Ein Tag auf der Expolingua 2023

Berlin ist ein Schmelztiegel der Kulturen und Sprachen. Passend dazu fand an diesem Wochenende (Freitag und Samstag) die Expolingua statt, ein Event rund um das Thema Sprachen und Sprachbildung.

Ich war das erste Mal dabei und konnte den ganzen Tag durch die Ausstellungshalle schlendern, mit den Ausstellern ins Gespräch kommen, Sprachspiele ausprobieren und allerlei nützliche Kontakte knüpfen. Parallel zu den Ausstellungen gab es Vorträge zu allen möglichen Themen.

Der Expo-Tag begann um 10 Uhr, die Aussteller richteten noch ihr Infomaterial, die ersten Leute trudelten ein. Ich ging erstmal eine große Runde durch die beiden Hallen, sie waren etwas verschachtelt. Um 10.30 besuchte ich einen Schupperkurs Arabisch, nicht weil ich unbedingt Arabisch lernen möchte, sondern einfach aus Neugier. Die kehligen Laute des Hocharabischen fielen mir schwerer als gedacht, aber wir lernten uns vorzustellen und haben viel gelacht.

Im Anschluss gings sofort in den nächsten Vortag, ein Einblick in die Plansprache Ido. Hervorgegangen aus der Plansprache Esperanto ist Ido zwar einfacher zu lernen, hat aber gegen den ‚großen Bruder‘ kaum eine Chance.

Zukunftsweisend war der Vortrag der Universität des Saarlandes, der sich mit dem Übersetzen in Zeiten von KI beschäftigt. Die Referenten demonstrierten die Stärken und Schwächen der heutigen KI-Übersetzungstools und zogen das Fazit, dass momentan noch keine Maschine so gut übersetzt wie ein Mensch. Ob das so bleibt, ist natürlich fraglich.

Danach nutze ich eine Pause zwischen meinen geplanten Vorträgen und besuchte einige Stände. Der wichtigste für mich war natürlich der Stand der Stiftung für das sorbische Volk. Nach einem ‚Dobry źeń‘ kamen wir sofort ins Gespräch. Wir sprachen vor allem über die Literaturbestände in der Bibliothek in Cottbus und die derzeitigen Bemühungen zur Revitalisierung des Niedersorbischen. Ich denke, mein nächster Besuch im Wendischen Haus wird wohl nicht mehr lange warten können, die Bibliothek dort ist einfach zu verlockend.

Gleich nebenan besuchte ich den Stand von TANDEM – Koordinierungszentrum Deutsch-tschechischer Jugendaustausch. Es gab lustige Sprachspiele und ich konnte ein paar Worte Tschechisch sprechen, was ich sonst im echten Leben wegen fehlender Gelegenheiten kaum schaffe.

Viel Zeit zum Schwatzen blieb auch nicht, denn der nächste Vortag wartete: Esperanto. Beim Zuhören hatte ich das Gefühl, dass das Lernen von Esperanto sich vielleicht doch mal lohnen würde. Esperanto kommt auf die Liste der ‚wenn ich irgendwann mal Zeit habe‘.

Neben Sprachreiseanbietern und Sprachschulen gab es auch viele Aussteller, die sich mit neuen Methoden und Hilfsmitteln zum Sprachenlernen beschäftigen. Wer gerne mit Apps lernt, hat die Qual der Wahl. Ich freue mich besonders, dass auch die kleinen Sprachen wie z.B. Kornisch oder Jiddisch immer mehr Interesse bei den Lernenden wecken. Die Vielfalt der Sprachen, die früher negativ gesehen wurde, ist heute eine Selbstverständlichkeit und wird immer mehr gefördert.

Für mich ebenso interessant waren Aussteller, die potenzielle Arbeitgeber für Sprachbegeisterte sein können. Der Bedarf an Übersetzern, Dolmetscher u.a. Fachkräften ist enorm hoch. Für viele Studierende, die noch keine genaue Vorstellung für ihren beruflichen Weg nach dem Studium haben, gab es viel Input.

Der letzte kleine Workshop, den ich besucht habe, war die Sprachanimation von TANDEM. Das Konzept soll Interesse wecken und Sprachhemmungen abbauen, besonders bei Sprachen, die Deutschsprechenden als sehr schwierig vorkommen.

Am späten Nachmittag fuhr ich mit platten Füßen, aber viel Material und Ideen wieder nach Hause. Das nächste Jahr werde ich bestimmt wiederkommen!

Unserdeutsch

Menschen finden immer Wege, um zu kommunizieren. Wollen oder müssen Menschen mit unterschiedlichen Sprachen miteinander sprechen, kommt es häufig zu einer Vermischung und es kann eine Pidginsprache entstehen, eine Art Hilfssprache mit begrenzter Grammatik und Wortschatz. Wird diese Pidgin an die nächste Generation weitergegeben, entsteht daraus eine Kreolsprache. Das bekannteste Beispiel ist Haitianisch-Kreolisch.

Das auf dem Deutschen beruhende Unserdeutsch ist eine weniger bekannte Kreolsprache. Sie wird in Papua-Neuguinea und Australien gesprochen, allerdings gibt es kaum noch mehr als 100 L1-Sprecher*innen.

