Zamenhof die Ziele, die grundlegende Grammatik, fügte Wortlisten und Beispieltexte ein, wie beispielsweise das Vaterunser. Ab 1889 erschien eine Zeitschrift in Esperanto, La Esperantisto (dt: Der Esperantist).

Große Verbreitung fand Esperanto zum Beginn des 20. Jahrhunderts über Frankreich und dem restlichen Westeuropa bis in alle anderen Länder weltweit. 1908 gründete sich die Universala Esperanto-Asocio (Esperanto-Weltbund), die sich für die Verbreitung der Sprache und die Vernetzung der Landesverbände einsetzt. Die politischen und kriegerischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts erschwerten die Verbreitung des Esperantos, vor allem in den Diktaturen Europas war eine Verwendung von Esperanto unerwünscht oder sogar verboten. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges konnten die meisten Verbände ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Wie funktioniert eine Plansprache, deren Ziel es ist, möglichst einfach und schnell erlernbar zu sein?

Esperanto besteht aus festen Wortbausteinen, die aneinandergehängt werden, um Bedeutungen auszudrücken. Somit ist es eine agglutinierende Sprache wie beispielsweise Türkisch. Es gibt bei der Wortbildung wie Mehrzahl oder Verbkonjugation nur regelmäßige Formen, Ausnahmen würden ja das Lernen erschweren. Bestimmte Endungen zeigen (meistens) die Wortart (Substantive, Adjektive etc.) an, so dass Verwechslungen vermieden werden. Anders als im Deutschen gibt es kein grammatisches Geschlecht.

Der Wortschatz stammt aus verschiedenen Sprachfamilien, vor allem aus der romanischen, germanischen und slawischen. Zamenhof bemühte sich darum Wörter mit gemeinsamem Ursprung zu verwenden, was natürlich nicht immer 100%ig klappt.

Als Schrift wird die lateinische verwendet, ergänzt mit einigen diakritischen Zeichen wie man sie aus vielen slawischen Sprachen kennt. Wichtig ist, dass die Schrift phonetisch funktioniert, also jeder Buchstabe für einen einzigen Laut steht. Insgesamt gibt es 28 Buchstaben.

Die Grammatik ist einfach gehalten, zahlreiche Formen und Ausnahmen sucht man vergeblich. Zamenhof hat alles systematisch angelegt, viele internationale Vereinigungen pflegen die Sprache und aktualisieren sie z.B. werden Wörter neuer Erscheinung hinzugefügt. Sonst wäre Esperanto schnell antiquiert und in der heutigen Zeit nicht nutzbar.

Die Zahl der Sprecher schwankt mit den Jahren und je nach Genauigkeit der Befragung. Man kann von mehreren Millionen Sprechern ausgehen, die Esperanto als Fremdsprache gelernt haben, unabhängig von der tatsächlichen Verwendung und Sprachniveau. Schwieriger sind die Muttersprachler zu erfassen. Zwischen 1000 und 2000 Menschen geben Esperanto als (zweite) Muttersprache an.

Doch nicht nur im Sprachgebrauch ist Esperanto vertreten. Es gibt zahlreiche Literatur auf und über Esperanto, einige Radiosender senden regelmäßig Sendungen in Esperanto und es gibt in vielen Ländern Angebote Esperanto zu lernen. Das Internet hilft ungemein bei der Verbreitung und der Vernetzung der Sprache. Auch die Wissenschaft, vor allem die Interlinguistik, hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit Esperanto und allgemein dem Phänomen „Plansprachen“ beschäftigt.

Der Grundgedanke Zamenhofs, Menschen durch die vereinfachte Sprache friedlich zusammenzubringen, ist nicht so ganz ausgegangen. Doch wenn Menschen über eine Sprache, ganz gleich welche, zusammenfinden, ist das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung!!!

Quellen

Detlev Blanke: Internationale Plansprachen. Eine Einführung (= Sammlung Akademie-Verlag. 34, Sprache). Akademie-Verlag, 1985

Heike Pahlow: Esperanto – einfach, kompakt und übersichtlich. Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2016

Die Lutki – Zwerge der Lausitz

Unter den vielen Sagegestalten der Sorben gibt es Wesen, die schon vor der Ankunft der Menschen in der Lausitz und Umgebung lebten. Die Sorben nennen sie Lutki – kleine Leute. Das Wort könnte vom slawischen Wort lud – Volk kommen, die Lutki sind also Leute eines Völkchens. In manchen Quellen sieht man die Schreibweise Ludki. In der Oberlausitz nennt man sie auch Zwerge oder Querxe. Ihre Bekanntheit reicht bis nach Böhmen hinein.

Zwerge oder kleine Wesen sind in allen Kulturkreisen Europas bekannt. Unterschiede im Aussehen oder Namen sind zwangsläufig vorhanden, aber die sorbischen Lutki sind eine ganz spezielle Sorte Zwerg. Im Gegensatz zu den meisten Zwergengestalten sind sie den Menschen zugetan und wollen ihnen nichts Böses, solange man sie freundlich und ehrlich behandelt. Ganz anders zeigen sich beispielsweise die Zwerge der germanischen Sagenwelt.

Der Legende nach wohnten die Lutki in Höhlen oder Hügeln (sogenannte Lutkenberge oder -hügel sorbisch Ludkowa gora/Ludkowa gorka), zogen sich dann aber in die Erde zurück als das Christentum sich ausbreitete und die Kirchenglocken Lärm machten. Eine Geschichte erzählt, die Lutki sollen sich so vom Glockenlärm gestört gefühlt haben, dass sie versuchten eine der Glocken mit einem Stein zu zerstören, aber sie waren zu schwach, um den Stein zu tragen. Also blieb ihnen nichts anderes übrig als sich zurückzuziehen.

Die Lutki sind als Hausgeister positiv gestimmte kleine Wesen. Sie helfen den Menschen beim Hausbau, lehren sie handwerkliche Fähigkeiten wie schmieden und machen manchmal auch kleine Geschenke. Als Haus- und Schutzgeister fühlen sie sich den Menschen verbunden.

