Julian Tuwim

In Polen kennt ihn jedes Kind, seine Gedichte sind Klassiker der polnischen Lyrik: Julian Tuwim. Er wurde am 13. September 1894 in Łódź geboren und wuchs in einer jüdisch-polnischen Bürgersfamilie auf.

In der Schule war er mittelmäßig, interessierte sich eher für Sprache als für Naturwissenschaften. Schon in jungen Jahren übersetzte er Gedichte, 1913 wurde sein Gedicht ‚Request‘ in einer Warschauer Tageszeitung veröffentlicht. Nach dem Abitur zog Tuwim nach Warschau und begann dort ein Jura- und Philosophiestudium. Nebenbei arbeitete er bei der Universitätszeitung ‚Pro Arte et Studio‘. Dort gründete er 1916 mit anderen Künstlern die Dichtergruppe ‚Skamander‘ und schrieb u.a. Theaterstücke.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er im Pressebüro von Józef Piłsudski, einige seiner Schriften wurde aber durch die Zensur verboten.  Er heiratete 1919 Stefania Marchew und gründete einen Verband, der sich für die Urheberrechte von Künstlern einsetzte.

Als 1939 Nazi-Deutschland in Polen einfiel, floh Tuwim nach Frankreich, später nach Portugal und Brasilien. Unabhängig seines Wohnortes schrieb Tuwim für viele polnische Zeitungen. Viele polnische Schriftsteller folgten Tuwim ins Exil und überlebten so den Zweiten Weltkrieg. In Deutschland waren seine Schriften und Werke verboten. Ab 1942 lebte er in New York, kehrte nach Kriegsende schon 1946 in seine Heimat zurück.

Bei seiner Rückkehr nahm Tuwim seine Tätigkeit wieder auf, schrieb aber nicht mehr so viel wie früher. Er arbeitete als künstlerischer Leiter am ‚Nowy Teatr‘ in Warschau und übersetzte andere Künstler. Außerdem adoptierte er mit seiner Frau ihre Tochter Ewa aus Otwock.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg litt Tuwim an den Folgen einer Angststörung, die mit Depressionen und Alkoholmissbrauch einher ging. Seine Arbeit wurde dadurch stark eingeschränkt. Auch im Exil schrieb er weniger als in jungen Jahren. Auch die antisemitische Hetze in Europa und auch in Amerika traf Tuwim hart. Er kämpfte zeitlebens mit der jüdisch-polnischen Identität.

Bei einem Urlaub in der Hohen Tatra erlitt Tuwim einen Herzinfarkt und verstarb am 27. Dezember 1953 in Zakopane. Er wurde in Warschau auf dem Powązki-Friedhof beigesetzt.

Der Nachwelt hinterlässt Tuwim einen Schatz an Gedichten, von denen viele vertont worden sind. Die meisten Gedichte sind sehr satirisch, Tuwims Spezialität. Er schrieb auch Sketche und Stücke fürs Kabarett und verknüpfte Gesellschaftskritik mit Lyrik. Sein Schreibstil ist geprägt von der Frage nach Individualität und nach politischer Korrektheit. Dafür erntete er zahlreiche Kritik aus politischen Kreisen, seine Leser lieben ihn genau dafür.

Vor allem die Gedichte für Heranwachsende sind bekannt, auch außerhalb Polens. In Deutschland bekannt ist das Gedicht ‚Die Lokomotive‘ von 1938, das von James Krüss übersetzt und auch vertont wurde. Die Gedichte für Kinder sprühen vor Humor und prägen sich durch die vorherrschende Lautmalerei unaufhaltsam ins Gedächtnis. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie noch heute gerne gelesen werden und in Polen ein fester Bestandteil der Schullektüre sind.

Quellen

Ehrenburg, Ilja. Menschen – Jahre – Leben (Memoiren). München 1965

Urbanek, M. Tuwim. Wylękniony bluźnierca. Warszawa: Wydawnictwo Iskry, 2013

Mecklenburg

Die historische Region Mecklenburg ist heute Bestandteil des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland. Der Name ‚Mecklenburg‘ bezieht sich auf die Burg Mecklenburg, altsächsisch ‚Mikilinborg‘, die als Hauptsitz der Abodriten genutzt wurde. Erste Erwähnung findet sich in einer Urkunde des späten 10. Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Name über das Niederdeutsche zu ‚Mecklenburg‘.

Bis zur Völkerwanderung ca. 4. Jahrhundert n.Chr. siedelten dort germanische Stämme, die dann weiter Richtung Süden zogen. Um das 6. Jahrhundert zogen slawische Stämme in das Gebiet rund um das heutige Schwerin und Wismar. Die Ostsee bildet eine natürliche Grenze im Norden, während von Osten und Süden andere slawische Stämme und im Westen Franken und Sachsen lebten. Die Region wurde von den elbslawischen Stämmen der Abodriten beherrscht, rund um das heutige Wismar und Schwerin. Die Region eignete sich über die Wasserwege wie die Ostsee und die Flüsse gut für den Handel als Lebensgrundlage.

Ab dem 12. Jahrhundert gerieten die slawischen Herrscher immer mehr in Bedrängnis durch ihre Nachbarn. Wie viele Völker waren sie in kleine Herrschaftsgebiete geteilt und konnten den Sachsen oder Franken keine große Streitmacht als Verteidigung entgegensetzten. Mecklenburg wurde Teil des Heiligen Römischen Reiches. Auch die Dänen zeigten zum Ende des 12. Jahrhundert großes Interesse an der Eroberung Mecklenburgs, um ihren Einflussbereich auszuweiten.

Nach und nach vermischten sich die Slawen mit Siedlern, die vor allem aus dem Westen und Norden in die Region zogen. Sie brachten nicht nur das Christentum, sondern auch landschaftliche Innovationen, mit. Damit stiegen die Erträge und die Bevölkerungszahl stieg an. Mit den Siedlern entstanden immer mehr Siedlungen, die sich in kurzer Zeit zu Städten entwickelten. Die Nähe zur Hansestadt Lübeck, gegründet von slawischen Polaben, hatte ab dem 13. Jahrhundert Einfluss auf die Region Mecklenburg, was mit einem Handelsbündnis Lübecks mit Rostock und Wismar besiegelt wurde.