Unserdeutsch entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der deutschen Kolonie Deutsch-Neuguinea, im Zuge der Beschulung der dort lebenden Kinder, die aus Mischbeziehungen zwischen den indigenen Frauen und europäischen Männer stammten. Die Kinder lebten in Internaten, getrennt von ihren Familien. Der Unterricht fand auf Deutsch statt, obwohl die Mehrheit der Kinder die Kreolsprache Tok Pisin sprach. Deren Gebrauch war aber verboten. Die Kinder nutzten unter sich daher eine vereinfachte Form des Deutschen. Der Wortschatz stammte meist aus dem Deutschen, die Grammatik lehnte sich aber stark ans Tok Pisin an.

Die so neu entstandene Pidginsprache gaben die Kinder im Erwachsenenalter an ihre Kinder weiter, was durch die forcierte Verheiratung der ersten Generation der Unserdeutsch-Sprechenden zustande kam. Diese Gruppe blieb unter sich, eine Mischung mit anderen wurde von der deutschen Kolonialmacht nicht geduldet. Die Kinder erlernten Unserdeutsch als L1-Sprache, bauten den Wortschatz und das grammatische System aus. Ab diesem Zeitpunkt spricht man von einer Kreolsprache.

Durch die Ereignisse des I. Weltkrieges verlor Deutschland zwar die Kolonie Deutsch-Neuguinea, jedoch blieben die Schulen erhalten und auch der Unterricht fand weiter statt, jedoch neben der offiziellen neuen Amtssprache Englisch. Nach 1945 wurden die Schulen geschlossen, die Verwendung der deutschen Sprache blieb nur als Familiensprache erhalten. Die Unabhängigkeit Papua-Neuguineas 1975 verschärfte die Situation der Unserdeutsch-Sprecher*innen abermals. Als Angehörige einer „gemischten Rasse“ wurden sie nicht als vollwertig angesehen. Viele wählten die Emigration nach Australien, was die Sprecher*innenzahl dort erklärt. Dort dominierte das Englische, sodass Unserdeutsch immer weiter an Bedeutung verliert.

Obwohl die Kinder in den Schulen sowohl Standarddeutsch sprechen, lesen und auch schreiben lernten, sprachen sie untereinander das vereinfachte Unserdeutsch. Das erklärt aber auch den systematischen Ausbau zu einer Kreolsprache innerhalb einer oder zwei Generationen.

Phonologisch gibt es einige Unterschiede zum Standarddeutschen: Die langen Vokale sind weggefallen, ebenso wie die Umlaute [⁠ʏ⁠]​ und ​[⁠ø⁠]​ (ü + ö) und die Veränderung der reduzierten Vokale in Nebensilben. Außerdem fallen die meisten Affrikaten wie [pf] oder [ts] mit anderen Frikativen wie [f] oder [s] zusammen.

Unserdeutsch verfügt über vereinfachte Flexionsparadigmen, Fehlen der meisten Kasusendungen und auch die drei Genera sind ans Tok Pisin bzw. Englischen angelehnt. Die Verben werden kaum gebeugt und das Tempus mit Adverbien realisiert. Die meistgenutzte Wortstellung ist Subjekt-Prädikat-Objekt, unabhängig vom Satztyp. Der Wortschatz von Unserdeutsch ist im Vergleich zum Standarddeutschen klein, gemischt mit Anteilen des Tok Pisin.

Das linguistische Interesse hielt sich lange Zeit in Grenzen, jedoch werden in den letzte Jahrzehnten vermehrt Korpusdaten gesammelt, denn die wenigen Sprecher*innen sind alle höheren Alters. Unter anderem arbeitet das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim an der Dokumentation des Unserdeutschs.

Quellen

Lindenfelser, Siegwalt. Kreolsprache Unserdeutsch: Genese und Geschichte einer kolonialen Kontaktvarietät. De Gruyter, 2021

Maitz, Péter. Unserdeutsch (Rabaul Creole German). Eine vergessene koloniale Varietät des Deutschen im melanesischen Pazifik. In: Alexandra N. Lenz (Hrsg.): German Abroad – Perspektiven der Variationslinguistik, Sprachkontakt- und Mehrsprachigkeitsforschung. V&R unipress, Göttingen 2016

Hausgeister

In vielen Sagen und Legenden wird von Wesen berichtet, die zusammen mit den Menschen deren Häuser bewohnen: Hausgeister. In vielen Ländern sind Hausgeister allgegenwärtig, wir finden sie auch in Geschichten oder Redewendungen.

Wo der Glaube an Hausgeister herkommt, ist nicht genau geklärt. Eine mögliche Herkunft könnte der Ahnenkult sein, denn viele Menschen wurden in der Nähe ihres Hauses oder sogar im Fußboden desselben begraben.

Hausgeister sind den Menschen normalerweise wohlgesonnen, helfen bei Schwierigkeiten im Haus oder Hof wie die berühmten Heinzelmännchen. Manche Hausgeister schützen den Herd oder den Stall, andere sind für ‚alles‘ zuständig. Das erinnert ein wenig an den Vielgötterglaube der Römer oder Griechen, deren Götter auch bestimmte Zuständigkeiten haben.

Die Geister leben oft in Verstecken wie hinter dem Ofen oder unter dem Holzfußboden. Sie bevorzugen dunkle und geschützte Orte, denn sie meiden direkte Zusammentreffen.

