Unsere Welt ist bunt

Menschen sind visuell geprägte Wesen. Wir nehmen unsere Umgebung zwar mit allen Sinnen wahr, also auch durch Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen, aber die visuelle Wahrnehmung ist dominant. Dabei sind wir in der Lage verschiedenste Eindrücke zu klassifizieren: hell-dunkel, farbig, Schattierungen usw.

Farben sind von entscheidender Bedeutung. In der frühsten Zeit konnten die Menschen an der Farbe der Pflanzen beurteilen, ob sie reif oder vielleicht sogar giftig war usw. Die in der Natur vorkommenden Farben hat der Mensch mit seiner Weiterentwicklung schrittweise erhöht. Er lernte Farben z.B. aus Pflanzen oder Insekten zu gewinnen, um Stoffe zu färben oder Farben für Höhlenmalereien herzustellen. Den Farben sprach der Mensch schon früh eine Bedeutung zu, verwendete für bestimmte Motive nur bestimmte Farben oder man konnte an der Farbe der Kleidung den Rang des Gruppenmitgliedes erkennen.

Das deutsche Wort ‚Farbe‘ kommt vom mittelhochdeutschen ‚varwe‘ und ist ein Überbegriff mit allerlei Bedeutungen wie die Wandfarbe oder die einzelnen Farben des Lichtes.

Im sprachlichen Sinn ist das Spektrum des Begriffes ‚Farbe‘ riesengroß. Jede Sprache kennt Bezeichnungen für Farben, aber es gibt unzählige Abstufungen und unterschiedlich viele Begriffe pro Sprache.

Dabei zeigen sich Hierarchien, in denen Sprachen ihre Farben ausdrücken. Mit einem Schema lässt sich das so darstellen:

Weiß/Schwarz < Rot < Grün/Gelb < Blau < Braun < Lila/Rosa/Orange/Grau

Wenn also eine Sprache Farben sprachlich unterteilt, dann zumeist in diesen Abstufungen. Ein anderes System der Klassifizierung ist die Einteilung in warme und kalte Farben.

Warm sind Weiß, Gelb und Rot (plus Farben, die sich aus deren Mischungen ergeben); kalt sind Schwarz, Blau und Grün (plus Mischungen). Dabei müssen nicht für alle Farben begriffe vorhanden sein bzw. werden Begriffe für nicht vorhandene Farben oft von Gegenständen abgeleitet z. B. die Orange→ orange.

Interessanterweise unterscheiden manche Sprachen, vor allem asiatische, nicht zwischen Blau und Grün, was zu Verwirrungen führen kann. Die Unterscheidung Blau-Grün ist hierarchisch gesehen eine der letzten durchgeführten Differenzierungen der Kalt-Warm-Einteilung. Es gibt in der Forschung verschiedene Ansichten zu den Ursachen solcher Nichtunterscheidungen. Manche argumentieren, dass durch die fehlende sprachliche Differenzierung eine veränderte Wahrnehmung dazu führt, dass Sprecher solcher Sprachen den Unterschied auch nicht visuell wahrnehmen. Doch Studien haben gezeigt, dass Sprecher einer nichtdifferenzierenden Sprache die Unterschiede wahrnehmen, wenn sie eine Sprache erlernen, die solche Unterschiede der Farben macht. Es wäre ja sonst anzunehmen, dass die Hirnstrukturen der Sprecher unterschiedlich seien, was nachweislich nicht der Fall ist, sondern lediglich ein Lernmechanismus unterschiedlich stattfindet.

Die Geschichte zeigt, dass in unserem Leben Farben eine immer wichtigere Rolle spielen. Früher waren nur Farbbezeichnungen der Lebensumgebung gefragt, aber je weiter der Mensch in andere Gebiete vordrang bzw. neue Techniken zur Gewinnung von Farbpigmenten entwickelte, desto mehr Bezeichnungen für Farben mussten her.

Dabei kommen entweder neue Wortschöpfungen zustande oder man klassifiziert die Abstufungen nach hell bzw. dunkel. Im Deutschen lässt sich das beispielsweise sehr produktiv gestalten, von rot zu hellrot oder vielleicht dunkelorange. Die Wahrnehmung jedes Einzelnen ist dabei unterschiedlich. Wann ist ein Rotton hell, wann dunkel oder einfach nur Rot?

Farben sind aber nicht nur Geschmackssache, meine Lieblingsfarbe ist Grün, sondern tragen auch kulturelle Bedeutung. Grün wird beispielsweise mit der Natur und Wachstum assoziiert, Blau ist traditionell die Farbe des Wassers, des Himmels, des Vertrauens und des Friedens. Diese Liste ließe sich mit allen Farben unendlich fortsetzen.

Je nach Kontext ordnen wir den Farben Eigenschaften wie männlich und weiblich zu, man bedenke die Farbauswahl beim Babykleidungskauf.

Auch die Religionen nutzen Farben zur Verstärkung: Die Farbe Grün symbolisiert den Islam, deshalb ist in den meisten Flaggen muslimischer Länder Grün enthalten.

Attribute wie Stärke und Kampfgeist assoziiert man mit Rot, genauso wie Revolution, was erklärt warum in der Sowjetunion Rot die wichtigste Farbe war.

Das ambivalenteste ‚Farbpaar‘ ist sicherlich Schwarz-Weiß. Die Bedeutungen dieser beiden ist je nach Kulturkreis verschieden. In Europa ist Weiß die Farbe der Reinheit, des Friedens, der Jungfräulichkeit, was vor allem mit den Lehren der christlichen Kirche zu tun hat. Andererseits steht Weiß aber in vielen asiatischen Kulturen für Trauer, Alter und Tod.

Schwarz wiederum ist in den meisten Kulturkreisen negativ belegt. Es steht für Tod, Trauer, Schmerz und das Unbekannte. Interessanterweise war schwarze Kleidung für viele Berufe vorgeschrieben z.B. bei Militär oder auch Priestern. Die christliche Lehre assoziiert Schwarz allgemein mit dem Bösen, schwarzer Magie und dem Teufel. Ein typischer Begriff ist der ‚schwarze Tod‘ als Synonym für die Pest.

Farben wecken in uns Emotionen hervor, je nach Prägung erinnern sie uns an Erlebnisse oder Geschichten. Diese Verbindung der Farben zu unseren Emotionen lassen sich bestens zu Werbezwecken nutzen. Die weiße Wäsche, die auf einer satten grünen Wiese baumelt oder das rosa Puppenhaus, das die Herzen aller kleinen Mädchen höherschlagen lässt. Ja, die Stereotypen werden in der Werbung mehr als bedient!

Auch im politischen Sinne symbolisieren Farben bestimmte Ansichten. Jede Partei hat sich eine Farbe als Erkennungsmerkmal „gesucht“, die meist im historischen Kontext entstand, z.B. Schwarz für eine christliche Ausrichtung, Rot für die Arbeiterparteien usw.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich die Verwendung von Farben im Laufe der Zeit stark gewandelt hat. Rot war vor einigen hundert Jahren die Farbe der Herrschenden und des Klerus, während Schwarz im 20. Jahrhundert auch die Verbindung zu faschistischen und nationalsozialistischen Machthabern besaß.

Die Nutzung von Farbbezeichnungen für Menschen z.B. Rot für die indigenen Völker Amerikas zeigt die Klassifizierung der ‚Weißen‘ für Menschen unterschiedlicher Hautfarbe als Teil der Rassentheorien. Heute sind solche Bezeichnungen zwar noch im Sprachgebrauch vorhanden, werden aber als nicht angemessen angesehen und von vielen abgelehnt.

Nicht umsonst ist die Regenbogenfahne das Zeichen der Toleranz von vielen Strömungen genutzt, denn sie vereint alle Farben und steht für Frieden und Gleichheit aller Menschen!