Die strategisch wichtige Lage machte Mecklenburg zum Opfer mehrerer Teilungen u.a. 1229, 1621 und 1701, infolge von Kriegen oder Teilungen durch Erbansprüche verschiedener Herrschaftslinien, trotzdem bestand zwischen den Fürstentümern immer eine Verbindung in Form von politischer und wirtschaftlicher Verbundenheit. Teile des Gebietes fielen im 18. Jahrhundert an Hannover und Preußen, bis Napoleon einfiel und es über Jahre besetzte. Der Wiener Kongress 1815 stellt die Souveränität der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz wieder her und dies blieb bis 1918 bestehen.

Ab 1918 entstanden aus den beiden Gebieten zwei Freistaaten, die sich unter dem Druck der Nationalsozialisten 1934 zum Land Mecklenburg vereinigten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der größte Teil der Region sowjetisch-besetztes Gebiet und wurde zu DDR-Zeiten in Bezirke geteilt, wie das gesamte Gebiet der DDR. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten schuf das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern wie wir es heute kennen (bis auf einen kleinen Zipfel im Südwesten, der jetzt zu Niedersachsen gehört.)

Das Wappen des Herzogtums Mecklenburg zeigt einen Stierkopf auf goldenem Grund, mit silbernen Hörnern und einer goldenen Krone. Es trat in dieser Form ab 1219 auf.

Quellen

Heitz, Gerhard &Rischer, Henning. Geschichte in Daten. Mecklenburg-Vorpommern. Koehler & Amelang, München und Berlin 1995

Karge, Wolf &Münch, Ernst &Schmied, Hartmut. Die Geschichte Mecklenburgs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hinstorff, Rostock 2011

Bildquelle

Autorstwa Ipankonin – Ten plik jest pochodną pracą: Coat of arms of Mecklenburg-Western Pomerania (great).svg:, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3201708

Obersorbisch

Die Sorben siedeln seit Jahrhunderten im heutigen Sachsen und Brandenburg. Es gibt zwei sorbische Schriftsprachen (Obersorbisch und Niedersorbisch), die als anerkannte Minderheitensprachen in Deutschland seit Ende der 90er Jahre geschützt. Die Ähnlichkeit beider Sprachen ist groß, sodass viele denken es seien zwei Varianten der gleichen Standardsprache.

In Sachsen, genauer in der Oberlausitz, wird von etwa 20.000 Menschen Obersorbisch gesprochen. Es ist eine westslawische Sprache, die mit Niedersorbisch, Polnisch, Tschechisch und Slowakisch verwandt ist. Durch die Mischung des slawischen und germanische Sprachgebietes im Osten des heutigen Deutschlands lassen sich im Obersorbischen viele deutsche Einflüsse u.a. im Wortschatz erkennen. Außerdem sind alle Sorben zweisprachig. Das liegt einerseits an der historischen Sprachenpolitik, Sorben waren ohne Deutschkenntnisse oft von Zünften oder Universitäten ausgeschlossen, und an der in Deutschland herrschen Schulpflicht, sodass Kinder aus sorbischen Familien spätestens in der Schule immer deutsch lernen. Einsprachige sorbische Kinder gibt es aber nicht mehr. Diese Zweisprachigkeit ist heute zwar gewünscht, drängt das Sorbische aber in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in den Hintergrund. Obersorbisch ist deshalb schon lange eine gefährdete Sprache, deren Erhalt eine wichtige Aufgabe des deutschen Staates und Sachsens darstellt.

Die kulturellen Zentren der Obersorben sind Bautzen (Budyšin), Kamenz (Kamjenc) und Hoyerswerda (Wojerecy). In diesem Dreieck wird das Sorbische sehr gepflegt und bewahrt. Doch immer mehr Menschen sprechen zu Hause kaum noch Obersorbisch und geben es dann auch nicht an ihre Kinder weiter. So verkleinert sich der Kreis der Sprecher*innen mit jeder Generation.

Laut der Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen haben Sorben das Recht ihre Sprache nicht nur zu sprechen, sondern auch in der Schule zu lernen. Es gibt an vielen Schulen in Sachsen Obersorbisch als Fremd- und Unterrichtssprache, auch das Abitur kann in Obersorbisch abgelegt werden. In Leipzig (und ganz neu in Dresden) kann man Sorabistik studieren, jedoch ist dieses Fach sehr klein genauso wie die Studierendenzahlen. Vor allem im Bereich Bildung werden viele Fachkräfte mit Sprach- und Fachkenntnissen gesucht z.B. Lehrer*innen, Erzieher*innen etc. gesucht. Sachsen fördert den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur, nicht nur im Bildungsbereich. Wie in der Niederlausitz sind auch in der Oberlausitz die Straßenschilder, Wegweiser oder Beschriftungen an Ämtern zweisprachig. Die Sichtbarkeit der Sprache ist eine der wichtigsten Punkte beim Spracherhalt. Das Sprachprestige ist durch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gestiegen. Die Sorben sind stolz auf ihre Sprache, feiern ihre Bräuche und sind bekannt für ihre Trachten, Sagen und Legenden.

Obersorbisch wird in lateinischer Schrift geschrieben, ergänzt um einige diakritische Zeichen z.B. Hatschek oder Akut für die typisch slawischen Laute. Die Schreibung ist erst seit dem 19. Jahrhundert standardisiert u.a. wegen der Bemühungen von Jan Arnošt Smoler und Handrij Zejler. Die Schreibung zeigt Einflüsse des Tschechischen, was nicht verwundert. Die Tschechen waren schon immer Freunde der Sorben, sprachlich wie politisch.