Obwohl sie sich den Hausbewohnern nicht oft zeigen, gibt es zahlreiche Beschreibungen und Bilder. Hausgeister werden oft als menschenähnlich beschrieben, mal mit gebückten Rücken und dunkler Kleidung, mal als in weißgekleidete große Gestalten, mal männlich, mal weiblich, je nach Region. Mitunter erkannten die Menschen in ihnen auch Gesichtszüge von verstorbenen Verwandten wieder.

Das Zusammenleben der Menschen mit den Geistern folgt immer bestimmten Regeln. Die Hausbewohner behandeln den Hausgeist mit Respekt und stellen sie ihm Nahrung wie Milch, Honig oder Brot hin, und im Gegenzug wacht er über das Haus, die Tiere oder die Gesundheit der Bewohner. Verletzen die Bewohner die Regeln und verärgern den Hausgeist, kann er ihnen Schaden zufügen z.B. Lebensmittel verderben lassen, ihren Schlaf stören oder ihnen andere böse Geister auf den Hals hetzen.

Hausgeister sind an das jeweilige Haus gebunden, das spricht für die Theorie, dass Hausgeister in Verbindung mit dem Ahnenkult stehen. Ziehen irgendwann neue Bewohner ein, wurde sie gebeten gut für den Geist zu sorgen, um selber in Frieden in diesem Haus wohnen zu können.

Die Namen der Hausgeister sind so verschieden wie ihre Aufgaben. Man kennt die gutmütigen als Domowik, Domovoy, Kobolde, Heinzelmännchen, Drak, Geldmännlein, Wichtel oder Gumiennik. Die bösen Geister, oft als Dämone bezeichnet, kennt man z.B. als Strzyga, Poltergeist, Bebok, Nachtalb, Kikimora, Bannik usw. Sie quälen die Hausbewohner mit Schabernack, bringen Albträume oder fügen dem Vieh Schaden zu.

Der Glaube an Geister jeglicher Art geht auf heidnische Glaubensrichtungen zurück, die verschiedenste Götter oder magische Wesen für alle Lebensbereiche kannten. Mit dem Christentum wurde der Glaube an vielerlei Götter zwar zurückgedrängt, aber die tiefverwurzelten Legenden wurden weitererzählt und spielen im Leben der einfachen Leute bis heute eine große Rolle.

Die Existenz dieser Wesen wird innerhalb der Familie oft als Regelwerk genutzt: Tu dies nicht, sonst…. Als Kind ist man für derartige Dinge sehr empfänglich und hinterfragt erst später die Glaubwürdigkeit. Früher konnten die Menschen sich so viele Dinge erklären, auch wenn wir heute darüber lächeln. Doch ein wenig Aberglaube steckt in jedem von uns!

Quellen

Kempiński, Andrzej. Encyklopedia mitologii ludów indoeuropejskich. Iskry, Warszawa 2001

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1993

Meine Welt der Sprachen

Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Bei mir zu Hause wurde nur Deutsch gesprochen und ich hatte nur deutschsprachige Freunde. Damals habe ich das für das Normalste der Welt gehalten. Doch eigentlich ist diese Einsprachigkeit weltweit gesehen eher die Ausnahme als die Regel.

Heute ist mein Leben voller Sprachen, nicht nur in meinem Kopf. Sprachen sind ein Teil von mir geworden.

Als Kind habe ich in der Schule ab der fünften Klasse Englisch gelernt, nicht mit besonderer Lust und nur mit mäßigem Erfolg. Das kennen sicher viele Schüler und Schülerinnen. Doch dabei ist Motivation beim Sprachen lernen der Schlüssel zum Erfolg.

Die Leidenschaft für Sprachen kam so richtig zum Vorschein als ich anfing Polnisch zu lernen. Das tat ich aus Lust am Lernen, ohne Notendruck. Und genau diese Motivation half mir durch die erste Zeit des Lernens, denn für mich ist der Anfang immer am schwersten. Ich neige dazu sehr verbissen an eine neue Aufgabe heranzugehen. Dann ordne ich dieser Aufgabe alles andere unter. Hört sich nicht nur so an, ist auch eher ungesund und vermiest die Laune.

Erst im Laufe der Zeit und nach mehreren Versuchen Polnisch gut sprechen und verstehen zu können, habe ich verstanden, dass der Weg das Ziel ist. Jeder kleine Schritt des Lernens soll Freude machen und weiter motivieren.

Vor dem Studium habe ich noch das Latinum gemacht, rein aus Interesse und als eine Art Probe, ob ich gut selbstständig arbeiten kann. Latein brauche ich nicht unbedingt im Studium, aber es ist oft gut schon mal etwas davon gehört zu haben.

Mittlerweile lerne ich viele Sprachen, manche an der Uni, andere in meiner Freizeit. Neben Polnisch habe ich an der Uni auch Kurse für Tschechisch und Ukrainisch belegt, da mein jetziges Studienfach ‚Slawische Sprachen‘ mindestens zwei slawische Sprachen als Pflichtkurse fordert. Als vierte slawische Sprache lerne ich Niedersorbisch. Der Grund ist natürlich das Interesse an dieser gefährdeten Sprache und die Nähe des Sprachgebietes.