Quellen:

Braem,Harald. Die Macht der Farben. Langen/Müller. München 2003

Knuf, Joachim. Unsere Welt der Farben. DuMont-Taschenbücher. Köln 1988

WALS, Paul Kay & Luisa Maffi

Slawische Mythologie – Die geistigen Ursprünge der Slawen

Mythen und Götter sind in allen Kulturkreisen weltweit zu finden. Sie geben den Menschen von jeher die Möglichkeit Erklärungen für die Phänomene des Lebens und der Natur zu finden.

Die Verbindung der Erde mit dem Himmel, der Wechsel der Jahreszeiten, die Entstehung von Leben… alle diese Dinge waren zu Beginn der Menschheit rätselhaft. Die Mythen und Götter boten den Menschen Raum für Erklärungsversuche. Dabei entwickelte sich oftmals ein kompliziertes System von Gottheiten, sowie Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Göttern, ähnlich wie das der Menschen.  

Der Beginn der slawischen Mythologie liegt in tiefster Vergangenheit, lange bevor in den Siedlungsgebieten der Slawen schriftliche Überlieferungen angefertigt wurden. Im 6. Jahrhundert n.Chr. beschrieb der griechische Chronist Prokop von Caesarea die Gottheiten der Slawen.

Mit der Christianisierung der slawischen Völker, etwa ab dem 10. Jahrhundert n.Chr., entstanden immer mehr Schriften über die Mythologie. Deren Wahrheitsgehalt ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Ihre Verfasser waren meist Missionare, die über die heidnischen Traditionen schrieben und naturgemäß die alten Götter der Slawen ablehnten.

Rückschlüsse auf die frühe Mythologie lassen sich aber noch heute aus den überlieferten Bräuchen und Traditionen ableiten. Dabei muss man natürlich darauf achten, dass die heidnischen und christlichen Anteile sich im Laufe der Zeit gemischt haben. Die mündliche Überlieferung im slawischen Raum ist reichhaltig und unterscheidet sich teilweise in einigen Aspekten, je nach Region.

Aus der archäologischen Forschung weiß man einiges mehr über die Gestalt und die Bedeutung der Mythen. Diese Funde sind wichtige Objekte, vor allem ergeben sie für den gesamten slawischen Raum ein Mosaik, dass sich immer mehr erschließt und Verbindungen zwischen den verschiedenen slawischen Völkern und ihrer Verbindung zu Mythen anderer Kulturkreise schafft.

Die Slawen waren Anhänger des Polytheismus, d.h. sie verehrten mehrere Götter, ähnlich wie die Griechen und Germanen. Das Wort bog – Gott bezieht sich auf alle slawischen Götter, nicht wie heute gebräuchlich auf den einen christlichen Gott. Der Ursprung des Wortes bog liegt in Iranischen und Altindischen und bedeutet etwa „Spender des Guten“. In den westslawischen Sprachen ist dieser Wortstamm in vielen Begriffen wiederzuerkennen z.B. poln. bogaty oder tschech. bohatý – reich.

Die Gottheiten erfüllten, wie in anderen Kulturkreisen, spezielle Funktionen. Das legen vor allem die archäologischen Funde nahe, die Fundstücke mit Bezügen zur Natur, dem Himmel oder der Fruchtbarkeit entdeckten.

Das Grundgerüst der slawischen Götterwelt beruht auf vier Hauptgöttern.

Der Gott des Himmels und des Himmelsfeuers, der als Schöpfer allen Lebens verstanden wird, ist Svarog. Sein Sohn Svarožić (in manchen Quellen Dažbog) ist der Sonnengott und Herrscher über das Erdenfeuer. Perun tritt als Gott des Donners und des Blitzes auf, außerdem ist er ein Kriegsgott. Die Parallelen zum nordischen Gott Thor sind offensichtlich. Der vierte im Bunde ist Veles, der Gott des Viehs und der Fruchtbarkeit.

Diese vier Götter sind in allen slawischen Kulturkreisen vertreten, auch wenn neue bzw. andere Götter hinzukamen. Die Ähnlichkeit dieses göttlichen Gerüstes lässt auch noch Raum für andere Gottheiten, die aber bisher nicht belegt sind. Aber der Vergleich mit anderen Kulturkreisen lässt die Möglichkeit zu.

Zusätzlich waren den Slawen auch ihre lokalen Götter wichtig, die je nach Region, verschiedene Funktionen innehatten. Die Verehrung bestimmter Gottheiten, zeigt die starke Naturverbundenheit der Slawen, die wie alle Völker im Einklang mit der Natur leben mussten, um bestehen zu können. Zahlreiche Natur- und Elementargeister gestalten das Leben der Slawen mit. Die vier Elemente Luft, Feuer, Erde und Wasser spielen eine ebenso große Rolle wie die Gegensätze Leben und Tod. Alle Bereiche des Lebens sind durchzogen von Ritualen, Traditionen und Kulten.

Im heutigen Deutschland finden sich immer wieder Spuren dieser slawischen Welt. Ein bekanntes Beispiel ist Kap Arkona auf Rügen, das bis ins 12.Jahrhundert ein wichtiger slawischer Kultplatz war. Die Region Rügen ist eine der letzten heidnischen Orte gewesen, daher finden sich hier viele Relikte aus jüngerer Vergangenheit, die Aufschluss über die Welt der Slawen geben.

Durch die Christianisierung der Slawen sind viele alte Kulte untergegangen, manche leben aber in der christlichen Tradition weiter, nur etwas versteckt. Die christlichen Missionare haben versucht die heidnischen und christlichen Übereinstimmungen so zu interpretieren, dass der Übertritt zum Christentum für die Slawen leichter war. Auch die Struktur der slawischen Götterwelt bot Möglichkeiten an die Dreifaltigkeitslehre des Christentums angepasst zu werden.

Nach und nach wurden alle slawischen Völker christianisiert und brachten ihre Vorstellungen der Welt und Götter mit. Sie legten nicht alle Vorstellungen ihrer „alten Religion“ ab, manche integrierten sie. Noch heute gibt es Feste und Rituale, die trotz Zugehörigkeit zum Christentum aus heidnischer Zeit stammen z.B. die Sommersonnenwende, die in allen Kulturen Europas gefeiert wird. Heute ist dieser Tag als Johannistag bekannt, zu Ehren des großen Heiligen Johannes dem Täufer.

Die slawische Mythologie bieten viel Raum für Geschichten, Riten und Kulte. Sie deckt alle Bereiche im Leben der Menschen ab und viele Fragen bleiben, aufgrund der fehlenden Zeugnisse, noch unbeantwortet.

Quellen:

Zdeněk Váňa, Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1993

Joachim Herrmann, Welt der Slawen. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. Beck, München 1986

Jiddisch – Die Sprache der europäischen Juden

Beim Namen der Sprache Jiddisch ist ihr Ursprung nicht sofort erkennbar. Es ist eine westgermanische Sprache, die vor allen von den aschkenasischen Juden in Europa gesprochen wurde und sich in mittelhochdeutscher Zeit entwickelt hat. Jiddisch kann also auf 1000-jähriges Bestehen zurückblicken. Die ersten Juden kamen wahrscheinlich zu Zeiten der Römer in den deutschsprachigen Raum. Sie waren Händler und Kaufleute. Sie ließen sich in den damals aufkommenden Städten nieder.

Die Situation der Juden war in Europa oft schwierig. Im Mittelalter mussten sie oft in Ghettos leben und bestimmte Kleidung tragen. Diese Diskriminierungen führten dazu, dass viele Juden aus dem deutschsprachigen Raum nach Osten weiterzogen und sich in Gebieten der heutigen Polens, Tschechiens, Litauens und der Ukraine niederließen.

Im 19. Jahrhundert wanderten viele Juden nach Amerika aus und vergrößerten damit das Sprachgebiet des Jiddischen.

Die sprachlichen Anfänge des Jiddischen liegen eindeutig im Mittelhochdeutschen. Dabei unterscheidet man das Jiddische in zwei Zweige: West- und Ostjiddisch. Im Laufe der Jahrhunderte und wegen der Ostverschiebung des jüdischen Siedlungsgebietes spaltete sich die jiddische Sprache. Das Westjiddische wird heute nur noch von wenigen Menschen, meist von der älteren Generation gesprochen. Dabei zeigt es wenige Einflüsse aus dem Slawischen, die aber typisch für das Ostjiddische sind.