Wie (fast) alle slawischen Sprachen ist das Obersorbische eine stark flektierende Sprache. Neben den sieben Kasus hat es drei Numeri (der Dual wird aber oft durch den Plural ersetzt) und drei Genera. Die Verben kommen als Aspektpaar vor, für Deutschmuttersprachler*innen definitiv ein Novum, denn das gibt es in der Art nicht im Deutschen. Die Wortstellung ist weniger streng als im Deutschen, vor allem die Verbstellung. Ursprünglich war die Wortstellung Subjekt-Objekt-Verb, aber u.a. der Kontakt mit dem Deutschen sorgt für eine mittlerweile akzeptierte Subjekt-Verb-Objekt-Stellung, vor allem im mündlichen Sprachgebrauch. Sprachpuristen sehen in dem deutschen Einfluss eine Gefahr für das Obersorbische. Schon im 19. Jahrhundert versuchten sorbische Linguisten diesem Einfluss u.a. durch slawische bzw. tschechische Einflüsse „auszubessern“. Daher sieht man im obersorbischen Wortschatz mehr tschechische Entlehnungen als im niedersorbischen. In letzter Zeit steigt der Anteil von Anglizismen an, wie in fast allen Sprachen Europas.

Wie im Niedersorbischen besitzt auch das Obersorbische einige, oft schon ausgestorbene, Dialekte. In den Schulen wird die Standardsprache gelehrt. Sorbische Dialekte werden nur innerhalb der Familien oder in speziellen Kursen weitergegeben.

Quelle

Kunze, Peter.  Kurze Geschichte der Sorben. Ein kulturhistorischer Überblick. 5. Auflage, Domowina Verlag, Bautzen 2017

Lewaszkiewicz, Tadeusz. Obersorbisch. In: Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser, Klagenfurt 2002.

Ist Polnisch schwer zu lernen?

Wie oft habe ich diese Frage schon gehört? Ich kann es nicht sagen, aber oft. Eigentlich immer, wenn ich erzähle, dass ich Polnisch lerne. Ob den Lernenden des Englischen oder Spanischen auch so eine Frage gestellt wird? Ich glaube kaum….Ich selber habe mir diese Frage nie gestellt.

Das Lernen einer neuen Sprache fordert und fördert uns, davon bin ich überzeugt. Dabei spielt die Sprache an sich erstmal keine Rolle. Doch ich habe mich in meiner Jugend aus unterschiedlichen Gründen für Polnisch entschieden. Meine Muttersprache ist Deutsch, eine germanische Sprache, wohingegen Polnisch eine slawische Sprache ist. Lernt man eine Sprache aus einer anderen Sprachfamilie, sind viele Dinge ungewohnt. Beim Polnischen schlägt erstmal die Aussprachewucht zu. Als Deutschsprechender sucht man verzweifelt die Vokale (kleiner Funfact: Im Gegensatz zum Polnischen kann man im Tschechischen ganze Sätze ohne Vokale bilden.). Das Alphabet ist zwar das lateinische, aber ein paar diakritische Zeichen kommen noch dazu. Die Aussprache ist phonetisch, d.h. man spricht so wie man schreibt, fast. Hat man das erstmal verstanden, kann man lesen, ohne was zu verstehen.

Aus dem Wortschatz des Polnischen lassen sich viele deutsche Entlehnungen und Internationalismen erkennen, die den Einstieg erleichtern. Ums Lernen der typisch slawischen Wörter kommt man aber nicht herum, wie in allen anderen Sprachen auch.

Ich habe zuerst versucht alleine mit Hilfe eines Wörterbuches und einer Grammatik Polnisch zu lernen. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich bin eher ein Gruppenlerntyp. In Berlin, meiner Heimatstadt, gibt es viele Möglichkeiten Kurse zu besuchen: Die Volkshochschule, Kurse an der Uni oder Privatschulen.

So nebenbei lernt sich eine Sprache aber nur langsam. Je nach Lerntyp fokussiert man sich auf die kommunikativen Kompetenzen wie Sprechen oder eher auf die Sprachstrukturen wie das Deklinationssystem oder die Wortstellung. Ich liebe Grammatik, nicht nur des Polnischen. Ich möchte die Struktur von Sprachen verstehen. Dass das in einer Situation in Polen nicht unbedingt hilft, ist mir zwar klar, aber so bin ich gestrickt.

Meine größte Schwierigkeit beim Polnisch lernen sind eindeutig die Verben. Die funktionieren zwar wie im Deutschen, kommen aber immer als Paar vor (mit wenigen Ausnahmen). Und je nach Kontext nutzt man das eine oder das andere. Auch die Konjugation der Verben machte mir zu schaffen. Natürlich gibt es Verbklassen, aber die erschlossen sich für mich nicht automatisch. Doch es gibt eine Menge Hilfsmittel zum Nachschlagen, gute Wörterbücher oder Verbtabellen. So etwas musste ich natürlich haben! Vor allem bei unregelmäßigen Formen, die meisten hoch frequentiert gebraucht werden, hilft z.B. eine Übersichtstabelle. In der sind alle möglichen Formen dargestellt.

Doch nur Grammatik pauken bringt wenig für die Kommunikation. Auch mit grammatisch falschen Sätzen wird man verstanden. Wortschatz lernen und Sprechen üben sind noch wichtiger. Die Angst vor Fehlern kennen wir alle, doch erinnern wir uns an Situationen z.B. wenn uns jemand in gebrochenem Deutsch nach dem Weg fragt. Wir verstehen den Sinn der Sätze und der Fragende bekommt eine Antwort. Das ist gelungene Kommunikation, auch ohne richtige Verbendung.

In Polen habe ich noch nie Probleme wegen meiner Fehler gehabt. Entweder sind die Menschen zu höflich, um mich zu korrigieren oder ich konnte verständlich genug ausdrücken. Oft habe ich anerkennende Blicke und ein Lob bekommen, dass ich als Deutsche eine so „schwere“ Sprache lerne.

Die Frage ist also nicht, ob Polnisch schwer zu lernen ist, sondern ob ich diese Sprache sprechen und verstehen möchte. Für mich lässt die Motivation den Schweregrad in den Hintergrund treten und ich freue mich über eine erfolgreiche Kommunikation.