In den Geschichten wird berichtet, dass die Lutki sorbisch sprechen, wenn auch nicht immer verständlich. Jedoch haben sie die witzige Angewohnheit alles zu verneinen, beispielsweise buken sie Nichtbrote oder liehen sich einen Nichtbacktrog. Oder sie sprechen rückwärts, was zu einem unverständlichen Kauderwelsch führt.

Ihr Zusammenleben mit den Menschen gestaltet sich sehr harmonisch, sie sind gern gesehen und wohl ein gewohnter Anblick. Lutki werden oft mit den typischen Zipfelmützen der Zwerge dargestellt, ihre Kleidung manchmal in grauer oder brauner Farbe beschrieben, in anderen Geschichten als farbenfroh. Dabei kann man davon ausgehen, dass durch Überlieferungen Freiheiten in den Erzählungen genutzt werden.

Lutki sind allgemein sehr gesellig und feiern gerne Feste. An vielen Festplätzen in der Lausitz sollen sie ausgiebig feiern und tanzen, Hochzeiten halten und sich amüsieren.

Anderen Erzählungen und Sagen von Zwergen habe die Lutki aber gemein, dass sie wohl Schätze hüten. Allgemein wird Zwergen ja oft Habgier und eine Sammelleidenschaft für Gold und Edelsteine nachgesagt. Unter vielen Bergen vermutet man das Gold der Lutki, dass sie manchmal an Menschen abgeben, die arm sind. Oder wenn Menschen den Lutkis halfen, sollen sie dafür Gold oder Silber als Belohnung bekommen haben. Immer nach dem Motto: Wer gutes tut, dem widerfährt auch Gutes. Die Menschen mussten beweisen, dass sie es verdienten.

Der Zugang zum Schatz der Lutki ist versteckt, nur ein Mensch, der ihn sich redlich verdient hat, kann ihn finden. Damit findet man die typischen Narrative aus Märchen und Legenden auch in den Geschichten der Lutki.

Abgesehen, dass es zahlreiche Geschichten aus allen Ecken des Spreewaldes gibt, haben die Lutiks allein schon durch ihr Aussehen die Sympathien auf ihrer Seite. In den Abbildungen in Büchern oder Schnitzereien sieht man niedliche kleine Kerle, die fröhlich sind. Ihre Geschichten eignen sich hervorragend zum Erzählen. Sie sind, im Vergleich zu Märchen, nicht grausam und trotzdem lehrreich für die Zuhörer.

Quellen:

Sagen der Lausitz. Eine Auswahl. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Domowina-Verlag, Bautzen 1965

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Die geistigen Impulse Ost-Europas, Urachhaus, Stuttgart 1992

Runen – Die Schrift der Germanen

Wie die heute verbreiteten Alphabete in Europa sind Runen eine Form der Buchstabenschrift, die im Vergleich zum Griechischen und lateinischen Alphabet als jung gilt. Die ältesten Funde stammen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus.

Das Wort ‚Rune‘ kommt aus dem Altnordischen ‘rún’- ‘Schriftzeichen’ und kam im 17. Jahrhundert, durch die Beschäftigung mit der germanischen Geschichte und Literatur, in Benutzung. Woher die Runenschrift der Germanen jedoch stammt, kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden.

Einigkeit besteht darin, dass die Runen-Schrift keine isoliert entstandene Schrift ist. Die Germanen verwendeten in ihrem Alltag keine Schrift. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie die Runen aus norditalienischen, lateinischen oder griechischen Alphabeten abgeleitet haben, die sie durch Kontakt zu Schreibkundigen aus dem Süden Europas kennen lernten.

Die Germanen haben die Runen dann angepasst und verwendeten sie vor allem auf Steinen, Hölzern und Gefäßen. Allgemein akzeptiert ist die Theorie, dass Runen nicht als Schrift für die alltäglichen Kommunikation genutzt wurden. Dafür fehlen erstens Funde, die das widerlegen und zweitens weist die Ausrichtung der Runen (meist senkrecht und eckige Formen) darauf hin, dass sie vor allem mit Werkzeug in Holz, Metall oder Stein geritzt wurde. Schriften, die auf papierähnlichen Materialien geschrieben werden, weisen andere Schreibrichtungen und Formen auf. Funde von Steinen u.ä. weisen eher auf die Verwendung der Runen als religiöse Symbole z.B. zu Ehren von Verstorbenen oder zur Beschreibung von Mythen und Legenden.

Funde mit Runen finden sich in am häufigsten im südskandinavischen und dänischen Raum, aber auch im heutigen Deutschland, Tschechien (v.a. in Böhmen) und Polen, besonders entlang der großen Flüsse, was vor allem Handelsbeziehungen nahelegt. Doch die Ausdehnung der Runen reicht noch weiter: Im Westen bis Irland und im Osten bis zur Dnjeprmündung (Schwarzes Meer).

Die schrittweise erfolgte Christianisierung Europas bedeutete das langsame Aus für die Runen, vor allem außerhalb Skandinaviens. Innerhalb Skandinaviens hielt sich die Verwendung der Runenschrift bis etwa ins 15. Jahrhundert.

Die Verwendung der Runen hat sich im Laufe ihres Entstehungszeitraumes gewandelt bzw. kann man von verschiedenen Formen der Runenschrift sprechen. In den Gebieten Südskandinaviens und Dänemarks fanden man vor allem Beispiele der älteren Form: das ältere Futhark (fuþark). Es besteht aus 24 Zeichen und ist (ähnlich wie das Alphabet) nach den ersten 6 Buchstaben benannt. Es ist eine phonetische Schrift, d.h. jeder Buchstabe steht für einen Laut. Allgemein schrieb man rechtsläufig, die Schreibrichtung war allerdings nicht streng festgelegt.

Anders als im lateinischen Alphabet, besitzt jeder Buchstabe noch einen Namen, beispielsweise die Rune ᛞ, die dem Laut d entspricht und ‚dagaz‘ – Tag heißt.