Als weitere, diesmal romanische Sprache versuche ich mich an Rumänisch, was ich aufgrund von Zeitmangel nur in Minischritten lerne, aber irgendwann wieder intensivieren möchte. Eigentlich möchte ich noch so viele andere Sprachen lernen: Ungarisch und Jiddisch stehen dabei ganz oben auf meiner Wunschliste. Aber auch baltische Sprachen wie Litauisch oder Lettisch reizen mich sehr. In Berlin gibt es für fast alles Kurse, man braucht nur Lust und Zeit.

Wo die Grenze liegt, vor allem für meine Neugier, keine Ahnung. Ich denke, jede neue Sprache verändert mich, macht etwas mit mir und zeigt mir neue Wege. Das ist weniger philosophisch als es sich anhört….Viele Sprachenlernende beschreiben dieses Gefühl.

Ich bin ehrlich, Sprachen lernen ist eine Sucht. Immer ist man auf der Suche nach der nächsten coolen Sprache, die ungewöhnliche Sprachstrukturen aufweist, oder einfach nur aus einer anderen Sprachfamilie stammt. Wir können heute durch die Digitalisierung alle Sprachen kennenlernen, ohne einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen. Oder wir setzen uns in das nächste Flugzeug oder den Zug und reisen dorthin, um die Sprache live zu erleben.

Also lasst uns jeden Augenblick mit Sprachen füllen! Egal welche und egal wie gut wir sie können…..

Zofia Nałkowska 

Viele polnische Schriftstellerinnen sind in Polen bekannt, doch das Ausland beachtet sie kaum. Eine davon ist Zofia Nałkowska, deren Werke nicht nur zahlreich, sondern auch Pflichtlektüre an polnischen Schulen sind.

Zofia Nałkowska wurde am 10. November 1884 in Warschau geboren und wuchs zusammen mit ihrer Schwester Hanna behütet auf. Sie studierte Geschichte, Geografie und Linguistik an einer ‚fliegenden‘ Universität, polnisch Uniwersytet Latający, denn Warschau lag damals im Russischen Reich und Bildung war für die meisten Polen nur über solche Untergrunduniversitäten möglich.

Schon als 14-Jährige begann sie ihre produktive Schreibarbeit und sie veröffentlichte Gedichte in Zeitungen. Rasch danach folgten Romane und Kurzgeschichten. In ihnen beschäftigte sich Nałkowska überwiegend mit dem damaligen Frauenbild und dem aufkommenden Feminismus. Der Liebe zur Prosa blieb sie zeitlebens treu. Ihre Schreibtätigkeit weitete sie aus und arbeitete für verschiedene fortschrittlich geprägte Zeitungen. 1904 heiratete Nałkowska den Journalisten Leon Rygier, lebte in Wołomin und Kielce. Die Ehe hielt allerdings nicht lange und wurde 1918 geschieden.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete sie für die polnische Regierung, wohnte wieder in ihrer Heimatstadt Warschau und reiste durch Europa. Ihre zweite Ehe mit Jan Jur-Gorzechowski, von 1922–1929, verlief leider auch nicht glücklich.

Mitte der 1930er Jahre zog Nałkowska mit ihrer Mutter in eine Wohnung und zusammen betrieben sie einen kleinen Laden, der ihnen in der Besatzungszeit den Lebensunterhalt sicherte. Während dieser Zeit waren keine Publikationen möglich, doch hatte Nałkowska sich schon vorher einen Namen gemacht, der ihr nach 1945 die erneute schriftstellerische Tätigkeit möglich und lohnenswert machte.

Nałkowska war, schon immer, sehr patriotisch. Daher verwundert es nicht, dass sie nach 1945 als einer der ersten an der Aufklärungsarbeit der deutschen Verbrechen in Polen beteiligt war. Ihre 1946 erschiene Sammlung ‚Medaliony‘ (dt. ‚Medaillons‘) beschreibt ihre Eindrücke u.a. aus dem Konzentrationslager Ausschwitz, das sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einer internationalen Untersuchungskommission zu den Verbrechen der Wehrmacht in Polen besuchte, und aus Erzählungen von Überlebenden des Holocausts. Diese acht Kurzgeschichten gehören heute zur Pflichtlektüre an polnischen Schulen. Das ist umso überraschender, weil nicht nur die deutschen Verbrechen, sondern auch die in Polen oft anzutreffende antisemitische Einstellung der polnischen Bürger thematisiert wird.

Neben der Schreibtätigkeit engagiert sich Nałkowska politisch. Ihr Augenmerk liegt dabei u.a. auf den Frauenrechten und ihre Umsetzung in Polen. Die ungleiche Behandlung und Stellung von Mann und Frau, hat Nałkowska schon seit ihrer Jugend beobachtet und kritisiert.

Der plötzliche Tod der Schriftstellerin am 17. Dezember 1954 beendete ein arbeitsreiches Leben, das sicherlich noch produktiver gewesen wäre. Mehrere ihrer Werke, z.B. ‚An den Bahngleisen‘ aus ‘Medaliony’, wurden auch schon verfilmt. Zahlreiche Straßen, Schulen und Plätze sind nach Zofia Nałkowska benannt.

Die allmähliche Bekanntheit Nałkowskas im deutschsprachigen Raum ist u.a. dem gesellschaftlichen Bewußtsein für die Gleichstellung der Geschlechter und der Aufarbeitung der Geschichte, besonders der deutsch-polnischen Geschichte geschuldet. Nałkowskas Prosa liest sich gut und nachvollziehbar, auch das verhilft ihr zu mehr Popularität. Viele Texte liegen schon in deutscher Übersetzung vor.  