Die Sprechergruppe des Ostjiddischen ist durch die Verbreitung in Ostmitteleuropa und Amerika wesentlich größer und auch im öffentlichen Leben sichtbarer als das Westjiddische. Die aktuelle Zahl der (Ost-)jiddische Sprechenden wird auf etwa 1,5 Millionen weltweit geschätzt. Große Sprechergruppen gibt es vor allem in den USA und Kanada.

Jiddisch steht, aus der Sicht des Staates Israel, gegen das Modernes Hebräisch (Ivrit), das alleinige Amtssprache in Israel ist. Es steht für die Unterdrückung der Juden über Jahrhunderte und wird durch seinen deutschen Ursprung als nicht gleichwertig mit dem Modernen Hebräisch angesehen. Die Juden, die nach Israel übersiedelten, vor allem nach der Schoa, sollten in Israel das Moderne Hebräisch übernehmen. Nur wenige sprechen in Israel noch Jiddisch.

In Europa hat das Jiddische den Staus einer Regional- bzw. Minderheitensprache in Bosnien und Herzegowina, der Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden und der Ukraine. 

Die jiddische Sprache setzt sich aus vier sprachlichen Komponenten zusammen: Das Deutsche als Basis und Einflüsse, vor allem lexikalische, aus dem Hebräisch-Aramäischen, Romanischen und Slawischen.

Der deutsche Anteil macht etwa 70% des Jiddischen aus. Es ist aber nicht einfach eine Übernahme der deutschen Sprache, sondern eine Mischung aus verschiedenen Dialekten. Parallelen zeigen sich beispielsweise in der Silbenbetonung (Betonung auf der Stammsilbe), Verwendung von Umlauten, der ähnlichen Verwendung von Endungen und der Wortstellung im Satz. Die jiddischen Verben unterteilen sich wie im Deutschen in starke und schwache Kategorien.

Der hebräisch-aramäische Teil bezieht sich vor allem aus dem Wortschatz, der im Jiddischen zu etwa 20% aus dem Hebräischen oder Aramäischen stammt. Die alten Schriften wie die Thora oder die Kabbala und alte schriftliche Dokumente sind Bezugsquellen für Begriffe rund um Religion und Glaube. Oftmals sind diese Begriffe an das Deutsche angepasst worden.

Der Teil aus den slawischen Sprachen wie Polnisch, Tschechisch und Ukrainisch ist historisch gesehen noch jung, aber vor allen die Verwendung von Affixen in der Wortbildung wurde von Jiddisch Sprechenden produktiv in die Sprache eingebaut. Die typisch slawische Vorliebe für Verkleinerungsformen (Diminutivum) wird im Jiddischen ebenfalls gerne genutzt.

Weniger, aber nicht unwichtigere Entlehnungen bezieht das Jiddische aus dem Romanischen, vor allem aus dem Altitalienischen und Altfranzösischen.

Das Jiddische verfügt über eine Schriftsprache, die sich am Hebräischen orientiert. Die Schrift wird meist phonetisch geschrieben, bei den Wörtern aus dem Hebräischen passt es sich an die Originalschreibung an. Im europäischen Raum findet man auch Transkriptionen mit lateinischen Buchstaben, da es für Lernende einfacher ist.

In der Literatur sind zahlreiche Schriftsteller*innen bekannt, die in jiddischer Sprache schrieben. Der bekannteste ist wahrscheinlich Isaac Bashevis Singer (1902–1991), der 1978 der Nobelpreis für Literatur bekam. Trotz der Schwierigkeiten, die die Juden in der Geschichte hatten, war die Anzahl der Druckerzeugnisse beachtlich.

Immer mehr Interesse besteht in der Forschung an Sprache und Kultur des Jiddischen. Einige Institute in Europa bieten Jiddischkurse an und es gibt zahlreiche Veranstaltungen mit jiddischer Musik und Lesungen. Auch in den USA herrscht ein buntes Kulturleben, es gibt Theater, Zeitungen und vieles mehr.

Bekanntheit in Deutschland erlangte das Jiddische über die Netflix-Miniserie „Unorthodox“ aus dem Jahr 2020, in der unter anderem auch Jiddisch gesprochen wird.

Quellen:

Andrea Fiedermutz: Jiddisch. In: Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens, Klagenfurt 2002

Joshua A. Fishman: Planning and Standardization of Yiddish. In: The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe. Hrsg. von David Gershom Hundert. Yale University Press, New Haven/London 2008

Jane Austen

Sie schrieb zahlreiche Geschichten und Romane, veröffentlichte sie anonym und gilt heute als eine der bekanntesten englischen Schriftstellerinnen: Jane Austen.

Am 16. Dezember 1775 in eine kinderreiche englische Familie hineingeboren, wuchs Jane Austen wohl behütet in einer Zeit der technischen und kulturellen Umbrüche (die Zeit der Regency) auf. Obwohl sie „nur“ ein Mädchen war, konnte sie sich eine umfassende Bildung aneignen, die weit über die typische Bildung für Frauen aus dem niederen Adel wie Handarbeit, Musizieren und gute Manieren hinaus ging.

Die einzige, in der Gesellschaft anerkannte, Möglichkeit als Frau sichtbar zu werden war die Heirat in eine angesehene Familie. Adelige Frauen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienten, waren eine Rarität und wurden skeptisch beäugt. Jane Austen hatte zwar die Möglichkeit zu heiraten, lehnte den Heiratsantrag von Harrison Bigg Wither 1802 aber ab. Zu diesem Zeitpunkt galt sie, nach damaligem Verständnis, schon als fast zu alt für eine Heirat.

Ihre Brüder sorgten zeitlebens für ihren Unterhalt. Außerdem veröffentlichte sie Geschichten und ihre Romane.

Sie begann schon als Jugendliche zu schreiben, vorerst kleine Geschichten, Satiren, kleine Theaterstücke und viele Briefe, die meist nicht erhalten geblieben sind.

Mit Anfang 20 schrieb sie ihre ersten Romane: Sense and Sensibility (dt.: Verstand und Gefühl), Pride and Prejudice (dt.: Stolz und Vorurteil) und Northanger Abbey (dt.: Die Abtei von Northanger), die Austen mehrmals überarbeitete und mit neuen Titeln versah. Bis zur Veröffentlichung der Romane vergingen mehrere Jahre. Northanger Abbey erschien erst postum 1817.

Die Identität der Autorin wurde durch die Verwendung des Pseudonyms „by a lady“ nur halbherzig kaschiert. Gerüchte machten schnell die Runde, dass Jane Austen die zahlreichen Geschichten und Romane geschrieben hat.

Im Gegensatz zu Austens spät veröffentlichten, aber frühen geschriebenen Romanen, wurden Mansfield Park, Emma und Persuasion (dt.: Überredung) zeitnah nach der Fertigstellung herausgegeben. Die Veröffentlichung von Persuasion 1817 hat Austen aber nicht mehr erlebt. Sie starb am 18. Juli 1817.

In den drei ersten Romanen (Sense and Sensibility, Pride and Prejudice und Northanger Abbey) ist die Hauptfigur immer eine junge Frau, die sich mit der Frage nach einem geeigneten Ehemann befasst, der nicht nur eine gesellschaftlich gute Position innehaben soll, sondern auch gute Charaktereigenschaften mitbringt, damit die Ehe harmonisch und friedvoll verläuft.  Die Ansicht Austens ist bemerkenswert, da zu damaliger Zeit war die persönliche Ebene nicht unbedingt das wichtigste Kriterium für eine Ehe darstellte.

In den drei späteren Romanen (Mansfield Park, Emma und Persuasion) ist das Grundmotiv (eine junge Frau sucht einen Ehemann) wie in den ersten. Aber man erkennt deutliche Unterschiede zwischen den frühen und späten Werken.