Bis ins 7. Jahrhundert entstand eine abgewandelte Form des alten Futharks, das sogenannte jüngere Futhark. Dabei handelt es sich um lautliche Veränderungen z.B. entwickelten sich neue Laute, während andere verschwanden. Das Inventar an Buchstaben reduzierte sich auf 16 Runen. Diese Form erhielt sich länger als das alte Futhark, trotz der Einführung der lateinischen Schrift durch die Christianisierung und wurde bis zum 19. Jahrhundert genutzt.

Zusätzlich gab es im friesischen und angelsächsischen Raum noch das fuþorc, das sich wiederum etwas vom Futhark unterschied und bis etwa zum Jahr 1000 in Gebrauch war. Das Interesse an Runen etc. erlebte zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Renaissance, wenn auch mehr auf esoterischer Ebene. Diesem und auch wissenschaftlichen Interesse ist es zu verdanken, dass das Wissen um die Runen nicht verloren ging. Auch in jüngerer Geschichte nutzten zahlreiche Strömungen, nicht zuletzt die Nationalsozialisten, Runen und die dazugehörenden Geschichten für ihre Zwecke aus, um ihre Ideologie zu untermauern.

Die Anzahl der Fundstücke mit erhaltenen Runen aus verschiedenen Zeitabschnitten variiert je nachdem welche Form man betrachtet. Die meisten Funde stammen aus dem skandinavischen Raum (Jütland scheint ein Zentrum zu sein), doch viele Inschriften etc. sind kurz, enthalten nur einzelne Namen, so dass sie nur bedingt mehr Informationen preisgeben können.

Abgesehen von der Möglichkeit Runen als reines Kommunikationsmittel zu nutzen, gibt es noch die „Nutzung“ der Runen als Träger von Magie. Mit unter verbargen sich darin Zauber- und Beschwörungsformeln, die vor allem im nordgermanischen Raum verbreitet waren. Der Edda zufolge, war Odin bereit sich zu opfern, um das Wissen über die heiligen Runen zu erlangen.

Eine bekannte Runeninschrift ist beispielsweise der Codex Runicus, ein Gesetzestext aus dem 13. Jahrhundert, der trotz vorherrschender lateinischer Schrift, in Runenschrift geschrieben wurde.  Die Goldhörner von Gallehus sind ein Beispiel für die Verbindung von Kunst und Alltag. Datiert wurden sie auf das 4. Jahrhundert nach Christus. Sie sind verziert mit Tieren und alten Runen. Neben Tieren und Runen befinden sich noch Zahlen und Symbole auf den Hörnern, die bis heute noch nicht vollständig entschlüsselt wurden. Die Originalhörner wurden 1802 gestohlen und eingeschmolzen, heute existieren Nachbildungen, die auf der Grundlage von Zeichnungen angefertigt wurden.

Etliche Steine mit Inschriften fand man überall in Skandinaviern und sogar im deutschsprachigen Raum, wenn auch nur vereinzelt. Nicht immer sind die Inschriften komplett entschlüsselt, neben Runen nutzen die Erschaffer auch Zeichen, die wohl nicht direkt zum Runenalphabet gehören.

Die Faszination und das Interesse an Runen und den Geschichten hinter ihrer Entstehung, ihre mythischen Eigenschaften und ihre Entschlüsselung wird die Wissenshaft noch einiges an Zeit kosten.

Quellen:

Düwel, Klaus. Runenkunde, 4. Aufl. Metzler, Stuttgart 2008

Nedoma, Robert. Runenschrift und Runeninschriften – eine kurze Einführung, Miscellanea septentrionalia 2, Wien 2007

Ungarisch – Allein auf weiter Flur

Ungarn liegt inmitten von Europa, umgeben von Ländern, in denen Sprachen der indoeuropäischen Sprachefamilie gesprochen werden. Widererwartend sprechen die Ungarn aber eine Sprache aus der uralischen Sprachfamilie, zu der beispielsweise auch Finnisch und Estnisch gehören.

Ungarisch (manchmal wird auch das Synonym magyarisch verwendet) ist die Amtssprache Ungarns und hat in einigen Nachbarstaaten u.a. in Österreich, Slowenien und der Ukraine den Status einer Regional- bzw. Minderheitensprache. Man geht von etwa 15 Mio. Sprechern weltweit aus, wobei der größte Teil in Ungarn selbst und den Nachbarstaaten lebt. Kleinere Gruppen finden sich auch in Nordamerika und Australien.

Die Geschichte der Ungarn ist wechselhaft, gezeichnet von verschiedenen Fremdherrschaften z.B. der Tartaren, der Türken oder als Teil der Habsburger Monarchie. Durch Kriege und Eroberungen variierte die Größe des Siedlungsgebietes der Ungarn in der Geschichte.

Die Herkunft der ungarischen Sprache wird meist auch mit ihrer Sprachverwandtschaft zu uralischen Sprachen erklärt: Aus dem Gebiet des Urals wanderten Gruppen in Richtung Mitteleuropa und ließen sich dort etwa 900 n.Chr. rund um das Karpatenbecken nieder. Sie wurden durch andere Bevölkerungsgruppen von ihrer ursprünglichen Sprachfamilie isoliert und entwickelten sich unabhängig weiter. Das erklärt, warum zwar eine Sprachverwandtschaft mit Finnisch oder Mansisch besteht, aber keine Verständigung mit den Ungaren möglich ist. Durch die lange Isolation entwickelte das Ungarische einfach zu viele Unterschiede.

Hungarologen haben 10 Dialektgruppen klassifiziert, die sich meist aufgrund geschichtlicher Faktoren entwickelt haben und sich vor allem in Lexik und Aussprache unterscheiden, seltener in syntaktischer Hinsicht. Die Dialekte sind, wie in vielen Sprachen, Schritt für Schritt dabei sich anzugleichen. Doch es gibt innerhalb der Dialekte deutliche Einflüsse der Umgebenden Sprachen wie Deutsch, Kroatisch oder Rumänisch.

Die ungarische Sprache, geschrieben in lateinischer Schrift, weist ein reiches Inventar an Lauten auf: Allein 14 Vokale gibt es, dabei wird zwischen langen und kurzen Vokalen unterschieden, die oftmals eine bedeutungsunterscheidende Funktion haben z.B. tör [tør] (dt. brechen) – tőr [tø:r](dt. Dolch). Genauso unterscheidet man die Länge der 25 Konsonanten, deren Länge mit einer Konsonantenverdoppelung gekennzeichnet wird z.B. var (dt. Schorf) – varr (dt. nähen).

