In der sehr langen Liste aller weltweiten Plansprachen sticht eine besonders heraus: Esperanto. Sie gilt als am weitesten verbreitete Plansprache der Welt. Was macht ihren Erfolg aus? Welche Besonderheiten weist Esperanto auf?
Wichtig zu sagen ist, das Esperanto nicht die erste Plansprache war. Schon im Mittelalter gab es Versuche, aber keiner hat es weit gebracht.
Ludwik Lejzer Zamenhof (1859-1917) entwickelte Ende des 19. Jahrhunderts eine eigene Sprache, weil er die Schwierigkeiten darin sah, wenn Menschen sich nicht miteinander verständigen konnten, weil sie unterschiedliche Sprachen sprechen. Die Lösung des Problems sah er in einer gemeinsamen Sprache. Zamenhof sprach zahlreiche Sprachen (Russisch, Jiddisch, Deutsch, Polnisch, Französisch, Englisch, Latein, Griechisch und Hebräisch) und begann eine aus vielen Sprachen inspirierte Plansprache, die als Zweitsprache für alle leicht zu lernen sein sollte, zu schaffen. Es ging nicht darum, dass natürliche Sprachen durch ihre Komplexität keine Daseinsberechtigung hätten oder die Menschen keine Fremdsprachen mehr lernen sollten. Zamenhof erhoffte sich eine Art Verkehrssprache, so wie es heute etwa das Englische ist, die alle Menschen zu störungsfreier Kommunikation untereinander befähigen sollte. Außerdem glaubte er, dass sich soziale Probleme lösen ließen und die Menschen zu einem friedlichen Leben finden würden.
Die Schwierigkeit besteh darin eine Sprache so zu konstruieren, dass sie möglichst viel Ähnlichkeit mit allen anderen Sprachen ausweist und so für alle leicht und schnell erlernbar ist. Man kann sich vorstellen, welche Herausforderung das bedeutet.
Nachdem Zamenhof einige Jahre getüftelt hatte, wurde am 26. Juli 1887 die erste Schrift über Esperanto veröffentlicht. Sie erschien zunächst auf Russisch, bald auch in anderen Sprachen. In dieser Schrift Unua Libro (dt: Erstes Buch) erklärte Zamenhof die Ziele, die grundlegende Grammatik, fügte Wortlisten und Beispieltexte ein, wie beispielsweise das Vaterunser. Ab 1889 erschien eine Zeitschrift in Esperanto, La Esperantisto (dt: Der Esperantist).
Große Verbreitung fand Esperanto zum Beginn des 20. Jahrhunderts über Frankreich und dem restlichen Westeuropa bis in alle anderen Länder weltweit. 1908 gründete sich die Universala Esperanto-Asocio (Esperanto-Weltbund), die sich für die Verbreitung der Sprache und die Vernetzung der Landesverbände einsetzt. Die politischen und kriegerischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts erschwerten die Verbreitung des Esperantos, vor allem in den Diktaturen Europas war eine Verwendung von Esperanto unerwünscht oder sogar verboten. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges konnten die meisten Verbände ihre Arbeit wieder aufnehmen.
Wie funktioniert eine Plansprache, deren Ziel es ist, möglichst einfach und schnell erlernbar zu sein?
Esperanto besteht aus festen Wortbausteinen, die aneinandergehängt werden, um Bedeutungen auszudrücken. Somit ist es eine agglutinierende Sprache wie beispielsweise Türkisch. Es gibt bei der Wortbildung wie Mehrzahl oder Verbkonjugation nur regelmäßige Formen, Ausnahmen würden ja das Lernen erschweren. Bestimmte Endungen zeigen (meistens) die Wortart (Substantive, Adjektive etc.) an, so dass Verwechslungen vermieden werden. Anders als im Deutschen gibt es kein grammatisches Geschlecht.
Der Wortschatz stammt aus verschiedenen Sprachfamilien, vor allem aus der romanischen, germanischen und slawischen. Zamenhof bemühte sich darum Wörter mit gemeinsamem Ursprung zu verwenden, was natürlich nicht immer 100%ig klappt.
Als Schrift wird die lateinische verwendet, ergänzt mit einigen diakritischen Zeichen wie man sie aus vielen slawischen Sprachen kennt. Wichtig ist, dass die Schrift phonetisch funktioniert, also jeder Buchstabe für einen einzigen Laut steht. Insgesamt gibt es 28 Buchstaben.
Die Grammatik ist einfach gehalten, zahlreiche Formen und Ausnahmen sucht man vergeblich. Zamenhof hat alles systematisch angelegt, viele internationale Vereinigungen pflegen die Sprache und aktualisieren sie z.B. werden Wörter neuer Erscheinung hinzugefügt. Sonst wäre Esperanto schnell antiquiert und in der heutigen Zeit nicht nutzbar.
Die Zahl der Sprecher schwankt mit den Jahren und je nach Genauigkeit der Befragung. Man kann von mehreren Millionen Sprechern ausgehen, die Esperanto als Fremdsprache gelernt haben, unabhängig von der tatsächlichen Verwendung und Sprachniveau. Schwieriger sind die Muttersprachler zu erfassen. Zwischen 1000 und 2000 Menschen geben Esperanto als (zweite) Muttersprache an.
Doch nicht nur im Sprachgebrauch ist Esperanto vertreten. Es gibt zahlreiche Literatur auf und über Esperanto, einige Radiosender senden regelmäßig Sendungen in Esperanto und es gibt in vielen Ländern Angebote Esperanto zu lernen. Das Internet hilft ungemein bei der Verbreitung und der Vernetzung der Sprache. Auch die Wissenschaft, vor allem die Interlinguistik, hat sich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit Esperanto und allgemein dem Phänomen „Plansprachen“ beschäftigt.
Der Grundgedanke Zamenhofs, Menschen durch die vereinfachte Sprache friedlich zusammenzubringen, ist nicht so ganz ausgegangen. Doch wenn Menschen über eine Sprache, ganz gleich welche, zusammenfinden, ist das schon mal ein Schritt in die richtige Richtung!!!
Quellen
Detlev Blanke: Internationale Plansprachen. Eine Einführung (= Sammlung Akademie-Verlag. 34, Sprache). Akademie-Verlag, 1985
Heike Pahlow: Esperanto – einfach, kompakt und übersichtlich. Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2016