In den späteren Romanen schreibt Austen mehr aus der Perspektive der Frauen, die Handlung wird von den Hauptfiguren viel aktiver mitgestaltet. Es gibt Verweise auf gesellschaftskritische und politische Themen, in die sich die Figuren mit handfesten Argumenten einbringen. Die Frauen erscheinen unabhängiger als in den ersten Romanen, sie sind nicht nur heiratswillige und unmündige Partien, sondern vertreten ihre Meinung, immer auf eine der guten Erziehung entsprechende ästhetische Weise.

Vielleicht spielt Jane Austens Alter beim Schreiben der Werke eine Rolle. Die Darstellungen der Romancharaktere gestaltet sie sehr detailreich und mitunter ironisch. Es lassen sich immer wieder Parallelen zu ihr und ihren Zeitgenossen ziehen, wahrscheinlich war das auch beabsichtigt. Kritik an der Gesellschaftsnormen kommt genauso wie Kritik an Personen durch Austens geschickte Art zu schreiben zum Ausdruck. Die oft ironische Note der Dialoge und Handlungsbeschreibungen machen das Lesen zu einem Suchspiel zwischen Objektivität und persönlicher Meinung der Autorin.

Die Romane Jane Austens sind, teilweise schon zu Lebzeiten, in anderen Sprachen übersetzt worden. Viele Zeitgenossen Austens lobten ihren scharfsinnigen Blick und die kunstvolle Art zu schreiben hervor. Kritik äußerten andere aufgrund der langweiligen, wenig spannenden Handlung und der Gemütskühle der Figuren.

In den letzten Jahrzehnten wurde Austens Werke mehrmals verfilmt, viele namenhafte Schauspieler verhalfen den Filmen und damit auch den Romanen zu einer Neuentdeckung.

Im deutschsprachigen Raum sind Austens Werke zwar bekannt, aber die spezielle Art der Romanen kommt nicht bei allen gut an. Man könnte die Werke aus heutiger Sicht als altmodisch und kitschig bezeichnen, aber im Kontext des Lebens damals waren die Inhalte innovativ.

Auch heute kennen die Menschen die Sehnsucht nach einem Partner, nach Anerkennung und Selbstverwirklichung! Nur stehen uns heute andere Möglichkeiten offen, wie wir uns verwirklichen wollen. Niemand muss heute heiraten, um gesellschaftlich anerkannt zu sein, zumindest in unserem Kulturkreis.

Auch die Entscheidung Austens, nicht zu heiraten und zu versuchen mit ihrem Schreiben Geld zu verdienen, zeigen die Andersartigkeit dieser Schriftstellerin. Sie setzt damit ein Zeichen, das Individualität nicht als schlecht oder unrecht gilt, sondern das Leben einer Gesellschaft bereichert.

Daher lässt sich mit Recht sagen, dass Austens Werke ein Blick in die Zukunft sind. Sie verlieren nicht an Aktualität in Hinblick auf die Natur des Menschen. Beim Lesen ihrer Romane taucht man in eine Welt ein, die uns schwer verständlich, aber doch bekannt vorkommt. Wir fiebern, trotz unserer modernen Sicht auf die Welt, mit den Figuren mit und freuen uns über ihr Glück.

Quellen:

https://www.fembio.org

http://www.jane-austen.de

Pennsylvania Dutch – Die Sprache der Amische und Mennoniten

In den USA gibt es eine große Sprechergemeinschaft, die eine Variante des Deutschen seit mehreren Jahrhunderten fast unverändert pflegt. Die Bezeichnungen sind vielfältig: Pennsylvania German, Pennsylvaniadeutsch, Pennsilfaanisch Deitsch, Pennsilfaani oder Pennsilveni-Deitsch. Die Begriffe sind untereinander austauschbar.

Alle Begriffe beziehen sich auf eine Pfälzer Mundart, die Auswanderer aus der Kurpfalz und aus Süddeutschland nach Amerika mitbrachten. Sie flohen meist wegen religiöser Verfolgung aus ihrer Heimat. Der Großteil gehörte den protestantischen Glaubensrichtungen der Täufer an sowie weitere kleinere Gruppen wie Pietisten und den Mährischen Brüdern.

Die erste große Auswanderungswelle um 1680 verschlug die Auswanderer nach Pennsylvania, wo sie erste Siedlungen gründeten und das Land bestellten. Mehrere Auswanderungswellen in den nächsten zwei Jahrhunderten ließen die Deutschstämmigen zu einer zahlenmäßig großen Gruppe anwachsen und sie siedelten auch in anderen Bundesstaaten u.a. Ohio, Indiana, Iowa und Kentucky.

Die Menschen lebten meist in selbst gewählter Abgeschiedenheit, pflegten wenig Kontakt zu anderen und bewahrten so ihre Kultur und Sprache. Die verschiedenen deutschen Dialekte, die die Auswanderer sprachen, wurden im Laufe der Zeit von dem typischen Siedler-Dialekt aus Pennsylvania verdrängt. Heute ist das Pennsylvania Dutch fast überall einheitlich.

Der Begriff Pennsylvania Dutch ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass zur Zeit des Ersten Weltkrieges eine verstärkte antideutsche Stimmung in den USA herrschte und die Bezeichnung Pennsylvania German zu sehr an Deutschland denken ließ. Außerdem stammt der gemeinsame Ursprung von Dutch, Deitsch sowie Deutsch aus dem selben urgermanischen Wort.

Die ursprüngliche Gruppe der Pennsylvania Dutch Sprechenden lässt sich in zwei kleinere Gruppen einteilen, die im Laufe der Zeit unterschiedliche Wege einschlugen. Die größere von beiden stammt von Einwanderern ab, die zwar zu protestantischen Gemeinden gehörte, aber einen offeneren Lebensstil pflegten und sich schneller an die Kultur der Allgemeinheit anpasste, in Bezug auf Kleidung, Berufe und Sprache. Diese Gruppe assimilierte sprachlich zum Englischen und ist heute kaum noch sichtbar.

Die zweite, zahlenmäßig viel kleinere, Gruppe war tief religiös und lebte abgeschieden innerhalb ihrer Gemeinden. Noch heute prägen sie das Bild vom Landleben, klassischer Rollenverteilung und Vermeidung äußerer Einflüsse: Die Amische und die Mennoniten. Auch innerhalb dieser Gruppe gibt es Untergruppen, aber die Sprache ist ihnen gemeinsam. Durch ihren Kinderreichtum wächst die Sprecherzahl kontinuierlich an. Momentan geht man von circa 350.000 Sprechern aus.

Das Pennsylvania Dutch ist in den USA nicht als Minderheitensprache anerkannt. Trotzdem genießt es ein hohes Prestige. Es gibt zweisprachige Beschilderung in den Gebieten der Sprecher, innerhalb der Schulbildung wird es in allen Sprechergemeinden unterrichtet. Auch die wirtschaftliche Lage der Sprecher, die fast ausschließlich in Gemeinschaften der Amish oder Mennoniten leben, ist gut.

Durch den fehlenden Kontakt zum Standarddeutschen hat sich im Pennsylvania Dutch eine archaische Form des Deutschen erhalten, der von Sprechern des Standarddeutschen nur schwer verstanden wird. Hinzu kommt, dass es vom Pennsylvania Dutch zwei unterschiedliche Formen im Leben der Sprecher gibt: das gesprochene Pennsylvania Dutch und das Pennsylvaniahochdeutsch.

Pennsylvaniahochdeutsch beinhaltet das Deutsch, das zur Zeit der Einwanderung in die USA gesprochen wurde, also frei vom Einfluss des Englischen ist und als Sakralsprache in Kirchenschriften und bei Gottesdiensten verwendet wird. Die Sprecherzahl (aktive Sprecher) ist sehr klein, meist sind es die Älteren und Personen mit religiösen Funktionen. Die Zahl der Sprecher wird auf 5.000 geschätzt.