Ein weiterer wichtiger Punkt der ungarischen Laute ist die Vokalharmonie, also dass helle und dunkle Vokale nur sehr selten zusammen in einem Wort vorkommen. Das ist vor allem bei Sprachen, die agglutinierend funktionieren oft zu beobachten.

Da Ungarisch zu den agglutinierenden Sprachen gehört, weist es eine spezifische Morphologie auf. Alle Bedeutungen, die Wörter zueinander im Satz haben, werden durch Anhängen von Suffixen an die Wortstämme realisiert.  Das bedeutet, im Gegensatz zu den meisten Sprachen in Europa, dass im Ungarischen Wörter immer länger werden, weil mehr Informationen übermittelt werden sollen. Praktisch, aber beim Lernen der Sprache etwas gewöhnungsbedürftig.

Ein Vorteil beim Lernen ist das Fehlen der grammatischen Geschlechter. Es wird nur Einzahl und Mehrzahl unterschieden. Dafür hat das Kasussystem einige Tücken. Eine genaue Zahl zu nennen ist schwierig, die grammatischen Lehrbücher sind sich nicht einig, aber es sind sehr viele Fälle!

Die vorherrschende Satzstellung ist Subjekt-Objekt-Verb (SOV), durch verschiedenste Faktoren kann das aber auch variieren.

Durch die Zugehörigkeit des Ungarischen zu uralischen Sprachfamilie, bezieht es seinen Grundwortschatz vorwiegend aus dem Stammwortschatz der finnougrischen Zeit. Die wechselnden Einflüsse anderen Sprachen bzw. Völker haben dazu beigetragen den Wortschatz zu erweitern z.B. die Turksprachen, das Lateinische (da es als Kirchensprache fungierte), das Deutsche (schon früh durch Handelsbeziehungen, adeligen Familienbanden und später durch die Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie) und slawische Sprachen. Die Ungarn waren zu allen Zeiten bemüht ihre Sprache nicht zu sehr mit Lehnwörtern zu spicken und sie passen möglichst alle an die ungarische Schreibung an. So wird ein Internationalismen wie Manager und Single im Ungarischen zu menedzser und szingli.

Ein interessanter und geheimnisvolles Relikt der ungarischen Sprache und Geschichte ist die sogenannte Runenschrift, die nicht mit den Runen aus Skandinavien zu tun hat, aber trotz allem als erste ungarische Schrift gilt. Von ihr gibt es leider nur wenige erhaltene Schriftproben, so dass eine genaue Untersuchung schwierig ist.

Die ungarische Literaturlandschaft ist reichhaltig und zurecht sind die Ungarn stolz auf ihre großen Schriftsteller wie Bálint Balassi (1554–1594), Mihály Csokonai Vitéz (1773–1805), Mihály Babits (1883–1941) und noch so viele mehr. Der Stolz der Ungarn und ihre Liebe zur Sprache verleiht dem Ganzen einen Hauch von Heroismus.

Es lohnt sich definitiv, sich mehr mit dieser faszinierenden Sprache zu beschäftigen!

Quelle:

Papp, György. Ungarisch Artikel in der Enzyklopädie des europäischen Ostens, Universität Klagenfurt

Wenzel, Haik. Langenscheidts Praktisches Lehrbuch, Ungarisch. Langenscheidt, München 1998

Bruno Schulz

Obwohl er nicht nur schrieb, sondern auch viel zeichnete und malte, gilt Bruno Schulz in Polen vor allem als herausragender Schriftsteller der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts.

Bruno Schulz wird am 12. Juli 1892 in Drohobycz, Ostgalizien (damals zu Österreich-Ungarn gehörend, heute Ukraine) in eine jüdische Familie hineingeboren. Die Familie führte ein kleines Geschäft, aber die finanzielle Lage war schwierig.

Schulz‘ Talent fürs Zeichnen und Schreiben fiel schon in der Schulzeit auf. 1910 begann er ein Architekturstudium in Lemberg, musste es aber aufgrund finanzieller und gesundheitlicher Probleme abbrechen. Die Wirren des ersten Weltkrieges und der Tod des Vaters beeinflussten Schulz‘ weiteres Leben. Nach dem Krieg kehrte er in seine Heimatstadt zurück und beschäftigte sich intensiv mit Malerei und Kunst. Nebenbei arbeitete als Zeichenlehrer, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern. Zufrieden war er mit der Arbeit als Lehrer jedoch nicht. Mit dem Schriftsteller Stanislaw Ignacy Witkiewicz verband ihn eine enge Freundschaft, er bestärkte Schulz weiterzuschreiben.

Schulz schrieb und zeichnete viel, aber erst 1934 wurde sein Debütwerk „Sklepy cynamonowe“ (dt. „Die Zimtläden“) veröffentlicht. Damit wurde er auf polnischsprachigem Gebiet bekannt. 1937 folgte die Veröffentlichung von „Sanatorium pod Klepsydrą“  (dt. „Das Sanatorium zur Sanduhr“). Eine Reise nach Paris 1938 verlief leider nicht sehr erfolgreich. Schulz‘ Vorhaben, seine Zeichnungen in Frankreich bekannt zu machen, scheiterte und er kehrte nach Drohobycz zurück.

Im Gegensatz zu seinen Zeichnungen erntete er für seine Literaturwerke viel Bewunderung und die Polnische Akademie für Literatur zeichnete ihn mit dem “Goldenen Lorbeerblatt” aus.

Ab 1939 änderten sich Schulz‘ Lebensumstände grundlegend. Der Einmarsch der Roten Armee, durch den Hitler-Stalin-Pakt wurde der Ostteil Polens von den Sowjets besetzt, musste er sich mit den neuen Machthabern arrangieren und malte für sie vor allem Propagandabilder. Mit dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion 1941 verschlechterte sich die Lage für Bruno Schulz erheblich. Als Jude war er gezwungen in den Ghettobezirk von Drohobycz umzuziehen.