Kleine Geschichte der Übersetzung

Menschen sprechen seit jeher unterschiedliche Sprachen, aber nicht jeder Mensch kann sich mit jedem verständigen. Doch die Menschen wollen und müssen kommunizieren. Die Vielfalt der Sprachen machte die Entstehung einer Tätigkeit nötig, die fast so alt ist wie die Menschheit selbst: Das Übersetzen.

Mehrsprachige Personen gab es immer und sie nutzten ihre Fähigkeiten. Wer kennt nicht die Sprachkundigen aus Büchern und Filmen, die mit Fürsten und Händlern auf Reisen sind, um zu übersetzen. Daraus wuchs die noch heute tätige Berufsgruppe der Dolmetscher*innen und Übersetzer*innen.

Besonders in Europa der späten Neuzeit sind diese Berufe gefragt, denn hier war die Einsprachigkeit vieler Menschen ein politisches Ziel der sich bildenden Staaten. In den meisten Teilen der Welt ist Mehrsprachigkeit die Regel und die Menschen brauchen weniger Übersetzungshilfen.

Die Anfänge des Übersetzens liegen wie gesagt weit zurück. Schon die Römer und andere antike Mächte nutzten Reiserouten in ferne Länder, immer Sprachkundige mit „im Gepäck“. Auch literarische Werke wurden von den Römern aus anderen Sprachen wie dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Und schon damals kämpften die Übersetzer mit der Frage wie sich ein Text am besten übersetzen lässt.

Der Machthunger Europas, vor allem der Seefahrernationen wie England oder Spanien, ließ Entdecker über alle Weltmeere segeln und neue Orte in Besitz nehmen. Einen Handelspunkt oder Hafen in den Gebieten zu etablieren, bedeutet immer mit der indigenen Bevölkerung (zumindest zuerst) zusammenzuarbeiten, was durch Sprachbarrieren erschwert wurde. Doch schnell lernten einige die Sprache der anderen, um darüber hinwegzuhelfen.

Zuerst wurde mündlich übersetzt, aber schon bald mussten Verträge, Handelslisten etc. übersetzt werden. Der Buchdruck im 15. Jahrhundert und die bessere Verfügbarkeit von Lesestoff verursachte eine Übersetzungswelle religiöser und weltlicher Texte, die bis heute anhält.

Doch was macht das Übersetzen aus? Übersetzen war und ist eine Kunst, nicht nur eine mechanische Umwandlung von einer Sprache in die andere. Jeder, der schon mal ein Gedicht, Text oder irgendwas übersetzt hat, kann sich daran erinnern. Beim Übersetzen ist das Ziel entweder den Inhalt oder die Form möglichst authentisch wiederzugeben. Beides zusammen ist meist unmöglich. Man muss sich also genau überlegen, wie man vorgeht.

Die bekannteste Übersetzung in Deutschland ist wahrscheinlich die Luther-Bibel. Martin Luther hat die Bibel aus dem Hebräischen, Aramäischen und Griechischen ins Deutsche übersetzt, wobei ihm aufgefallen ist, dass die Ausgangswerke nicht gleich sind und er bei den Abweichungen immer einem Kompromiss für seine Version finden muss. Gerade bei religiösen Texten war beim Übersetzen Vorsicht geboten. Nicht nur, dass die Kirche ihr Wissensmonopol behalten wollte, sondern auch peinlich darauf achtete, dass jegliche Interpretation der Bibel zu unterbleiben hatte.

Weltliche Texte waren „ungefährlicher“ zu übersetzten und waren stark nachgefragt. In der Neuzeit kam auch die Unterhaltungsliteratur in Mode, die sich oft über Ländergrenzen ausbreitete. Die Arbeit der Übersetzter*innen geschieht heute meist im Verborgenen. Kaum jemand realisiert, wieviel Arbeit in jeder übersetzten Zeile steckt. Und auch dass das übersetzte Werk zu einem kleinen Teil auch das persönliche Werk des Übersetzers ist. Außerdem hat auch die Sprache, in die das Werk übersetzt wird, Einfluss auf den Inhalt. Wie übersetzt man beispielsweise ein Wort, dass es in der Zielsprache nicht gibt?

Wie man richtig übersetzt, dazu haben sich viele kluge Köpfe den Kopf zerbrochen. Im deutschsprachigen Raum haben sich u.a. Literaturtheoretiker wie Johann Christoph Gottsched (1700–1765) oder Philosophen wie Johann Gottfried Herder (1744–1803) damit beschäftigt.

Quellen

Snell-Hornby, Mary & Jürgen F. Schopp. Übersetzung. In: Europäische Geschichte online

Koller, Werner & Kjetil Berg Henjum. Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen 2020

Schreiben als Kulturtechnik

Schreiben, egal ob mit der Hand oder technischen Mitteln, erscheint uns heute als Selbstverständlichkeit. Doch Schreiben ist keine angeborene Fähigkeit, sondern muss von uns mühsam erlernt werden. Es geht meist einher mit Lesen lernen. Beide gelten als elementare Techniken der Menschen. Es gibt aber auch (Sprach-)Gemeinschaften, die ohne Schrift und das Schreiben leben, genannt Illiteralität.

Schon der die Herleitung des Begriffs ‚Schreiben‘ zeigt, wie sehr sich diese Tätigkeit wandelt. Abgeleitet vom Lateinischen ‚scribere‘- ‚mit einem Griffel in eine Tafel ritzen‘ über das Althochdeutschen ‚scriban‘ haben sich Schrift und Schreibutensilien komplett verändert.

Wann die ersten Menschen schrieben, lässt sich nur ungefähr auf einige Jahrtausende v.Chr. schätzen, wahrscheinlich sind die heute als älteste geltende Schriftdenkmäler doch nicht die ersten. Man hat Schriftstücke auf Stein, Holz, Leder oder Metall gefunden. Gerade Holz oder Leder sind je nach Umgebungsbedingen nicht gut konserviert. Auch der berühmte Papyrus währt nicht ewig. Die Schreibutensilien variieren, je nachdem ob die Schrift geritzt, gemeißelt oder gemalt wurde.