In der Alltagssprache hat das Pennsylvania Dutch über die Jahrhunderte natürlich Veränderungen erfahren. Vor allem der Kontakt mit dem Englischen ist unübersehbar. Die Amische und Mennoniten sprechen fast alle Englisch, meist mit dem typischen Akzent, der durch den Einfluss des Pennsylvania Dutch als L1 zustande kommt.

Auch die Abgeschiedenheit, die früher ein zentrales Element war, kann aus wirtschaftlicher Sicht nicht komplett aufrecht erhalten werden. Amish und Mennoniten sind im Handel und Handwerk tätig, kommen also zwangsläufig mit Menschen außerhalb ihrer Gemeinde in Kontakt.

Manche Forscher sprechen davon, dass in den Gemeinden eine Triglossie, also das Vorhandensein dreier Sprachen in einer Gemeinschaft, vorherrscht. Das beinhaltet das alltägliche Pennsylvania Dutch, Englisch und Pennsylvaniahochdeutsch. Wobei letzteres eigentlich nur passiv verwendet wird und daher eher eine Diglossie angenommen werden muss. Trotzdem zeigt sich durch das Wirken aller drei Sprachen eine interessante Entwicklung im alltäglichen Sprachgebrauch.

Der Wortschatz weist mitunter alte Wörter aus dem ursprünglichen Pfälzer Dialekt auf, die es heute im Standarddeutschen nicht mehr gibt. Viele entlehnte Wörter aus dem Englischen werden streng nach deutscher Grammatik flektiert z.B. ‘Was isch gehappend?’ – ‘Was ist passiert?’. Entlehnte englische Substantive bekommen ein Artikel und werden produktiv zur Bildung von zusammengesetzten Substantiven (Komposita) verwendet.

Immer wieder lässt sich Code-Switching beobachten, also die Verwendung zweier Sprachen, hier Pennsylvania Dutch und Englisch, in einer bestimmten Sprechsituation.

Die grammatische Fällen Nominativ und Akkusativ fallen meist zusammen, der Dativ verschwindet zusehens. Die im Englischen übliche Verlaufsform (Progressiv) wird in allen Zeitformen sehr produktiv genutzt.

Einen großen Streitpunkt bildet die Orthographie. Es gab zwei Systeme, das Buffington-Barba-Spelling-System (BBS) und das Hershberger-Wycliffe-Modell (HWM). Durchgesetz hat sich das Buffington-Barba-Spelling-System, das sich an dem phonemischen Prinzipien der Sprache orientiert und heute als Standard gelehrt wird. Unter anderem ist dabei die Großschreibung der Substantive, wie im Standarddeutschen, festgelegt. Allgemein ist aber das Interesse an neu geschriebenen Werken, die sich nicht mit religiösen Themen beschäftigen, gering.

Obwohl diese deutsche Sprachinsel seit langer Zeit fremdsprachigen Einflüssen ausgesetzt ist, zeigt sie sich stabil und wird auch noch lange weiterbestehen. Die Existenz des Englischen im Alltag zeigt zwar Spuren im Pennsylvania Dutch, aber es besteht keine Gefahr der kompletten Anpassung ans Englische. Die Traditionen und kulturellen Aspekte der Amish und Mennoniten sind tief mit dem Pennsylvania Dutch verwurzelt und werden intensiv gepflegt.

Falsche Freunde – Stolperfallen beim Sprachenlernen

Es gibt einen Moment, den so gut wie alle Sprachenlernende kennen: Man hört oder liest ein Wort und denkt sich: „Das ist ja wie in meiner Sprache!“ Und dann kommt raus, dass es doch was anderes ist! Ein falscher Freund! Irgendwie frustrierend, oder?

Falsche Freunde sind ein Problem, nicht nur zwischen Menschen, sondern auch in der Linguistik. Doch was genau bedeutet das, falsche Freunde? Mit dieser Frage (aber nicht nur mit der) beschäftigt sich ein Teilbereich der Sprachwissenschaft, die Interlinguistik.

Natürlich ist jedem klar, dass es zwischen Sprachen Ähnlichkeiten gibt, vor allem im Wortschatz. Das wird immer deutlicher je mehr Einfluss eine Sprache hat, weil aus ihr viele Wörter entlehnt werden. Daraus ergeben sich oftmals Missverständnisse zwischen Sprechern. Denn nicht nur das Verstehen, sondern auch die Verwendung der Wörter führt zu Fehlern in der Kommunikation.

Der „falsche Freund“ ist eine Übersetzung des französischen Begriffes „faux ami“ (engl. false friend), der zum Ende der 1920er Jahre durch zwei französische Wissenschaftler geprägt wurde. Er bezeichnet Wortpaare unterschiedlicher Sprachen, die sich im Aussehen oder Aussprache ähnlich sind, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Oft haben die Wörter den gleichen Ursprung, aber entwickelten sich über einige Zeit in unterschiedliche Richtungen oder haben teilweise ihre Bedeutung verändert. Falsche Freunde sind daher auch oft Grund für Übersetzungsschwierigkeiten.

Seit der Begriffsentstehung haben schon viele versucht eine Klassifikation dieses Phänomens vorzunehmen. Es erwies sich als schwierig, weil man auf alle Bereiche der Sprache eingehen muss. In erster Linie fallen die falschen Freunde innerhalb des Wortschatzes auf, aber auch auf anderen Ebenen gibt es Varianten von ihnen.

Interessant sind die Entstehungsmechanismen falscher Freunde. Allgemein lässt sich feststellen, dass falsche Freunde in verwandten Sprachen und Sprachen mit historisch engem Kontakt wesentlich häufiger vorkommen als zwischen Sprachen, die geografisch und sprachtypologisch keine Verwandtschaft zeigen. Im Fall der europäischen Sprachen betrifft das viele Entlehnungen aus dem Griechischen und Lateinischen, da viele Sprachen (nicht alle!) große Teile ihres Wortschatzes aus diesen beiden Sprachen rekrutiert haben. Das heißt nicht, dass falsche Freunde aus verwandten Sprachen ursprünglich immer gleich waren, aber oft ist es der Fall.

Zufällige Ähnlichkeiten im Klang zweier Wörter aus nicht verwandten Sprachen könnten dazu führen sie für verwandt und gleichbedeutend zu halten z.B. das estnische Wort ‚aas‘- ‚Wiese‘ (nicht ‚Aas‘). Auch Wörter, die früher gleiche oder ähnliche Bedeutungen hatten können sich im Laufe der Zeit zu zwei semantisch unterschiedlichen Wörtern entwickeln. Ein weiterer Grund können historische Lautverschiebungen in verwandten Sprachen sein, die Wörter phonologisch derart stark verändern, dass sie anderen Wörtern mit anderen Bedeutungen gleichen z.B. engl. ‚bite‘- dt. ‚beißen‘ (nicht ‚bitte‘).

Die Arten von falschen Freunden werden u.a. von Annette Kroschewski in Kategorien eingeteilt. Sie unterscheidet zwischen inter- und intralingualen falschen Freunden.

Die interlingualen (zwischen zwei Sprachen) umfassen die Kategorien orthographisch, phonologisch, morphologisch und semantisch, syntaktisch, idiomatisch, pragmatisch und textlinguistische falsche Freunde. Einige Beispiele kennen wir alle: Wer hat nicht schon mal englische ‚become‘ intuitiv mit ‚bekommen‘ übersetzt oder ‚gift‘ als ‚Gift‘ statt ‚Geschenk‘? Etwas schwieriger wird es mit mit kontextabhängigen falschen Freunden wie das das polnische ‚Cześć!‘, das als Hallo! und Tschüss! verwendet werden kann, während man Hallo! und Tschüss! nicht synonym nutzen kann.

Noch gemeiner sind gleichgeschriebene Wörter, die sich im Genus unterscheiden z.B. span. el minuto – dt. die Minute. Dabei ist zwar die Bedeutung gleich, aber durch die fehlerhafte Verwendung des Genus ergeben sich Fehler in der Sprachverwendung.