Quellen

Urbanowski, Maciej. Słownik pisarzy polskich. Kraków: Zielona Sowa, 2003

Literarisches Porträt: Zofia Nałkowska. In: Deutsches Polen Institut. Abgerufen am 17. Januar 2023

Masuren

Das Land der tausend Seen, so werden die Masuren (polnisch Mazury) oft genannt. Die Region liegt in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren und ist, wie viele historische Regionen, geografisch nur ungefähr definierbar.

Zum Gebiet der Masuren gehören u.a. die Städte Giżycko (dt. Lötzen), Mikołajki (dt. Nikolaiken), Pisz (dt. Johannisburg), Kętrzyn (dt.Rastenburg) und Węgorzewo (dt.Angerburg). Die vielen Seen der Masuren entstanden auf einer Moränenlandschaft, deren kleine Erhebungen mit Rinnen durchzogen sind, die sich nach der letzten Eiszeit mit Wasser füllten. Die größten Seen sind der Śniardwy (Spirdingsee) und der Mamry (Mauersee). Zwischen den Seen sind die Masuren mit dichten Wäldern bewachsen, von denen große Gebiete unter Naturschutz steht.

Die Besiedlung der Masuren mit unterschiedlichen Völkern wechselte aufgrund der politischen oder auch kriegerischen Lage mehrfach. Zur Zeit der Christianisierung durch den Deutschen Orden im 13. Jahrhundert lebten dort prußische und polanische Stämme. Nach der Eroberung gehörte das Gebiet zum Deutschordensstaat, ab 1506 herrschte Sigismund I. als polnischer König, seit 1525 in der Funktion eines Suzeräns des Herzogtums Preußen. In der Machtspanne des Deutschen Ordens siedelten sich viele deutsche und masowische Siedlerfamilien in den Masuren an, so dass der Anteil der prußischen Bevölkerung sank.

Das ursprünglich weitverbreitete Masurisch (eine dem Polnischen ähnliche Sprache) nahm zugunsten des Deutschen, von westlich kommend, immer weiter ab. Im nördlichen Teil wurde neben Polnisch auch Litauisch gesprochen.

Die Herrschaft der Preußen und die Reformation bewirkten bei der Mehrheit einen Übertritt zum Protestantismus. Die Besiedlung des Gebietes war eher dünn, außerdem gab es nur wenige große Städte. Die Bevölkerung lebte vorwiegend auf dem Land und von der Land- bzw. Fischwirtschaft. Mit der Machtzunahme der Preußen im 18.und 19. Jahrhundert verstärkte sich der Assimilationsdruck auf die masurische Bevölkerung. Die Schulpflicht, die Wehrpflicht und ein großer Verwaltungsapparat verstärkten die eindeutschenden Tendenzen. Die oft wirtschaftliche schlechte Lage in den Masuren bewegte große Teile der Bevölkerung zum Umzug in Industriezentren wie dem Ruhrgebiet, deren Nachfahren bis heute dort leben.

Nach dem Ersten Weltkrieg verblieb das Gebiet zwar bei Deutschland, wurde aber durch den polnischen Korridor vom Rest des Landes getrennt, was sich besonders ungünstig auf die Wirtschaft und die Entwicklung der Region auswirkte. Sie blieb ländlich geprägt, mit konservativer Verwaltung.

Die Grenzneuziehung nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete für die deutsche Bevölkerung den endgültigen Verlust ihrer Heimat. Masuren gehört nun zu Polen. Die verlassenden Häuser und Siedlungen wurden u.a. den vertriebenen Polen aus den ehemalig ostpolnischen Gebieten (die ‚Kresy‘) zugewiesen, was man linguistisch gut am Vorkommen der sogenannten ‚neuen gemischten Dialekte‘ erkennen kann. Ihre Sprecher*innen kamen u.a. aus dem heutigen Lemberger Raum, Litauen und Belarus.

Bis heute ist die Region industriell kaum erschlossen, punktet aber durch Holzwirtschaft, touristische Attraktivität und vielfältige Wassersportmöglichkeiten. Die kleinen Städte wie Mikołajki haben sich zu touristischen Zentren entwickelt und locken jährlich zehntausende Besucher aus dem In- uns Ausland an.

Bekannte Masuren sind z.B. der Schriftsteller Siegfried Lenz (1926 – 2014), der Dichter Friedrich Karl August Dewischeit (1805 – 1884) und die Widerstandskämpferin Elisabeth Adelheid Hildegard von Thadden (1890 – 1944).

Das Wappen der Masuren zeigt den herzoglich-preußischen Adler mit einer Krone und der Majuskel ‚S‘, die für den polnischen König Sigismund I. steht.

Quellen

Kossert, Andreas. Ostpreussen – Geschichte und Mythos. Siedler-Verlag, Berlin 2005

Micklitza, André. Masuren. Trescher Verlag, Berlin 2022

Livisch

Die Sprache der Liven, ein Volk im heutigen Lettland, gilt seit 10 Jahren als komplett ausgestorben. Livisch wurde zuletzt nur noch im nördlichen Kurland (lettisch Kurzeme) gesprochen, war aber ursprünglich rings um die Rigaer Bucht beheimatet. Livisch gehört dem ostseefinnischen Zweig der finno-ugrischen Sprachfamilie an, verwandt mit u.a. Estnisch und Finnisch.