In dem SS-Hauptscharführer Felix Landau hat Bruno Schulz einen Auftraggeber, der ihm ein gewissen Schutz bot, solange er für ihn arbeitete. Die anderen Juden aus dem Ghetto von Drohobycz wurden, wie die meisten Juden in anderen Ghettos, systematisch deportiert. In der Zeit bis zu seinem Tod gestaltete Bruns Schulz zahlreiche Wandmalereien für Landaus Privathaus und offizielle Parteigebäude.

Die Umstände von Schulz‘ Tod sind nicht komplett geklärt. Am 19. November 1942 („Blutiger Donnerstag von Drohobycz“) wurde er von dem SS-Offizier Karl Günther im Ghetto erschossen. Es soll sich um eine Racheaktion des SS-Offiziers gehandelt haben: Felix Landau habe einen „seiner“ Juden erschossen, also macht er es jetzt genauso.

Nach Kriegsende wurden die Werke Schulz‘ lange Zeit, wieder wegen seiner jüdischen Herkunft, nicht gedruckt. Erst 1956 erschien seine Texte, die nach und nach in viele Sprachen übersetzt und publiziert wurden.

Der frühe und tragische Tod Bruno Schulz‘ lässt der Märtyrerstatus des Künstlers in Polen bis heute lebendig bleiben. Seine Werke gehören zu den meistgelesenen der polnischen Moderne. In Deutschland erschienen die ersten Übersetzungen in den 1960er Jahren, auch die grafischen Werke wurden veröffentlicht.

Über die Bedeutung Schulz‘ Literatur gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Einige Kritiker ziehen starke Parallelen zu Kafka und beschreiben Schulz‘ Literatur als schwierig. Durch seine jüdische Herkunft lehnten viele sein Schaffen als jüdisch oder entartet ab. Als einer der wenigen Künstler zeigt Schulz kaum politisches Interesse bzw. baut es nicht in seine Schriften ein. Ob es eher ein Selbstschutz war, denn er war als Jude, nicht nur zur Zeit der Besetzung durch die Deutschen, Diskriminierung ausgesetzt, oder einfach, weil es ihn wenig interessierte. Es wird nicht mehr feststellbar sein.

Schulz‘ Texte zeigen viel vom Leben in Ostgalizien, das heute nicht mehr als solches existiert. Die Mischung aus Polen und Juden, die in seiner Kindheit und Jugendzeit in Ostgalizien herrschte, musste nach dem 2. Weltkrieg einer neuen Staatenordnung weichen.

Man kann diese Zerrissenheit der Gegend, die ständig wechselnder Herrscher wie Österreich, Russland/Sowjetunion, in den Texten erlesen. Schulz bleibt immer innerhalb seiner Welt, nimmt sie genau unter die Lupe und gibt Einblicke in die Vergangenheit von Ostgalizien.

Seine Zeichnungen wirken düster, einschüchternd, geben aber wiederum die Sicht auf die damalige Welt frei. Die Welt, in der er lebte und wirkte. Eine Welt, die wir nur noch als Geschichte kennen.

Quellen

Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 11, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1999

Roman Lach, Thomas Markwart: Geisterlandschaft Galizien. Karl Emil Franzos, Leopold von Sacher-Masoch, Joseph Roth, Alfred Döblin, Bruno Schulz.

Die Sprache der DDR – zwischen Ideologie und Alltag

Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, sei es eine besondere Aussprache oder Wortstellung. Aber unterscheidet sich die selbe Sprache je nach Land, in dem sie gesprochen wird?  Na klar!

Große Unterschiede sehen wir heute noch z.B. in der Schweiz oder Österreich. Aber auch in Deutschland gab es, neben den Dialekten, eine vor allem politisch und ideologisch motivierte Sprache, die es so heute nicht mehr gibt. Im Herbst 1989 vollzog sich ein Wandel, die DDR trat dem Geltungsbereich der BRD bei und damit ging das politische System der DDR unter. In den gut 40 Jahren des Bestehens der DDR hat sich ein weitverzweigtes sozialistisch geprägtes Sprachnetz entwickelt, vor allem in der Verwaltung.

Doch auch in der Alltagssprache setzten sich zahlreiche Neuschöpfungen durch, manche sind sogar noch heute in Gebrauch oder werden bewusst wiederbelebt; Stichwort Ostalgie.

Nun erstmal zurück zu den Anfängen: Die DDR war nach der Staatsgründung 1949 bemüht den Kontrast zum Nazi-Regime zu betonen und auch eine sozialistische Sprache in Abgrenzung zur BRD zu schaffen. Dabei ist es logischerweise nicht möglich die Sprache komplett umzukrempeln, aber Schritt für Schritt kamen Veränderungen in Umlauf. Dass nicht alle DDR-Bürger damit einverstanden waren, kann man sich vorstellen. Und ich möchte betonen, dass nicht die komplette Sprache betroffen ist und die Kenntnis der Lebenssituationen beim Interpretieren eine wichtige Rolle spielt!

Um sich der DDR-Sprache zu nähern, muss man unterscheiden welche linguistischen Verfahren verwendet wurden. Die deutsche Sprache allgemein bietet für Wortneuschöpfungen viele Möglichkeiten z.B. die Komposition (aus zwei Wörtern wird eins → Haus + Tür = Haustür) oder die Entlehnung aus anderen Sprachen (finn. Sauna oder ital. Pizza). Aus diesem Schatz der Wortschatzerweiterung haben sich die „Macher der DDR-Sprache“ reichlich bedient.

Wie man sich sicher schon denken kann, ist der Einfluss auf die Sprache innerhalb des Wortschatzes (Lexik) am größten. Das beginnt schon sehr früh in der Verwaltungssprache, die dabei hilft, die politische Neuordnung auch sprachlich in das System einzugliedern. Einige Beispiele wären die Wortschlangen wie nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet oder positive, parteiliche und klassenbewusste Einstellung zur Arbeit.

Begriffe oder Slogans, die im Nationalsozialismus, in der BRD oder in christlichen Kontext verwendet wurden und nicht neu kreiert werden konnten, bekamen einen sozialistischen Anstrich wie Zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik (Walter Ulbricht, 1958) oder Unsere ganze Kraft für die Erfüllung des 5-Jahrplanes.