Die intralingualen (innerhalb einer Sprache) beinhalten die Kategorien diachronisch und synchronische falsche Freunde. Dabei kann es sich um Wörter handeln, die in Laufe der Zeit ihre Bedeutung geändert, verstärkt oder abgeschwächt haben, so dass sie nicht mehr im selben Kontext genutzt werden können. Beispielsweise konnte das mittelhochdeutsche Wort ‚stolz‘ damals ‚tapfer‘ bedeuten. Heutzutage könnte man eins nicht gegen das anderen austauschen, weil die Bedeutung verschieden ist. Gut dokumentiert sind die falschen Freunde in den Varianten des Englischen. Ein bekanntes Beispiel ist das Wort ‚football‘, was in Großbritannien eine andere Sportart als in den USA bezeichnet.

Die Zahl der falschen Freunde zwischen Sprachen scheint endlos zu sein. Ihre Existenz sorgt in manchen Fällen für Heiterkeit, in anderen vergeht einem das Lachen. Genauso riesig wie die Beispiele sind die Ursachen und Entstehungswege. Aber eins verbindet alle falschen Freunde: Sie machen Sprachenlernenden das Leben schwer!!!!!

Polabisch – die Sprache der Elbslawen

Neben den Sprachen Polnisch und Kaschubisch gehören zum lechischen Sprachzweig der westslawischen Sprachfamilie noch einige kleine, heute ausgestorbenen Sprachen an. Eine davon ist das Polabische, das etwa Mitte des 18. Jahrhunderts ausgestorben ist.

Polabisch war die Sprache einiger slawischer Stämmen, die ab dem 7. Jahrhundert im Nordosten des von verschiedenen Slawen besiedelten Gebietes im heutigen Deutschland und teilweise im Nordwesten Polens lebten. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich von westlich der unteren Elbe bis ins Mecklenburgische und Holsteinische Land. Im Süden grenzte der polabische Einflussbereich an das Sorbengebiet. Das kulturelle Zentrum der Polaben lag erst in Hammer, später in Ratzeburg.

Der slawische Name Polaben setzt sich aus der slawischen Vorsilbe po- (‚an‘) und Laba (‚Elbe‘), also „an der Elbe“ zusammen, was das Gebiet, in dem sie lebten, beschreibt. Ein anderer, häufig verwendeter Begriff ist ‚elbslawisch‘.

Aufzeichnungen des Polabischen sind kaum vorhanden. Das hat zwei Gründe: Erstens verfügt das Polabische über keine eigene Schriftsprache und zweitens hat man erst kurz vor dem Aussterben der Sprache versucht die Sprache zu erforschen und zu dokumentieren. Daher sind genaue Rekonstruktionen nur unter Vorbehalt möglich.

Johann Parum Schultze (wahrscheinlich 1677-1740) verfasste eine auf Deutsch geschriebene Dorfchronik, die viele Wörter und Redewendungen der polabischen Sprache enthält. Einige Angaben in der Chronik sind allerdings nicht stichhaltig.

Christian Hennig von Jessen (1649-1719) sammelte zahlreiche Lexeme und einige Lieder in polabischer Sprache.

Einige andere Schriften, die teilweise Abschriften der vorherigen Texte sind, wurden mit polabischem Wortschatz angereichert, oftmals sind dialektale Varianten dokumentiert. Es gibt aber leider nicht ein Werk, dass komplett in Polabisch verfasst ist und damit genug Material für Analysen aller wichtigen Bereiche wie Satzbau etc. liefert.

Aus den wenigen Quellen haben die Forscher aber trotz allem zahlreiche Merkmale des Polabischen isolieren bzw. definieren können. Durch die geografische Nähe zur deutschen Sprache und zu slawischen Sprachen bilden sich interessante Kontraste.

Phonologisch wären das z.B. die Entwicklung von Diphtongen, die im Deutschen typisch, im Slawischen aber kaum bekannt sind. Außerdem sieht man häufig eine Lautverschiebung von ‚a‘ zu ‚o‘ (z.B. wogard- Garten‘, polnisch ‚ogród‘, russisch ‚огород (ogorod)‘).

Im morphologischen Bereich hat man interessanterweise einen Erhalt der Dualformen entdeckt, der heute nur noch in den beiden sorbischen Sprachen und im Slowenischen zu sehen ist. Außerdem zeigt das Polabische eine analytische Futurbildung, das sich in der deutschen Sprache erst um 1350 gebildet hat.

Der Wortschatz zeigt sehr große Einflüsse aus dem Deutschen, fast ein Fünftel der bekannten Wörter weisen Entlehnungsverwandtschaft mit dem Deutschen auf. Das zeigt wie eng die Existenz der beiden Sprachen war, zumindest zum Ende hin. Leider sind die überlieferten Daten zu wenig, um detaillierte Aussagen treffen zu können.

Das gleiche Problem betrifft die Syntax, also die Stellung der Satzglieder im Satz. Historisch bedingt kennt man zwar einige Gebete und Lieder, aber kaum aufgeschriebene Alltagssituationen oder Rezepte etc. Es scheint, dass es im Polabischen eine Verwendung der Artikel ähnlich wie im Deutschen gab, genauso wie die Perfektbildung mit Hilfsverben (z.B. Ich habe gesagt, …). Ohne weitere Daten lässt sich aber über die alltägliche Sprache nur spekulieren. Auch die Frage, inwieweit die scheinbare Ähnlichkeit bzw. die Assimilation ans Deutsche historisch einzuordnen ist, bleibt unbeantwortet.

Von Interesse sind die polabische Sprache und Kultur für die Forschung in Deutschland dennoch. Die polabisch-sprechenden Stämme sind Teil der Kulturlandschaft Nordostdeutschlands. Und schließlich kann man nicht sagen ob nicht doch irgendwann mehr Schriftstücke auftauchen. Bis dahin lassen sich nur Theorien diskutieren!!

IPA – ein sprachübergreifendes Alphabet

Lernende einer Fremdsprache haben alle das gleiche Problem: Man schaut ein unbekanntes Wort im Wörterbuch nach und fragt sich dann „Wie spricht man das Wort eigentlich aus?“. Ich erinnere mich vor allem an meine Englischlehrerin, die immer meinte, dass ich neben dem Wort doch die Lautschrift hätte. Okay, gutes Argument, aber niemand hat mir die komischen Buchstaben und Zeichen der Lautschrift erklärt! Und warum sollte ich eine andere Schrift lernen, um Englisch zu lernen?

Erst im Studium habe ich die Bedeutung hinter den Buchstaben und Zeichen gelernt, Linguistik-Grundkurs sei Dank. Das Zauberwort heißt IPA: Internationales Phonetisches Alphabet!

Das Internationale Phonetische Alphabet beruht auf der Idee jede lautlich gesprochene Sprache lautgetreu aufgeschrieben werden kann. Die Idee an sich ist nicht neu. Schon im 17. Jahrhundert gab es erste Versuche eine Systematisierung von Lauten zu schaffen.

Der Durchbruch gelang dem französischen Linguisten Paul Passy, der Ende des 19. Jahrhundert sein „Internationales Phonetisches Alphabet“ vorstellte.

Theoretisch kann man mit IPA jede Sprache in einer Lautschrift schreiben und lesen, ohne diese Sprache zu beherrschen. Beim Sprachenlernen kann die Lautschrift helfen sich die Aussprache anzueignen, vorausgesetzt man kennt die lautlichen Entsprechungen der Schrift. Außerdem bildet IPA nicht unbedingt die dialektalen Unterschiede der Aussprache ab. Es soll vor allem die Standardaussprache aufzeigen.

Vor allem Sprachen ohne Schrift können so standardisiert notiert werden, vielleicht auch mit dem Ziel eine Schriftsprache zu erarbeiten, wie es beispielsweise Karl Richard Lepsius für Sprachen plante, die in Afrika gesprochen werden.