Die Besiedlung der Rigaer Bucht reicht weit zurück, die Liven waren meist Fischer. Die Christianisierung im 13. Jahrhundert, die Besiedlung des Baltikums mit u.a. deutschen Siedlern und Ereignisse wie Kriege und Grenzneuziehungen drängten die Liven immer weiter zurück, bis sie im 20. Jahrhundert nur noch an der Spitze Kurlands lebten. Heute sprechen die Angehörigen dieser sehr kleinen Gruppe Lettisch. Man kann davon ausgehen, dass die Sprecher*innen des Livischen in Kontakt mit ihren Nachbarn Kenntnisse anderer Sprachen vorweisen konnten und die Assimilation dadurch beschleunigen.

Das große Verbreitungsgebiet kann man grob in östliche und westliche Dialekte unterteilen, deren Unterschiede meist durch die angrenzenden Kontaktsprachen beeinflusst waren.

Die Sprachstrukturen des Livischen sind sehr formenreich, wie eigentlich alle ostseefinnischen Sprachen. Ein besonderes Charakteristikum ist die Menge von Monophthongen (acht) und Diphthongen (zwölf). Die Monophthonge können in vier Varianten (überkurz, kurz, halblang und überlang) auftreten, die bedeutungsunterscheidend sind. Das Konsonanteninventar zählt 23 Konsonanten, eine ähnliche Anzahl wie im Deutschen. Der Wortakzent fällt meist auf die erste Silbe.

Anders als z.B. Finnisch ist das Livische eine eher flektierende Sprache, d.h. es gibt neun Kasus und zwei Numeri. Das Verbsystem ist mit vier Tempora und fünf Modus einigermaßen übersichtlich. Im Wortschatz des Livischen erkennt man den Sprachkontakt mit dem Estnischen, Lettischen und Deutschen, was historisch bedingt ist.

Es gibt nur wenige schriftliche Quellen, meist religiöse Texte. Daraus lässt sich nur schwer eine einheitliche Standardschriftsprache ableiten. Die Schriftgelehrten orientierten sich entweder an einer phonetischen oder vom Lettischen beeinflussten Schreibung. Andere Quellen sind Lieder, Lehrbücher oder Zeitschriften jüngeren Datums, deren Verbreitung aber auf das Sprechergebiet beschränkt blieb.

Die Sprachpolitik des späten 20. und frühen 21. Jahrhundert hat keine positive Wirkung auf den Erhalt des Livischen gehabt. Die Zeit der Sowjetunion mit Russifizierung der baltischen Staaten hat keinen Platz für Minderheiten eingeräumt. Obwohl Lettland Livisch in den 1990er Jahren als indigene Sprache anerkannt hat, konnten keine geeigneten Fördermaßnahmen das Aussterben der Sprache verhindern.

Quelle

Winkler, Eberhard. Livisch. In Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002.

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Rückblick meines Bachelorstudiums

Nach fast 15 Jahren als Physiotherapeutin habe ich mich 2019 entschieden zu studieren. Meine Fächer waren ‘Slawische Sprachen und Literaturen’ und ‘Germanistische Linguistik’. Ehrlich gesagt, war ich zu Beginn etwas blauäugig. Ich dachte so neben der Arbeit und meiner Familie studiert es sich leicht.

Schon das erste Semester an der Humboldt- Universität zu Berlin verlangte mir ein hohes Maß an Disziplin und gutem Zeitmanagement ab. Ich hatte mir so viele Veranstaltungen eingeplant wie der ‚ideale Studienverlaufsplan‘ es halt vorschrieb. Das bedeutete 20 Stunden in der Uni plus die Vor- und Nachbereitungszeit, die ich nicht wirklich beachtet hatte. Die erste Woche verbrachte ich mit der Suche nach Räumen in verschiedenen Gebäuden und Vorstellungsrunden in Seminaren. Wie ich heute weiß, ist es durchaus üblich erst in der zweiten oder dritten Woche in die Veranstaltungen zugehen, macht man als Ersti aber selten. Man könnte ja was verpassen!

Die ersten Prüfungen am Semesterende (Februar 2020) liefen gut, doch es schwebte schon die Pandemie über uns. Die Prüfungen im April wurden im März abgesagt bzw. verschoben. Die nächsten Semester liefen online. Für mich war das ein Vorteil, denn da die Schulen ebenfalls geschlossen waren, konnte ich mich auch um meine Kinder im Homeschooling kümmern. Wir wurden in der Zeit Fachleute für Online-Unterricht und Online-Prüfungen.

Als die Uni nach fast zwei Jahren wieder ihre Türen öffnete und wir, unter Auflagen wie Masken- und Testpflicht, in den Präsenzunterricht kommen durften, war das wie ein Neustart. Wir hatten uns verändert, die Uni hatte sich verändert. Ich genoss das Zusammentreffen mit anderen Studierenden und den Austausch.  Auch die Prüfungen waren wieder in Präsenz, was ich viel besser finde als über Zoom.