Schreiben war zu Beginn eher eine kulturelle Handlung, wichtig für Rituale oder Kultgegenstände. Man kann davon ausgehen, dass nur wenige Menschen einer Gemeinschaft in der Kunst des Schreibens unterrichtet waren. Im Laufe der Zeit erwarben auch ‚normale‘ Menschen die ‘Kunst’ des Schreibens, soweit, dass man aus Freude am Schreiben schrieb. Man schreibt an Leser*innen, die den Text vielleicht erst später lesen würden wie in Briefen. Auch die Fähigkeit Gedanken anderer,  auch fiktiver Personen, zu verschriftlichen erfordert Übung und massive kognitive Kapazitäten.

Mit Gründung von Verwaltungseinheiten wie Städte etc. wurde die Schrift und die Fähigkeit Informationen auf einem Medium festzuhalten unumgänglich für die Verwaltung. Mit der Größe der Menschheit stieg der Wirtschaftszweig, der sich mit dem Schreiben, den nötigen Utensilien und der Weitergabe des Wissens beschäftigte.

Theoretisch kann man heute alle beliebigen Informationen schriftlich festhalten, egal ob Briefe, Noten, Rechenwege, selbst simpel erscheinende Einkaufszettel.

Wie schreiben wir eigentlich? Warum fällt es uns als Grundschulkindern oft so schwer zu schreiben? Die Antwort wurde oben schon erwähnt: Schreiben ist nicht angeboren, sondern erlernt. Die Prozesse, die wir durchlaufen müssen, um Sprache in Schrift umzuwandeln, sind vielfältig.

Nehmen wir die Bausteine mal auseinander: Wir müssen Wissen und eine Sprache erwerben, bevor wir es aufschreiben können. In der jeweiligen Sprache lernen wir während des Schreibprozesses die wichtigsten Regeln zur Orthografie, Wortschatz und Textsorten. Normalerweise lesen wir nach dem Schreiben das Geschriebene, also brauchen wir einen bestimmten Grad an Lesekompetenz zur Überprüfung des Geschrieben. Und, ganz wichtig und mir in sehr guter Erinnerung, müssen wir lernen mit einem Schreibwerkzeug die Schrift auf ein Medium zu bringen. Unser Gehirn ist während so gefordert alle Aspekte des Schreibens umzusetzen, dass sich die Hand krampfhaft um den Stift krallt, manchmal so doll aufgerückt wird, dass wir unsere Buchstaben noch auf den nächsten zehn Seiten lesen können und wir kaum ansprechbar sind. Zu Beginn ist die Auge-Hand-Koordination schier unüberwindlich. Doch schon nach einiger Übung fliegen unsere Stifte über die Heftseiten und die meisten von uns sind fasziniert vom Schreiben. Haben wir die Fähigkeit schreiben erworben, verfeinern wir sie immer weiter. Wir schreiben Gedichte, Erzählungen, überlegen uns Überschriften usw. Daraus entsteht Literatur, die zwar eine Kunstform darstellt, aber nur durch den Erwerb einer Fähigkeit abhängt.

Das Konservieren von Wissen wird heute immer durch Verschriftlichung jeglicher Art gewährleistet. Sich Dinge zu merken, ohne sie aufzuschreiben, erscheint uns fast unmöglich.

Während einige Gemeinschaften keine Schrift und das Schreibens kennen, gibt es auch in Gesellschaften mit Schrift Menschen, die trotz Schulbildung oder durch individuelle Einschränkungen nicht schreiben, und oft auch lesen, können (Hier muss man zwischen fehlende Schreibfähigkeit und Schreibkompetenz unterscheiden.). Je nach Gesellschaft geht man von fünf Prozent aus, genaue Zahlen liegen aufgrund der hohen Tabuisierung nicht vor.

Bisher stand der Inhalt des Geschriebenen im Fokus, doch ähnlich wie bei dem Ursprünglichen Sinn des Schreibens, gibt es auch Kunstformen wie die Kalligrafie, die sich mit der Kunst der Schrift beschäftigt. Das erinnert ein wenig an die Note, die wir früher für unsere Handschrift bekommen haben. Doch egal, wie wir schreiben, oftmals denken wir kaum noch darüber nach. Wir denken erst darüber nach, wenn wir beispielsweise eine neue Schrift lernen, die uns in den mühsamen Prozess der Grundschule zurückbringt und uns daran erinnert wie komplex das Schreiben doch ist.

Quelle

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift. (= C.H. Beck Wissen. Band 2198). München 2002

Bräuer, Gerd. Schreibend lernen. Grundlagen einer theoretischen und praktischen Sprachpädagogik. Studienverlag, Innsbruck 1998.

Die Edda

Die Mythologie der Nordgermanen umfasst unzählige Geschichten über Götter, Riesen, Zwerge und andere mythische Wesen. Anfangs nur mündlich weitergegeben, wurden diese Geschichten im 13. Jahrhundert auf Island in der sogenannten Edda aufgeschrieben.

Die Edda besteht aus zwei Teilen, die sich durch verschieden Autoren und Textformen voneinander unterscheiden: die Snorra-Edda und die Lieder-Edda. Beide sind in altisländischer Sprache geschrieben. Der Inhalt der Edda stammt aus vorchristlicher Zeit, umso erstaunlicher, dass sie erst spät im schon christianisierten Island aufgeschrieben wurden. Daher muss bei der Erforschung und Interpretation der Edda immer der Einfluss der Kirche hinterfragt werden. Funde von ähnlichen Texten in Runenschrift weisen darauf hin, dass die Edda nicht die allererste Aufzeichnung ist.