Um sich vom Deutsch der BRD abzusetzen, entstanden auch neue Wörter und Phrasen, die heute meist wieder vergessen sind. Einige Beispiele sind: Werte Kollegin statt Sehr geehrte Kollegin, der Aktendulli (eins meiner Lieblingswörter), Spati (ein Bausoldat), Blaue Fliesen (Westgeld), Haushaltstag, Grilletta (Hamburger), Kombinat (ein volkseigener Betrieb), Lipsi (ein Tanz) und Nicki (ein T-Shirt). Es gibt noch viele mehr…..

Oftmals wurde aus dem Russischen einfach ins Deutsche übersetzt, eine einfache Möglichkeit sozialistisch klingende Wörter zu bilden z.B. Datsche (russ. дача) oder Haus der Kultur/Haus des Lehrers usw. Das Prinzip ist seit jeher bekannt, heute eher aus dem englischsprachigen Raum.

Manche Begriffe haben den Untergang der DDR aber überlebt, zumindest im Sprachgebrauch der Menschen. Okay, vielleicht nicht bei jedem, aber u.a. nutze ich Broiler, Muttiheft, Bückware, Datsche, Eingabe, Kaufhalle, Plaste, Subbotnik und Polylux heute noch. Zugegeben, manchmal wird man nicht richtig verstanden, aber was soll‘s.

Doch nicht nur die Sprache an sich wurde in der DDR, wie in allen Ostblockstaaten, instrumentalisiert, sondern auch die Anwendung. Große Paraden zu denen Reden mit sozialistischen Schlagworten gehalten wurden, Schriften, die alle Bürger zu lesen hatten bzw. die in den Schulen als Pflichtlektüre auf dem Lehrplan standen usw. Überall waren die Bürger und Bürgerinnen der Rhetorik der Diktatur ausgesetzt. Diese Rhetorik bezieht sich auf die Gründer und Ideengeber des Kommunismus wie Marx oder Lenin und wird in allen Bereichen miteinbezogen. Sie soll vor allem Stärke und die Überlegenheit des Systems demonstrieren, ähnlich wie die Sprache im Nationalsozialismus oder der Kolonialmächte, die alle auf Legitimation ihrer Herrschaft ausgelegt sind.

Auch in der Literatur finden sich solche Anzeichen. Neben der Zensur und dem Verbot vieler Schriften, vor allem aus dem kapitalistischen Westen, sind Lehrbücher, Zeitschriften u.v.m. unterschwellig, oft eher direkt, immer darauf bedacht die sozialistische Ordnung als Ideal zu beschreiben. Das fängt bei den Lesefibeln in der Grundschule an und hört bei Nachschlagewerken auf, bei denen sich interessanterweise manche Begriffe gar nicht wiederfinden z.B. Weltreise.

Den Mund verbieten ließen sich die Menschen in der DDR aber nicht, so resultierte die Wende auch aus Slogans wie Wir sind das Volk! oder Wir sind ein Volk!. Die Sprache der DDR ging ziemlich sang- und klanglos unter. Erst Anfang der 2000er Jahre kam eine Welle der Ostalgie auf, bei der auch die Sprache vereinzelt wiederbelebt wurde. Prognostisch wird die Verwendung von „Ostwörtern“ in den nächsten Generationen verschwinden. Der Zahn der Zeit nagt an allem, auch am Broiler!

Quellen

Eduard Kurka, Wirksam reden, besser überzeugen: Einführung in die sozialistische Rhetorik. Hrsg. von der Parteihochschule Karl Marx beim ZK der SED. Dietz Verlag, Berlin 1970

Jan Eik, DDR-Deutsch: Eine entschwundene Sprache. Jaron Verlag, Berlin 2010

Unsere Welt ist bunt

Menschen sind visuell geprägte Wesen. Wir nehmen unsere Umgebung zwar mit allen Sinnen wahr, also auch durch Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen, aber die visuelle Wahrnehmung ist dominant. Dabei sind wir in der Lage verschiedenste Eindrücke zu klassifizieren: hell-dunkel, farbig, Schattierungen usw.

Farben sind von entscheidender Bedeutung. In der frühsten Zeit konnten die Menschen an der Farbe der Pflanzen beurteilen, ob sie reif oder vielleicht sogar giftig war usw. Die in der Natur vorkommenden Farben hat der Mensch mit seiner Weiterentwicklung schrittweise erhöht. Er lernte Farben z.B. aus Pflanzen oder Insekten zu gewinnen, um Stoffe zu färben oder Farben für Höhlenmalereien herzustellen. Den Farben sprach der Mensch schon früh eine Bedeutung zu, verwendete für bestimmte Motive nur bestimmte Farben oder man konnte an der Farbe der Kleidung den Rang des Gruppenmitgliedes erkennen.

Das deutsche Wort ‚Farbe‘ kommt vom mittelhochdeutschen ‚varwe‘ und ist ein Überbegriff mit allerlei Bedeutungen wie die Wandfarbe oder die einzelnen Farben des Lichtes.

Im sprachlichen Sinn ist das Spektrum des Begriffes ‚Farbe‘ riesengroß. Jede Sprache kennt Bezeichnungen für Farben, aber es gibt unzählige Abstufungen und unterschiedlich viele Begriffe pro Sprache.

Dabei zeigen sich Hierarchien, in denen Sprachen ihre Farben ausdrücken. Mit einem Schema lässt sich das so darstellen:

Weiß/Schwarz < Rot < Grün/Gelb < Blau < Braun < Lila/Rosa/Orange/Grau

Wenn also eine Sprache Farben sprachlich unterteilt, dann zumeist in diesen Abstufungen. Ein anderes System der Klassifizierung ist die Einteilung in warme und kalte Farben.

Warm sind Weiß, Gelb und Rot (plus Farben, die sich aus deren Mischungen ergeben); kalt sind Schwarz, Blau und Grün (plus Mischungen). Dabei müssen nicht für alle Farben begriffe vorhanden sein bzw. werden Begriffe für nicht vorhandene Farben oft von Gegenständen abgeleitet z. B. die Orange→ orange.