Die Pandemie hat mich im Studium kaum ausgebremst, das ist nicht für viele so gewesen. Der Spagat zwischen Uni, Arbeit und Kinderbetreuung ist für mich gut plan- und umsetzbar gewesen. Trotzdem habe ich bis zum Abschluss zwei Semester mehr gebraucht, was einfach daran lag, dass ich mir zum Ende selber weniger Stress gemacht habe als in den ersten Semestern. Als Ersti dachte ich noch, dass das Studium in sechs Semestern zu schaffen sein müsste. Was ich nicht bedacht habe, war die Arbeit dahinter. Jetzt sehe ich die Sache gelassener. Ich hatte keinen Druck das Studium schnell beenden zu müssen, weder von Seiten meiner Familie noch von irgendwelchen Ämtern z.B. das Bafög-Amt.

Nach der Pandemie habe ich mich mehr bei Studentenverbindungen engagiert, was mir bis heute viel Spaß macht, und mir zeigt, was das Unileben eigentlich bedeutet. Wir sollten nicht nur in den Veranstaltungen sein und Fachkenntnisse erwerben, sondern auch unsere sozialen Kontakte wieder mehr pflegen.

Nach vier Jahren Bachelorstudium beginne ich jetzt das Masterstudium. Dieser Schritt war mir schon zu Beginn des Bachelorstudiums klar, nachdem ich festgestellt habe, dass das Studium genau das ist, was ich mir vorgestellt habe. Ich mag die Lernatmosphäre an unserem Institut, die persönliche Betreuung und die Möglichkeiten sich selbst einzubringen. Ich nehme mir genug Zeit und genieße sie, denn ein Studium bedeutet nicht nur reines Lernen, sondern auch Erfahrungen sammeln und sich selber weiterentwickeln.

Keltische Mythologie

Der keltische Held Cú Chulainn

Was kommt uns als erstes in den Sinn, wenn wir an Kelten denken? Asterix und Obelix? Das Keltenkreuz? Die keltische Kultur ist aber weitaus älter und weiterverbreitet als man denkt. Die Kelten als ein Volk sind ein kaum zu definierender Begriff, man spricht besser von keltischen Stämmen. Sie lebten in ganz Europa verbreitet, zogen sich bis in die Neuzeit auf die Britischen Inseln und in die Bretagne zurück. Doch noch heute findet man keltische Relikte in ganz Europa, auch in Deutschland.

Die Kelten bildeten nie ein einheitliches Staatsgebiet und entwickelten sich kulturell und sprachlich unterschiedlich. Es fehlt an schriftlichen Quellen aus der Zeit vor z.B. den Römern in Britannien oder den christlichen Mönchen, die nicht unbedingt an der wahrheitsgetreuen Dokumentation heidnischer Bräuche interessiert waren. Die Mythologie lässt sich grob in die Mythen auf dem europäischen Festland und den Britischen Inseln einteilen, obwohl es auch da nochmal Unterschiede gibt.

Die Kelten auf dem Festland sind aus unserer Vorstellung als Kelten fast verschwunden. Sie sind oftmals mit anderen Kulturen z.B. der Germanen oder Römern verschmolzen. In bretonischen Erzählungen und Sagen lassen sich noch Ähnlichkeiten zu anderen keltischen Legenden erkennen, meist aber nur noch bei Namen von Sagengestalten und Göttern.

Die Quellen für die inselkeltische Mythologie sind besser erhalten. Das liegt vor allem an den Chronisten auf den Britischen Inseln, die zwar missionarische Ziele verfolgten, aber versuchten die heidnischen Elemente in die christliche Lehre einzubauen. Das erleichterte vielen den Übertritt zum Christentum.

Vor allem auf Irland konnte sich die keltische Mythologie frei von römischem Einfluss gut erhalten und wurde erst durch Patrick von Irland christianisiert. Die Sagen, Legenden und anderes kulturelles Wissen wurden auch in Irland seit Jahrhunderten v.a. von Druiden mündlich weitergegeben. Erst die Mönche schrieben sie auf und erhielten sie dadurch für die Nachwelt.

Das Lebor Gabála Érenn, dt. „Das Buch der Landnahmen Irlands“ ist eine große Sammlung aus dem 9. Jahrhundert. Es ist in mittelirisch geschrieben, was den Entstehungszeitraum eingrenzt und weist auch christliche Elemente auf. Inhaltlich berichtet das Buch über die Besiedlung Irlands durch die Vorfahren der Kelten. Man geht davon aus, dass die Geschichten höchstens teilweise auf historischen Ereignissen beruhen. Figuren wie der Held Cú Chulainn aus dem Ulster-Zyklus oder Fionn mac Cumhaill aus dem Finn-Zyklus sind zwei der bekanntesten.

Die Kelten verehrten auch viele Götter wie z.B. Taranis, der Himmelsgott, und Morrigan, die Göttin des Krieges und Todes. Man kann Parallelen zu anderen Götterkreisen wie den Germanen oder Slawen erkennen. Durch die große Ausbreitung der Kelten haben sich auch Götter entwickelt, deren Verbreitung  lokal begrenzt blieb.

Neben Göttern und Helden spielen auch heilige Tiere in den keltischen Mythen eine große Rolle. Sie stellen die Verbindung zwischen den Elementen und zu anderen Welten dar. Besonders Vögel kommen in den Mythen vor wie z.B. der Adler als Begleiter Taranis oder der Rabe, in den sich Morrigan verwandeln kann. Diese Verbundehteit zu Vögeln sieht man auch in der nordischen und sibirischen Mythologie. Ähnlich den Germanen verehrten die Kelten auch Tiere des Waldes wie Hirsche, Bären oder Wölfe als heilig. Haustiere wie Pferde und Rinder, die für die Kelten Arbeitstiere und Fleischlieferanten waren, fand man in Gräbern und Kultplätzen.