Die Snorra-Edda ist von Snorri Sturluson um 1220 als eine Art Lehrbuch für die Skalden der damaligen Zeit verfasst worden. Und obwohl Snorri sein Werk als Lehrbuch konzipiert hat, ist es eins der wichtigsten Quelle der altnordischen Welt. Der Grund für Snorris Bestreben die heidnischen Geschichten aufzuschreiben, könnte die Angst des Vergessens gewesen sei, denn das Christentum hatte für die Geschichten und die traditionelle nordische Dichtkunst keinen Platz in ihrer Weltanschauung.

Die Snorri-Edda besteht dem Prolog und drei Hauptteilen. Der Prolog setzt die folgenden Geschichten in einen historischen und religiösen Bezug zum Christentum. Teil I und II erzählen die Helden- und Sagengeschichten in Prosaform, während der dritte Teil die Arten der Strophenformen mit Beispielen aus anderen Geschichten und Liedern erklärt, quasi als Anleitung zum Dichten.

Es existieren vier Manuskripte der Snorri-Edda, die wahrscheinlich Abschriften und keine Originale von Snorri sind, da drei von ihnen auf die Jahre 1300-1350 und eins um das Jahr 1600 datiert sind.

Die Lieder-Edda wurde zum Ende des 13. Jahrhundert geschrieben und beinhaltet die Lieder der nordischen Sagenwelt. Einige Abschnitte sind aus der Snorri-Edda übernommen. Seit wann es die Lieder der Edda gibt, kann man nicht sagen, denn vor der Verschriftlichung in der Edda wurden sie nur mündlich weitergegeben. Auch ist kein namentlicher Verfasser bekannt. Man kann davon ausgehen, dass sich mehrere Verfasser an der Liedersammlung beteiligt haben. Möglich sind auch unterschiedliche Entstehungsjahre, denn die Schreibung wechselt mehrmals.

Die Lieder-Edda enthält 16 Götter- und 24 Heldenlieder, die u.a. von Odins Zaubern, Lokis Taten oder den Helden wie Sigurd, dem Drachentöter, erzählen. Die Lieder unterscheiden sich durch Sprachstufen und -stil, so dass man unterschiedlichem Alter der Lieder ausgehen kann. Auch die Zeichnungen auf den Manuskripten geben Aufschluss über das Alter, aber kaum über die Verfasser. Zwischen den Strophen finden sich manchmal kurze Erklärungen der Prosatexte. Auch die Reihenfolge lässt Fragen offen. Anders als eine Chronik sind die Lieder nicht in zeitlich korrekter Reihenfolge aufgeschrieben worden. Es scheint oft so, dass die Geschichten, die aufeinander Bezug nehmen, einander folgen, unabhängig von der Chronologie. Mitunter entstehen dabei unlogische bzw. zeitlich unmögliche Überschneidungen oder Geschichtenverläufe.

Trotz seines heidnischen Inhalts erfreute sich die Edda seit ihrer Verschriftlichung großer Beliebtheit, auch über die Grenzen der nordischen Welt hinaus. Die Geschichten der Helden sind in andere Kulturkreise eingewandert, wurden angepasst und heute noch so spannend wie damals. Das Interessante an den Geschichten und Liedern der Edda ist die Menschlichkeit der Protagonisten, denn in der nordischen Mythologie erscheinen Götter und Helden oft sehr menschlich. Sie lieben, hassen, lügen usw., um zu bekommen, was sie wollen. Das nordische Heidentum, die Kultur und Traditionen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, ähnlich wie andere heidnische Religionen. Dieser Erfolg ist auch den Verfassern der Edda zu verdanken, die das vorchristliche Wissen bewahrt haben.

Quellen

Simek, Rudolf. Die Edda. C.H. Beck, München 2007

Die Edda. Götterlieder, Heldenlieder und Spruchweisheiten der Germanen. Übertragen von Karl Simrock, Marix Verlag, Wiesbaden 2011

Sorbische Dialekte

Jede Sprache besitzt Dialekte, egal wie klein sie ist. Das Sorbische besitzt zahlreiche Dialekte, die sich in einem Dialektkontinuum vom Niedersorbischen zum Obersorbischen verbinden. Zwischen ihnen befinden sich sogenannte Übergangsdialekte, die Merkmale beider Standardsprachen beinhalten.

Das Siedlungsgebiet der Sorben ist in den letzten Jahrhunderten immer weiter geschrumpft, genauso wie die Zahl der Sprecher*innen des Sorbischen. Davon sind insbesondere die Dialekte betroffen, die zudem auch kaum dokumentiert oder verschriftlicht sind. Sterben die Sprecher*innen des Dialektes, stirbt auch der Dialekt. Bis in die 1920er Jahre sprachen fast alle Sorben Sorbisch als Muttersprache, viele davon als Dialekt. Die Sprache wurde zur Zeit des Nationalsozialismus verboten und so erlernten viele sorbische Kinder ihre Muttersprache oft nur unzureichend. Auch der Schutzstatus, den es in der DDR für die Sorben gab, half kaum den Schwund der Dialekte aufzuhalten. Mittlerweile sind alle Sorben zweisprachig, in der Schule lernen sie nur eine der beiden Standardsprachen.

Zwar sind die beiden Standardsprachen Ober- und Niedersorbisch auch sehr stark gefährdet, werden aber in Kitas, Schulen und einer Universität gelehrt und in den Medien genutzt. Sorbische Dialekte sind jedoch fast nur im familiären Umfeld zu finden.

Das Hauptunterscheidungsmerkmal der Dialekte ist die Aussprache. Die Grammatik orientiert sich an einer der beiden Standardsprachen, vereinzelt findet man aber anderen Wortschatz.

Im Dialektkontinuum gliedert sich in drei Gruppen, die den Orten benannt sind, an denen sie hauptsächlich gesprochen werden. Zu den niedersorbischen Dialekten gehören der Vetschauer Dialekt, der westliche und östliche Cottbusser Dialekt. Die obersorbischen Dialekte umfassen den Bautzner Dialekt, den Katholischen Dialekt, zwei Heide Dialekte, den Oßlinger Dialekt und den Wittichenauer Dialekt.