Durch die sprachenübergreifende Notierung muss man vor allem darauf achten, dass die Zuordnung der IPA-Laut nicht immer mit der orthografischen Schreibung der Zielsprache entspricht, z.B. entspricht das IPA-Zeichen [v] dem deutschen ´w´ in Wind oder `v` in Vase, aber nicht dem `v` in Vogel.

Die Übersicht aller Zeichen mag chaotisch anmuten, folgt aber ganz klar definierten Aspekten. So sind die Konsonanten nach Artikulationsort, Artikulationsart, pulmonal bzw. nicht pulmonal und Stimmhaftigkeit sortiert und die Vokale nach Artikulationsort und Lippenstellung klassifiziert. Es gibt zahlreiche diakritische Zeichen, die beispielsweise eine Palatalisierung, Nasalität oder auch eine Aspiration des Lautes anzeigen.

Die Notierung mit IPA ist sehr komplex, weil alle möglichen Laute abgebildet werden sollen und es keine Unterscheidung der Häufigkeit ihres Auftretens gibt. So sind uns in Europa die Klicklaute fremd, die es in vielen Bantu- und Khoisan-Sprachen in Afrika zu finden sind.

In Lehrbücher wird meist eine vereinfachte IPA-Variante verwendet, um die Lernenden nicht abzuschrecken, d.h. es wird bewusst auf viele diakritische Zeuchen oder Wortakzente verzichtet. Damit gehen zwar, für Linguisten, wichtige Informationen zur Aussprache verloren, aber die Lernenden finden einen leichteren Einstieg in die Lautschrift.

Schwieriger als das Lesen der Lautschrift, ist das Schreiben mit IPA. Es gibt natürliche einige Regeln zu beachten, die jede Sprache mitbringt und Raum für Diskussionen lässt. Am schwierigsten ist die Schreibung, wenn zwei Personen einen Laut transkribieren wollen, also in IPA schreiben, aber unterschiedliche Laute hören.

Welche Schreibweise ist jetzt richtig? Wählt man die Standardaussprache oder berücksichtigt man die dialektalen Unterschiede, z.B. die verschiedenen Aussprachen des `r` im Deutschen? Es gäbe die Auswahl zwischen [r] oder [ʀ] oder [ʁ]. Die Unterschiede zwischen [ʀ] und [ʁ] sind nicht hörbar und da es keine Bedeutungsunterschiede gibt, jedenfalls nicht im Deutschen, transkribiert jeder in sein „Lieblingszeichen“.

Ein großer Vorteil der Lautschrift liegt für alle Linguisten auf der Hand: Es lassen sich phonologische Prozesse in jeder Sprache erkennbar machen, die die eigentliche Orthografie nicht abbildet. Ein bekanntes und in vielen Sprachen vorkommendes Beispiel ist die Auslautverhärtung, die gesprochen, aber nicht geschrieben wird: Kleid →/kla͡ɪd/ → [ kla͡ɪt]. Wir schreiben leider oftmals nicht wie wir sprechen.

IPA basiert hauptsächlich auf dem lateinischen und griechischen Alphabet, die Schreibung erfolgt immer in eckigen Klammer [ ], so dass es nicht zu Verwechslungen kommt. Übersichten aller Laut und Zeichen gibt es frei zugänglich und im Internet gibt es zahlreiche Seiten, auf denen man sich die für uns nicht aussprechbaren Laute anhören kann.

Es lohnt sich ein wenig Zeit in dieses Alphabet zu stecken, wenn man vorhat eine neue Sprache zu lernen. Vor allem wenn diese Sprache Laute besitzt, die wir im Deutschen nicht kennen.

Ich wünschte, ich hätte als Zehnjährige eine Einführung in IPA bekommen, das hätte mir das Vokabeln lernen definitiv erleichtert. Dank IPA weiß ich jetzt, dass die Wörter ´through´ [θru:] oder `sausage` [’sɒsɪdʒ] so ausgesprochen werden. Besser spät als nie!!!!!

Božena Němcová

Die tschechische Schriftstellerin Božena Němcová kennt in Tschechien jedes Kind. Sie ist auf dem 500 Kronen-Schein zu sehen und füllt die Lehrpläne der Schulen mit ihrem Werk Babička (Die Großmutter).

Geboren wird Božena Němcová als Barbara Nowotny, wahrscheinlich 1816, offiziell aber erst 1820 in Wien. Das offizielle Geburtsdatum fällt mit der Heirat ihrer Mutter zusammen, da uneheliche Kinder damals ein Tabuthema waren. Němcová hatte Gelegenheit eine grundlegende Schulbildung zu erwerben, neben Tschechisch sprach sie sehr gut Deutsch.

1837 heiratete sie, nicht ganz freiwillig, Josef Němec. Er war ein Finanzbeamter, der Němcová mit seinem Nationalbewusstsein prägte, während es ihm aber an Arbeitseifer fehlte und die Familie daher immer finanziell klamm war. In dieser Zeit waren nationale Bestrebungen von Seiten der Tschechen von der Habsburger Monarchie mehr als unerwünscht, was immer wieder zu Spannungen führte.

Zwischen 1838 und 1842 kamen drei Söhne und eine Tochter zur Welt. Die Familie wechselte oft den Wohnort, Grund war die mehrfache Versetzung von Josef Němec. Ab 1842 lebte die Familie in Prag und dort machte Němcová erste Bekanntschaften mit Mitgliedern der tschechischen Nationalbewegung, die sie weiter in ihrem Nationalbewusstsein bestärkten. Sie nahm den tschechischen Vornamen Božena an und begann intensiv zu schreiben, zuerst Märchen und Gedichte, die oft ihre nationale Gesinnung unterstrichen.

Einen Umzug nach Ungarn, wohin ihr Mann 1850 versetzt wurde, lehnte sie kategorisch ab und blieb mit ihren Kindern in Tschechien. Němcová bestand darauf, dass die Kinder tschechische Schulen besuchten.

Im Laufe der Jahre schrieb Němcová viel, sammelte auf Reisen Geschichten und Märchen, auch aus der Slowakei und Ungarn.

Die letzten Lebensjahre verbrachte Němcová verarmt und meist einsam. 1862 erkrankte sie schwer und verstarb am 21. Januar in Prag, wo sie auch beerdigt wurde.

Das bekannteste Werk Němcovás ist unumstritten der Roman Babička (Die Großmutter), der 1855 erschien. Es gilt als DER tschechische Roman, ist in etlichen Auflagen erschienen und auch verfilmt. Man erkennt Ähnlichkeiten der Figuren mit realen Personen, darunter die Autorin selbst.

Die Großmutter, die die Hauptfigur im Roman ist, zieht zu ihrer Tochter und kümmert sich um ihre Enkel. Sie wird eine wichtige Bezugsperson für die Kinder, erzählt ihnen von früher und lehrt sie demütig zu sein. Auch das Nationalbewusstsein der Autorin merkt man an vielen Stellen im Buch. Die Handlung ist wenig spannend, aber jedes Wort ist mit Bedacht geschrieben. Die Beschreibungen der Landschaft, der Häuser und Personen ist detailreich und ganz im Sinne der damaligen Zeit.

Vor allem die tschechische Sprache hat durch das Werk an Bedeutung für die Tschechen gewonnen. Der Roman gehört noch heute zur Pflichtlektüre tschechischer Schüler*innen.

In Deutschland ist Babička nur wenigen bekannt. Dafür aber kennt hier man ein Märchen aus Němcovás Sammlung umso besser: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel! Die Verfilmung des Märchens von 1973 erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit, man könnte fast sagen es hat Kultstatus. Obwohl die Geschichte nichts mit Weihnachten zu tun hat, läuft es zu dieser Zeit auf allen Sendern.

Auch andere Märchen aus Němcovás Feder sind in den 1970er und 1980er Jahren in Tschechien verfilmt worden. Viele zeigen Parallelen zu deutschen Märchen von den Gebrüdern Grimm, aber auch typisch slawische Einflüsse lassen sich erkennen.