Die Druiden der Kelten kannten nicht nur die Legenden und Rituale, sondern waren auch Heilkundige. Einige Pflanzen konnten tranceähnliche Zustände auslösen, die es den Druiden ermöglichten in die Zukunft zu blicken.

Wie andere Mythologien und heidnische Glaubensrichtungen erlebt auch das (Halb-)Wissen um die Kultur der Kelten eine Wiederbelebung. Schriftsteller wie Tolkien, René Goscinny und Albert Uderzo haben zu diesem Trend beigetragen.

Quellen

Magin, Ulrich. Keltische Kultplätze in Deutschland. Nikol Verlag. Hamburg 2021

Grimal, Pierre. Mythen der Völker III. Fischer Bücherei. Hamburg 1963

Deutschland = Deutsch?

In Zeiten des wachsenden Populismus begegnen uns immer wieder Parolen wie „In Deutschland wird Deutsch gesprochen!“ oder „Deutschpflicht auf dem Schulhof!“ und viele Menschen nicken zustimmend. Die Nachrichten sind voll mit Berichten über den Verfall der deutschen Sprache, aber sind sie glaubhaft? Sprechen immer weniger Menschen „gutes“ Deutsch und nehmen andere Sprachen Überhand?

Ein paar Fakten ..….. Das eine Deutsch gibt es nicht, sondern mindestens drei Standardvarietäten: Bundesdeutsches, österreichisches und schweizerisches Standarddeutsch. Dazu kommen unzählige Dialekte, die mit den Standardvarietäten manchmal wenig zu tun haben.  Deutsch wird außer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch noch in Luxemburg, Liechtenstein, Belgien, Norditalien, Süddänemark, Elsass und als Minderheitensprache z.B. in Rumänien, Polen oder Namibia gesprochen. Deutsch ist also weitverbreitet und außerdem die zahlenmäßig größte Sprache der Europäischen Union. Auch als Fremdsprache ist Deutsch sehr populär. Nach Englisch und Französisch ist es die meistgelernte Fremdsprache der EU, vor allem in den Nachbarländern Deutschlands.

In Deutschland leben etwa 83 Millionen Menschen. Wie viele Sprachen hier gesprochen werden, ist nicht genau klar, aber es sind viele. Neben Deutsch als einzige Amtssprache haben wir die Minderheitensprachen Dänisch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Obersorbisch, Romanes und Saterfriesisch, die Regionalsprache Niederdeutsch und die Sprachen derer, die von überallher nach Deutschland gekommen sind. Die häufigsten Sprachen sind Türkisch, Russisch, Arabisch, Polnisch und Englisch.

Laut dem Statistischen Bundesamt sprachen 2021 80% aller in Deutschland lebenden Menschen zu Hause Deutsch, unabhängig von der Muttersprache. 15% sprechen neben Deutsch zu Hause noch eine oder mehrere Sprachen und nur 5% sprechen zu Hause überhaupt kein Deutsch. Diese Zahlen zeigen, dass es trotz der vielen Menschen ohne deutschen Pass (etwa 10% der in Deutschland lebenden Menschen) in Deutschland nicht dazu kommt, dass nicht mehr „genug“ Deutsch gesprochen wird. Man hat durch Befragungen herausgefunden, dass ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund* zu Hause ausschließlich Deutsch spricht. Und von allen Personen mit Migrationshintergrund sprechen nur 18 % zu Hause ausschließlich eine oder mehrere Sprachen außer Deutsch. Die Hälfte der mehrsprachigen Personen mit Migrationshintergrund nutzten neben Deutsch noch eine andere Sprache, um zu Hause zu kommunizieren. Von fehlender sprachlicher Integration kann also keine Rede sein!

Auch aus linguistischer Sicht ist der angebliche Verfall der deutschen Sprache dabei nicht zu beobachten. Die verschiedenen Varietäten z.B. in der jungen Generation mit neuen Wortschöpfungen sind kein Phänomen der jetzigen Zeit. Schon immer unterschied sich die Sprache zwischen den Generationen. Viele fühlen sich von diesem Wandel innerhalb des Deutschen bedroht und fordern, dass in Schulen keine anderen Sprachen als Deutsch gesprochen werden dürfen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass zweisprachige Kinder genauso gut Deutsch erlernen wie einsprachig-deutsche Kinder.

Warum also diese Parolen? Warum wird mit unwissenschaftlichen Argumenten gegen die Mehrsprachigkeit gepredigt? Die Menschen stehen dem Unbekannten oft sehr skeptisch gegenüber. Doch leben wir nicht in einer Gesellschaft, die sich die Vielfalt, sprachlich, religiös oder auch sexuell, als Grundrecht in die Verfassung geschrieben hat? Es mag einige geben, die das anders sehen, und immer wieder behaupten das Deutsche wird verdrängt. Deutschland wird dadurch bunter, aber nicht weniger deutschsprachig.

*Migrationshintergrund bedeutet in diesem Kontext, dass eine Person oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind.

Quelle

Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html