In die Einteilung der Übergangs- oder Grenzdialekte fallen Dialekte, die sich nicht genau einer der beiden Standardsprachen zuordnen lassen. Dies ist zum Teil auch historisch bedingt, denn die Ober- und Niederlausitz waren oftmals Teile zweier Staaten (ab 1815 Sachsen und Preußen).

Zu den Übergangsdialekten gehören zwei Spremberger Dialekte, der Großkoschener Dialekt, der Hoyerswerdaer Dialekt, der Spreewitzer Dialekt, der Schleifer Dialekt, der Nochtener Dialekt und der Muskauer Dialekt. Das ist nur eine grobe Einteilung der sorbischen Dialekte und es gibt keine genauen Informationen wie viele Menschen welchen Dialekt sprechen. Einige Sprachwissenschaftler sind der Meinung, dass manche Dialekte so große Differenzen zu den beiden Standardsprachen aufweisen, um schon eine dritte sorbische Sprache zu sein. Andere weisen diese Einteilung als falsch zurück. Das Problem bei diesen Klassifizierungen ist, dass die Übergänge sehr fließend sind. Es fehlen für viele Dialekte schriftliche Dokumentationen und außerdem ist die Mehrheit der Dialekte ausgestorben.

Eine Besonderheit weist der Schleifer Dialekt auf, denn obwohl von ihm keine Schriftsprache existiert, gibt es schriftliche Aufzeichnungen von einem Bauer aus Rohne, Hanzo Njepila (dt. Hanso Nepila, 1766 – 1856). Er schrieb Tagebuch, einige Teile davon sind erhalten geblieben, wurden veröffentlicht („Šycko som how napisał./Im Kämmerlein hab ich geschrieben.“) und sind ein wertvoller Forschungsgegenstand für Sprachwissenschaftler und Historiker. Vorsichtige Schätzungen gehen aktuell von 20-30 Sprecher*innen des Schleifer Dialektes aus.

Die Forschung im Bereich der sorbischen Dialekte wird den Schwund der letzten verbliebenen Dialekte wahrscheinlich nicht aufhalten können. Doch ist die Dokumentation und Erhaltung der letzten lebenden Dialekte ein Schritt die sorbische Sprache und Kultur sichtbarer und für nachfolgende Generation erfahrbar zu machen!

Quelle

Norberg, Madlena Norberg: Sind die sorbische/wendische Sprache und Identität noch zu retten? In: Sammelband zur sorbischen/wendischen Kultur und Identität. Univ.-Verlag, Potsdam 2008

Ein Artikel von Sonja Wölkowa: https://www.sorabicon.de/kulturlexikon/artikel/prov_uyw_lgj_d3b/

Bildquelle

Von NordNordWest – Eigenes WerkHinc Šewc: Gramatika hornjoserbskeje rěče, 1. zwjazk. Ludowe nakładnistwo Domowina Budyšin, 1968, S. 251, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19779213

Slowakisch – das slawische Esperanto

Slowakisch ist eine Sprache der westslawischen Sprachfamilie, die vor allem in der Slowakei von etwa 5 Mio. Menschen gesprochen wird. Weltweit kommen nochmal etwa eine Mio. Sprecher*innen dazu u.a. in den USA und Kanada. Seit dem 1. Mai 2004 ist sie durch den Betritt der Slowakei auch eine Amtssprache der Europäischen Union.

Das Slowakische hat eine enge Geschichte mit dem Tschechischen, was durch die geschichtlichen Ereignisse bedingt ist. Die Herausbildung der slowakischen Sprache beginnt etwa im 10. Jahrhundert als ungarische Stämme das Großmährische Reich erobern. Die Sprache und auch slowakische Dialekte entwickelte sich in der einfachen Bevölkerung, die offiziellen Sprachen unter der ungarischen Herrschaft waren neben Ungarisch noch Latein und Deutsch. Ab dem 14. Jahrhundert war Slowakisch auch die Sprache des Bürgertums in den Städten wie Bratislava, Košice oder Žilina. Das Bürgertum nutze Slowakisch als inoffizielle Amts- und Literatursprache. Auch das Tschechische, vor allem durch die Hussiten, war immerzu präsent. Beide Sprachen beeinflussten sich seit dem späten Mittelalter immens. Durch die enge Verwandtschaft beider Sprachen waren sie den Menschen näher als z.B. das Lateinische oder Deutsche.

Ende des 18. Jahrhunderts versuchte sich Anton Bernolák an der Einführung eines slowakischen Schriftstandards. Doch erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Zeit der Nationalen Wiedergeburten u.a. der Sorben, Tschechen und Slowaken, gelang es Ľudovít Štúr einen grundlegenden Schriftstandard zu etablieren. Die vielfältigen Dialekte des Slowakischen machten es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kaum möglich von einer gesprochenen Standardsprache zu sprechen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt sich dann auch eine Standardisierung der mündlichen Sprache erkennen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde Slowakisch als Teil der Gesamtgesellschaft fest etabliert, d.h. in allen Aspekten einer Sprache angewendet. Die meisten Slowaken beherrschten das Tschechische in Wort und Schrift, bestanden aber auf ihre sprachliche Eigenständigkeit.  

Von vielen werden Tschechisch und Slowakisch als eine Sprache mit unterschiedlichen Varietäten gesehen. In der Wissenschaft differenziert man jedoch genauer und klassifiziert beide als eigenständig. Sprecher*innen beider Sprachen verstehen sich untereinander gut, wobei die jüngere Generation in Tschechien Slowakisch nur bedingt versteht.  

Als Teil der westslawischen Sprachfamilie ähnelt Slowakisch seinen Verwandten Tschechisch, Polnisch und Sorbisch in vielen Aspekten. Doch gerade in der Aussprache gibt es wichtige Unterschiede. Von vielen wird Slowakisch als ‚Slawisches Esperanto‘ bezeichnet, denn es ist die regelmäßigste der slawischen Sprachen.

Slowakisch wird in lateinischen Buchstaben geschrieben, versehen mit einigen diakritischen Zeichen wie dem Akut oder dem Hatschek. Damit werden Längen und Weichheit in der Sprache gekennzeichnet. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe, wie beim Tschechischen oder Niedersorbischen.  