Božena Němcová führte ein, für ihre Zeit, ein ungewöhnliches Leben. Sie strebte nach Unabhängigkeit, schrieb, wie ihr der Sinn stand, und vertrat moderne Ansichten, die sich viele Frauen damals nicht trauten auszusprechen. Dass sie dabei nicht unbedingt auf Zustimmung und Unterstützung hoffen konnte, hielt sie nicht ab.

Auch wenn ihr literarisches Werk durch ihren frühen Tod überschaubar blieb, liegt doch in allen Geschichten ein tieferer Sinn, der mit viel Liebe zur tschechischen Sprache und den Tschechen gespickt ist.

Pidgin und Kreol – Sprachen oder Kopien?

Allgemein gelten Pidginsprachen als Behelfssprache zwischen Menschen mit verschiedenen Muttersprachen. Sie zeichnen sich durch einen reduzierten und gemischten Wortschatz und eine vereinfachte Grammatik aus. Sie sind nur als Übergang „gedacht“, haben sich aber oftmals innerhalb von ein bis zwei Generationen zu einer neuen Muttersprache (Kreol) entwickelt.

Die Entstehung einzeln Pidginsprachen ist nicht immer genau geklärt. Die allgemeinen Forschungen gehen davon aus, dass hauptsächlich der Sklavenhandel der Ursprung der meisten Pidgins ist. Auch Handelsbeziehungen in Übersee förderten die Entstehung, da es zu Beginn kaum bzw. keine Übersetzer in Verhandlungsgesprächen gab und die meisten Gespräche nicht nur mit Gestik und Fingerzeigen möglich waren. Die in solchen Situationen entstandenen Handelspidgins (z.B. Russenorsk und baskisch-isländische Pidgin) wurde aber schnell von den Sprachen der Handelspartner abgelöst, da sie Übersetzer nutzten oder die Sprachen der Handelspartner selbst erlernten.

Anders sieht es bei den Pidginsprachen aus, die durch den Sklavenhandel entstanden, da im Unterschied zu den Handelspidgins keine gleichberechtigte Basis der Sprachen vorhanden war.

Die Kolonialmächte benötigten in ihren Kolonien viele billige Arbeitskräfte, die in den Kolonien nicht zu Verfügung standen. Ab 16. Jahrhundert setzte der systematische Handel mit Sklaven aus Afrika ein. Die Kolonialherren kauften in Afrika die Ware „Mensch“ ein, transportierten sie in die Kolonien (meist nach Amerika) und ließen sie auf riesigen Plantagen arbeiten.

Die Sklaven kamen aus verschiedenen Teilen Afrikas, vor allem West- und Zentralafrika. Dementsprechend sprachen viele unterschiedliche Sprachen, es gab ein großes Kommunikationsproblem zwischen ihnen. Außerdem war die Sprache des Sklavenbesitzers für sie unbekannt. Die Hauptsprachen der Plantagenbesitzer waren Englisch, Französisch, Niederländisch, Portugiesisch und Spanisch. Doch irgendwie mussten die Menschen miteinander kommunizieren.

Die Plantagenbesitzer waren nicht daran interessiert die Kommunikation zwischen den Sklaven zu verbessern. Die Hauptsache war, dass sie verstanden die Befehle der Aufseher verstanden. Schon beim Kauf der Sklaven wurde auf eine sprachliche Durchmischung geachtet, um möglichen Gruppenbildungen vorzubeugen und Aufstände zu verhindern.

Zwangsläufig mussten die Sklaven die Befehle und die grundlegenden Begriffe in der Sprache der Plantagenbesitzer und Aufseher lernen. Dazu kamen die zahlreichen afrikanischen Sprachen der Mitsklaven. Die Mischung der verschiedenen Sprachen ergab innerhalb kürzester Zeit eine eigene Form unter den Sklaven, die eine Verständigung im Alltag ermöglichte.

Für die Kinder der Sklaven gab es keine einheitliche oder gemeinsame Sprache. Aber sie benötigten eine, denn die ihrer Eltern waren meist unterschiedliche. Die erste Form der „neuen“ Sprache entstand aus dem Wortschatz der Sklavenhalter und Wörter und Alltagsphrasen der afrikanischen Sprachen, die die Sklaven sich untereinander beibrachten. Bis auf diese wenigen Wörter und Phrasen verloren die Sklaven ihre sprachliche Identität, wenn es keine gleichsprachigen Sklaven in ihrem Umfeld gab.

Der Wortschatz wurde von einer einfachen Grammatik begleitet, den die Sprecher oft aus ihren Muttersprachen übernahmen und somit nicht einheitlich war. Auch der Wortschatz speiste sich zunehmend aus dem der europäischen Sprachen, die Wörter der afrikanischen Sprachen wurden nach und nach ersetzt.

Verständlicherweise existieren kaum Aufzeichnungen über diese frühen Pidginformen. Welcher Plantagenbesitzer war schon an der Kommunikation seiner Sklaven interessiert und die Sklaven konnten nicht lesen und schreiben.

Die nachfolgenden Sklavengenerationen „hatten die Wahl“ zwischen zwei sprachlichen Möglichkeiten, um sich eine Muttersprache anzueignen. Entweder erwarben sie Kenntnisse in der Sprache der Sklavenbesitzer, also eine der europäischen Sprachen, was selten auf Muttersprachniveau geschah oder sie übernahmen die Pidginsprachen ihrer Eltern und Großeltern, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickelten. Diese weiterentwickelten Sprachen werden Kreolsprachen genannt.

Nun könnte man argumentieren, dass Kreolsprachen nur einfache Kopien europäischen Sprachen sind. Aber Kreolsprachen weisen Merkmale auf, die sie als eigenständig klassifizieren. Einige sind: Sprecher einer Kreolsprache können sich nicht mit Sprechern der Basissprache verständigen und umgekehrt. Die Grammatik der Kreolsprachen weist sprachtypologische Unterschiede zu den Kontaktsprachen auf. Oft gibt es phonologische Besonderheiten, die nicht in den Kontaktsprachen auftreten.

Im Gegensatz zu den Pidginsprachen hat sich die Forschung schon intensiver mit den Kreolsprachen und ihren Eigenschaften beschäftigt.

Kreolsprachen sind Sprachen mit einer vollständigen Grammatik und haben einen ähnlich großen Wortschatz wie andere Sprachen. Weiterhin haben sie immer eine Komponente, der der Wortschatz zugrunde liegt, meist europäisch (Ausnahmen gibt es aber!) und die Grammatik, die nicht immer eindeutig zu den Kontaktsprachen zugeordnet werden kann. Kreolsprachen bieten Menschen eine Muttersprache, Pidgins nicht. Diese Unterscheidung wird von vielen Sprachwissenschaftlern anerkannt. Einigkeit herrscht auch darin, dass jede Kreolsprache aus einer Pidginsprache entstanden ist.

Eine Frage, die noch nicht abschließend geklärt werden konnte, ist die nach der Entstehung der Grammatik dieser besonderen Sprachen. Viele Kreolsprachen (und auch einige Pidginsprachen, von den es Aufzeichnungen gibt) geben Hinweise darauf, dass bestimmte grammatische Strukturen naturgemäß von Sprechern bevorzugt werden, da nicht wenige Kreolsprachen grammatische Eigenschaften ausweisen, die weder von den europäischen noch von den anderen Kontaktsprachen stammen. Das würde für das Vorhandensein einer angeborenen Universalgrammatik sprechen (der Begründer der Theorie ist Noam Chomsky). Allerdings wird diese Theorie seit Jahrzehnten sehr kontrovers diskutiert, ein Ende ist nicht in Sicht!

In einigen Ländern der Welt haben sich Kreolsprachen zu Amtssprachen entwickelt. Bekannte Beispiele sind Tok Pisin in Papua-Neuguinea und das Haiti-Kreol. Es gibt zahlreiche Literatur von Kreolsprecher*innen in ihrer Muttersprache, sie werden als Schul- und Verwaltungssprachen genutzt. Das alles zeigt, dass eine Sprache nicht alt sein muss, um als eigenen Sprache wahrgenommen und verwendet zu werden!