Interessanterweise unterscheiden manche Sprachen, vor allem asiatische, nicht zwischen Blau und Grün, was zu Verwirrungen führen kann. Die Unterscheidung Blau-Grün ist hierarchisch gesehen eine der letzten durchgeführten Differenzierungen der Kalt-Warm-Einteilung. Es gibt in der Forschung verschiedene Ansichten zu den Ursachen solcher Nichtunterscheidungen. Manche argumentieren, dass durch die fehlende sprachliche Differenzierung eine veränderte Wahrnehmung dazu führt, dass Sprecher solcher Sprachen den Unterschied auch nicht visuell wahrnehmen. Doch Studien haben gezeigt, dass Sprecher einer nichtdifferenzierenden Sprache die Unterschiede wahrnehmen, wenn sie eine Sprache erlernen, die solche Unterschiede der Farben macht. Es wäre ja sonst anzunehmen, dass die Hirnstrukturen der Sprecher unterschiedlich seien, was nachweislich nicht der Fall ist, sondern lediglich ein Lernmechanismus unterschiedlich stattfindet.

Die Geschichte zeigt, dass in unserem Leben Farben eine immer wichtigere Rolle spielen. Früher waren nur Farbbezeichnungen der Lebensumgebung gefragt, aber je weiter der Mensch in andere Gebiete vordrang bzw. neue Techniken zur Gewinnung von Farbpigmenten entwickelte, desto mehr Bezeichnungen für Farben mussten her.

Dabei kommen entweder neue Wortschöpfungen zustande oder man klassifiziert die Abstufungen nach hell bzw. dunkel. Im Deutschen lässt sich das beispielsweise sehr produktiv gestalten, von rot zu hellrot oder vielleicht dunkelorange. Die Wahrnehmung jedes Einzelnen ist dabei unterschiedlich. Wann ist ein Rotton hell, wann dunkel oder einfach nur Rot?

Farben sind aber nicht nur Geschmackssache, meine Lieblingsfarbe ist Grün, sondern tragen auch kulturelle Bedeutung. Grün wird beispielsweise mit der Natur und Wachstum assoziiert, Blau ist traditionell die Farbe des Wassers, des Himmels, des Vertrauens und des Friedens. Diese Liste ließe sich mit allen Farben unendlich fortsetzen.

Je nach Kontext ordnen wir den Farben Eigenschaften wie männlich und weiblich zu, man bedenke die Farbauswahl beim Babykleidungskauf.

Auch die Religionen nutzen Farben zur Verstärkung: Die Farbe Grün symbolisiert den Islam, deshalb ist in den meisten Flaggen muslimischer Länder Grün enthalten.

Attribute wie Stärke und Kampfgeist assoziiert man mit Rot, genauso wie Revolution, was erklärt warum in der Sowjetunion Rot die wichtigste Farbe war.

Das ambivalenteste ‚Farbpaar‘ ist sicherlich Schwarz-Weiß. Die Bedeutungen dieser beiden ist je nach Kulturkreis verschieden. In Europa ist Weiß die Farbe der Reinheit, des Friedens, der Jungfräulichkeit, was vor allem mit den Lehren der christlichen Kirche zu tun hat. Andererseits steht Weiß aber in vielen asiatischen Kulturen für Trauer, Alter und Tod.

Schwarz wiederum ist in den meisten Kulturkreisen negativ belegt. Es steht für Tod, Trauer, Schmerz und das Unbekannte. Interessanterweise war schwarze Kleidung für viele Berufe vorgeschrieben z.B. bei Militär oder auch Priestern. Die christliche Lehre assoziiert Schwarz allgemein mit dem Bösen, schwarzer Magie und dem Teufel. Ein typischer Begriff ist der ‚schwarze Tod‘ als Synonym für die Pest.

Farben wecken in uns Emotionen hervor, je nach Prägung erinnern sie uns an Erlebnisse oder Geschichten. Diese Verbindung der Farben zu unseren Emotionen lassen sich bestens zu Werbezwecken nutzen. Die weiße Wäsche, die auf einer satten grünen Wiese baumelt oder das rosa Puppenhaus, das die Herzen aller kleinen Mädchen höherschlagen lässt. Ja, die Stereotypen werden in der Werbung mehr als bedient!

Auch im politischen Sinne symbolisieren Farben bestimmte Ansichten. Jede Partei hat sich eine Farbe als Erkennungsmerkmal „gesucht“, die meist im historischen Kontext entstand, z.B. Schwarz für eine christliche Ausrichtung, Rot für die Arbeiterparteien usw.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich die Verwendung von Farben im Laufe der Zeit stark gewandelt hat. Rot war vor einigen hundert Jahren die Farbe der Herrschenden und des Klerus, während Schwarz im 20. Jahrhundert auch die Verbindung zu faschistischen und nationalsozialistischen Machthabern besaß.

Die Nutzung von Farbbezeichnungen für Menschen z.B. Rot für die indigenen Völker Amerikas zeigt die Klassifizierung der ‚Weißen‘ für Menschen unterschiedlicher Hautfarbe als Teil der Rassentheorien. Heute sind solche Bezeichnungen zwar noch im Sprachgebrauch vorhanden, werden aber als nicht angemessen angesehen und von vielen abgelehnt.

Nicht umsonst ist die Regenbogenfahne das Zeichen der Toleranz von vielen Strömungen genutzt, denn sie vereint alle Farben und steht für Frieden und Gleichheit aller Menschen!

Quellen:

Braem,Harald. Die Macht der Farben. Langen/Müller. München 2003

Knuf, Joachim. Unsere Welt der Farben. DuMont-Taschenbücher. Köln 1988

WALS, Paul Kay & Luisa Maffi

Slawische Mythologie – Die geistigen Ursprünge der Slawen

Mythen und Götter sind in allen Kulturkreisen weltweit zu finden. Sie geben den Menschen von jeher die Möglichkeit Erklärungen für die Phänomene des Lebens und der Natur zu finden.