Wie alle slawischen Sprachen flektiert das Slowakische stark, es gibt sechs Fälle und drei grammatische Geschlechter, wobei das Maskulinum zwischen belebt und unbelebt unterscheidet. Es gibt kein Artikelsystem wie im Deutschen.

Das Slowakische zeigt viele lexikalische Entlehnungen aus anderen Sprachen wie dem Ungarischen, Polnischen und Deutschen. Immer häufiger finden auch Anglizismen den Weg in die Sprache, was aber in allen Sprachen zu beobachten ist.

Die zahlreichen Dialekte gliedern sich in drei große Gruppen: Ostslowakisch, Mittelslowakisch und Westslowakisch. Außerdem gibt es im Grenzbereich zu Ungarn und in Teilen Serbiens und Kroatien kleine slowakischsprachige Gruppen.

Quellen

Gladrow, Anneliese. Slowakisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Die Region Lebus

Eine der 16 Woiwodschaften Polens ist Lebus, polnisch Województwo lubuskie, grenzt nicht nur an Deutschland, sondern hat auch eine lange gemeinsame Geschichte mit seinem Nachbarn.

Die historische ehemals deutsche Region ‚Neumark‘ wird von der heutigen Woiwodschaft Lebus fast vollständig umfasst. Im Norden grenzt Westpommern, im Osten Großpolen, im Süden Niederschlesien und im Westen Brandenburg. Die beiden wichtigsten Städte sind Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe) und Zielona Góra (Grünberg), in denen die Verwaltung angesiedelt ist.

Wie die Regionen links der Oder ist die Lebuser Region landschaftlich durch die letzte Eiszeit geprägt. Das Land ist durchzogen von Flüssen z.B. Warta (Warthe) und Odra (Oder), die sich zwischen viel Wald entlangschlängeln. Es gibt einige Naturschutzgebeite z.B. Nationalpark Warthemündung (Park Narodowy Ujście Warty) und den Landschaftsschutzpark Łagów (Łagowski Park Krajobrazowy), in denen zahlreiche Vogelarten beheimatet sind. Die Woiwodschaft ist eine der am dünn besiedelten Gegenden Polens. Die Industrie in den Städten und die Landwirtschaft sind neben dem langsam wachsenden Tourismus die Lebensgrundlage der Menschen, wobei der Tourismus immer mehr forciert und ausgebaut wird.

Erste Besiedlungen der Region fanden in der mittleren Steinzeit ca. 8000 v.Chr. statt. Mit aufkommender Landwirtschaft entstanden in der Jungsteinzeit Siedlungen, wahrscheinlich von germanischen Stämmen. Im vierten Jahrhundert n.Chr. war das Gebiet nicht besiedelt, erst im 6. Jahrhundert kamen slawische Stämme u.a. die Pyritzer und Lebuser und siedelten an den Flüssen.

Ab dem 10. Jahrhundert gehörte die Region zum polnischen Staat unter Mieszko I. aus dem Geschlecht der Piasten. Seit dieser Zeit verbreitete sich das Christentum unter den Slawen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gehörten Teile der Region zu christlichen Orden, zu Niederschlesien oder Großpolen. Die Besiedlung mit deutschen Siedlern in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fiel mit dem Herrschaftsbeginn des Hauses Brandenburgs zusammen. Das Einflussgebiet der Brandenburger wurde über die Region weiter ausgebaut.

Kriegsgeschehen wie der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und der Siebenjährige Krieg (1756-1763) ließen die Region wirtschaftlich und bevölkerungsmäßig ausbluten. Die Neuansiedlung und Gründung von Dörfern begannen zeitnah nach den Kriegen. Trotz der Rückschläge wurde das Gebiet im 18. und 19. Jahrhundert wirtschaftlich genutzt. Als Teil Preußens wurden die sumpfigen Gegenden trockengelegt und ein einfaches Verbindungsnetz zwischen den Siedlungen und Städte z.B. Berlin-Küstrin geschaffen, das weiter in Richtung Posen, Breslau oder Königsberg ging. Für große Industrieanlagen eignete sich der Untergrund jedoch kaum und so wanderten viele Menschen im 19. Jahrhundert in andere Industriezentren und Großstädte ab.

Nach dem Ersten Weltkrieg verblieb die Region bei Deutschland, wurde aber zur Grenzregion zwischen Deutschland und dem neu entstandenen Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschob sich die deutsch-polnische Grenze bis zur Oder. Die deutschen Bewohner wurde vertrieben und neue, aus dem Osten vertriebene, Polen angesiedelt.

Die Region blieb bis zum Ende des Kalten Krieges und der Öffnung der Grenzen wenig beachtet. Erst in den letzten Jahrzehnten konnte v.a. der touristische Wert der Region genutzt werden. Die zahlreichen Bauwerke wie Schlösser oder Burgen und dazugehörende Parkanlagen sind ein Schatz dieser Region. Die benachbarten Region Brandenburg und die Woiwodschaft Lebus arbeiten im touristischen Bereich intensiv zusammen. Die wasserreiche Region bietet Wassersportfans unzählige Möglichkeiten, auch Rad- und Wanderwege wurden ausgebaut.

Bekannte Personen aus der Region sind u.a. Johann von Küstrin (1513-1571), die Frauenrechtlerin Marie Juchacz (1879–1956), die Sängerin Maryla Rodowicz (*1945) und die Schriftstellerin Olga Tokarczuk (*1962).

Das Wappen der Woiwodschaft Lebus ist in Rot und Grün gespalten, mit einem silbernen Adler und zwei goldenen Sternen.

Quellen

Kling, Wolfgang & Lüderitz, Jörg. Neumark. Durch die alte Kulturlandschaft östlich von Oder und Neiße. Trescher Verlag, Berlin 2015

Rutkowski, Paweł (Hrsg.). Streifzüge zwischen Oder und Drage. Begegnungen mit der Neumark. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2012