Die Verbindung der Erde mit dem Himmel, der Wechsel der Jahreszeiten, die Entstehung von Leben… alle diese Dinge waren zu Beginn der Menschheit rätselhaft. Die Mythen und Götter boten den Menschen Raum für Erklärungsversuche. Dabei entwickelte sich oftmals ein kompliziertes System von Gottheiten, sowie Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Göttern, ähnlich wie das der Menschen.  

Der Beginn der slawischen Mythologie liegt in tiefster Vergangenheit, lange bevor in den Siedlungsgebieten der Slawen schriftliche Überlieferungen angefertigt wurden. Im 6. Jahrhundert n.Chr. beschrieb der griechische Chronist Prokop von Caesarea die Gottheiten der Slawen.

Mit der Christianisierung der slawischen Völker, etwa ab dem 10. Jahrhundert n.Chr., entstanden immer mehr Schriften über die Mythologie. Deren Wahrheitsgehalt ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Ihre Verfasser waren meist Missionare, die über die heidnischen Traditionen schrieben und naturgemäß die alten Götter der Slawen ablehnten.

Rückschlüsse auf die frühe Mythologie lassen sich aber noch heute aus den überlieferten Bräuchen und Traditionen ableiten. Dabei muss man natürlich darauf achten, dass die heidnischen und christlichen Anteile sich im Laufe der Zeit gemischt haben. Die mündliche Überlieferung im slawischen Raum ist reichhaltig und unterscheidet sich teilweise in einigen Aspekten, je nach Region.

Aus der archäologischen Forschung weiß man einiges mehr über die Gestalt und die Bedeutung der Mythen. Diese Funde sind wichtige Objekte, vor allem ergeben sie für den gesamten slawischen Raum ein Mosaik, dass sich immer mehr erschließt und Verbindungen zwischen den verschiedenen slawischen Völkern und ihrer Verbindung zu Mythen anderer Kulturkreise schafft.

Die Slawen waren Anhänger des Polytheismus, d.h. sie verehrten mehrere Götter, ähnlich wie die Griechen und Germanen. Das Wort bog – Gott bezieht sich auf alle slawischen Götter, nicht wie heute gebräuchlich auf den einen christlichen Gott. Der Ursprung des Wortes bog liegt in Iranischen und Altindischen und bedeutet etwa „Spender des Guten“. In den westslawischen Sprachen ist dieser Wortstamm in vielen Begriffen wiederzuerkennen z.B. poln. bogaty oder tschech. bohatý – reich.

Die Gottheiten erfüllten, wie in anderen Kulturkreisen, spezielle Funktionen. Das legen vor allem die archäologischen Funde nahe, die Fundstücke mit Bezügen zur Natur, dem Himmel oder der Fruchtbarkeit entdeckten.

Das Grundgerüst der slawischen Götterwelt beruht auf vier Hauptgöttern.

Der Gott des Himmels und des Himmelsfeuers, der als Schöpfer allen Lebens verstanden wird, ist Svarog. Sein Sohn Svarožić (in manchen Quellen Dažbog) ist der Sonnengott und Herrscher über das Erdenfeuer. Perun tritt als Gott des Donners und des Blitzes auf, außerdem ist er ein Kriegsgott. Die Parallelen zum nordischen Gott Thor sind offensichtlich. Der vierte im Bunde ist Veles, der Gott des Viehs und der Fruchtbarkeit.

Diese vier Götter sind in allen slawischen Kulturkreisen vertreten, auch wenn neue bzw. andere Götter hinzukamen. Die Ähnlichkeit dieses göttlichen Gerüstes lässt auch noch Raum für andere Gottheiten, die aber bisher nicht belegt sind. Aber der Vergleich mit anderen Kulturkreisen lässt die Möglichkeit zu.

Zusätzlich waren den Slawen auch ihre lokalen Götter wichtig, die je nach Region, verschiedene Funktionen innehatten. Die Verehrung bestimmter Gottheiten, zeigt die starke Naturverbundenheit der Slawen, die wie alle Völker im Einklang mit der Natur leben mussten, um bestehen zu können. Zahlreiche Natur- und Elementargeister gestalten das Leben der Slawen mit. Die vier Elemente Luft, Feuer, Erde und Wasser spielen eine ebenso große Rolle wie die Gegensätze Leben und Tod. Alle Bereiche des Lebens sind durchzogen von Ritualen, Traditionen und Kulten.

Im heutigen Deutschland finden sich immer wieder Spuren dieser slawischen Welt. Ein bekanntes Beispiel ist Kap Arkona auf Rügen, das bis ins 12.Jahrhundert ein wichtiger slawischer Kultplatz war. Die Region Rügen ist eine der letzten heidnischen Orte gewesen, daher finden sich hier viele Relikte aus jüngerer Vergangenheit, die Aufschluss über die Welt der Slawen geben.

Durch die Christianisierung der Slawen sind viele alte Kulte untergegangen, manche leben aber in der christlichen Tradition weiter, nur etwas versteckt. Die christlichen Missionare haben versucht die heidnischen und christlichen Übereinstimmungen so zu interpretieren, dass der Übertritt zum Christentum für die Slawen leichter war. Auch die Struktur der slawischen Götterwelt bot Möglichkeiten an die Dreifaltigkeitslehre des Christentums angepasst zu werden.

Nach und nach wurden alle slawischen Völker christianisiert und brachten ihre Vorstellungen der Welt und Götter mit. Sie legten nicht alle Vorstellungen ihrer „alten Religion“ ab, manche integrierten sie. Noch heute gibt es Feste und Rituale, die trotz Zugehörigkeit zum Christentum aus heidnischer Zeit stammen z.B. die Sommersonnenwende, die in allen Kulturen Europas gefeiert wird. Heute ist dieser Tag als Johannistag bekannt, zu Ehren des großen Heiligen Johannes dem Täufer.

Die slawische Mythologie bieten viel Raum für Geschichten, Riten und Kulte. Sie deckt alle Bereiche im Leben der Menschen ab und viele Fragen bleiben, aufgrund der fehlenden Zeugnisse, noch unbeantwortet.

Quellen:

Zdeněk Váňa, Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1993

Joachim Herrmann, Welt der Slawen. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Beck, München 1986