Hebräische Schrift

In Europa sind, im weltweiten Vergleich, nur wenige Schriften verbreitet. Bis in die vorchristliche Zeit der Römer und Griechen gab es auf dem europäischen Kontinent wahrscheinlich gar keine Schriften. Die Sprachen hier griffen dann auf eine Variante der phönizischen Alphabetschrift zurück, die etwa vom 11. bis 5. Jahrhundert v. Chr. verwendet wurde. Über Handelsbeziehungen nutzten die Europäer, ganz vorne dabei waren natürlich die Römer und Griechen, die phönizische Schrift in veränderter Form.

Doch auch andere Sprachen nutzten Varianten der phönizischen Schrift. Bis heute sehr bekannt ist das hebräische Alphabet. Das Hebräische ist, wie das Phönizische, eine semitische Sprache, deren Buchstaben eng mit anderen Alphabetschriften verwandt ist. Die althebräische Schrift wurde im zweiten Jahrhundert n.Chr. von einer neueren Form abgelöst, der sogenannten Quadratschrift. Der Name geht auf die Schreibung der Buchstaben zurück, die in ihrer Größe und Form an Quadrate orientiert. 

Das hebräische Alphabet, verwendet seit etwa 300 v. Chr., bestand ursprünglich nur aus Konsonanten, geschrieben mit 22 Buchstaben, mit einigen Varianten für das Wortende. Buchstaben für Vokale gibt es nicht, doch werden Vokallaute durch Zeichen an den Konsonanten markiert (Aleph, He, Waw und Jod; die aber auch als Konsonanten fungieren). Die Lesenden müssen also wissen, wann welche Vokale stehen müssen. Das ist für Lernende eine große Herausforderung. Dafür gibt es keine Groß- oder Kleinschreibung. 

Anders als Schriften mit lateinischen oder kyrillischen Buchstaben schreibt man die hebräische Schrift von links nach rechts wie z.B. Arabisch. Auch Zahlen wurden mit hebräischen Buchstaben dargestellt, gemäß ihrer Position im Alphabet. Bei größeren Zahlen kommen Markierungszeichen zum Einsatz. Heute werden Zahlen aber mit arabische Ziffern geschrieben, deren Darstellung einfacher und überschaubarer sind.

Nun könnte man denken, dass das hebräische Alphabet nur für die hebräische Sprache verwendet wird. Dem ist aber wahrlich nicht so. Auch andere, verwandte wie nicht verwandte Sprachen schreiben in hebräischer Schrift. Neben dem modernen Hebräisch (Ivrit) nutzen auch Sprecher*innen anderer Sprachen wie Judäo-Arabisch oder Judäo-Berberisch (nicht semitisch, aber auch afroasiatische Sprachfamilie) die hebräische Schrift. Aber auch Sprachen, die nicht aus der semitischen Sprachfamilie stammen wie Jiddisch, Judäo-Persisch oder Ladino bedienen sich dieser Schrift, wobei sich die religiösen und sprachlichen Einflüsse des Hebräischen durchaus bemerkbar machen.

Vor allem das westgermanische Jiddische war in Europa über Jahrhundert sehr präsent, da Juden in allen Gegenden des Kontinentes lebten und sie Jiddisch neben der jeweiligen Landessprache im Alltag sprachen. Die schriftlichen Quellen zeigen das hebräische Alphabet mit einer angepassten Schreibung. Die Vokale werden mit eigenen Buchstaben dargestellt, die Schreibung war (meist) phonetisch.

Versuche, die Sprachen mit hebräischer Schrift in lateinische Buchstaben zu transliterieren, spielt meist nur als Lerneinstieg in die hebräische Schrift eine Rolle. Die Literatur wird fast ausschließlich in hebräischer Schrift gedruckt. Eine Ausnahme bildet das Ladino, das in hebräischer und lateinischer Schrift zu finden ist.

Quellen

Aptroot, Marion & Gruschka, Roland. Jiddisch-Geschichte einer Kultur einer Weltsprache. C.H.Beck München 2010

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift. C.H. Beck. München 2002

Kramer, Johannes & Kowallik, Sabine. Einführung in die hebräische Schrift. Buske, Hamburg 2017

Bildquelle

Bild von <a href=”https://pixabay.com/de/users/fotorieth-837884/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4115147″>Aritha</a> auf <a href=”https://pixabay.com/de//?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4115147″>Pixabay</a>

Litauisch

Der baltische Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie hat heute noch zwei lebende Sprachen: Lettisch und Litauisch. Die größere Sprache von beiden mit etwa 3 Millionen Sprechern ist das Litauische (litauisch lietuvių kalba), die außer in Litauen auch in Teilen Polens, Belarus, Lettlands und Russland gesprochen wird. Als Minderheiten-  bzw. Regionalsprache ist Litauisch außerdem in Lettland und der polnischen Woiwodschaft Podlachien anerkannt und seit Litauens EU-Beitritt im  Mai 2004 Amtssprache der EU.

Mit Sicherheit kann man sagen, dass Litauisch zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehört, doch wann und wie die Abspaltung abgelaufen ist, sorgt für Diskussionen. Manche Forscher*innen glauben, das sich das Baltische und das Slawische eine Zeitlang gemeinsam entwickelt haben, bevor sie sich voneinander abspalteten, die sogenannte balto-slawische Hypothese. Einiges spricht für diese These, anders dagegen. Doch für die Forschung eignet sich das Litauische in besonderem Maße, denn die alten Formen und Wortstämme des Indoeuropäischen haben sich hier sehr gut erhalten.

Schriftlich belegt ist Litauisch erst ab 1503, als Glosse eines Vaterunsers. Ob frühere Schriften gab, ist unklar, denn das Lateinische war als Kirchensprache etabliert und andere Texte wurden kaum angefertigt. Doch die vollständige Christianisierung der Litauer im 14. Jahrhundert waren aber Schriften für die Geistlichen nötig und die waren nicht immer dem Lateinischen mächtig. Also verfasste Martynas Mažvydas den Katechismus auf Litauisch, der 1547 gedruckt wurde.  Das erste Wörterbuch Polnisch- Latein-Litauisch entstand erst 1620. Die politischen Geschehnisse und vielen Kriege erschwerten die Etablierung der litauischen Literatursprache. Die Vorherrschaft des Russischen Reiches in weiten Gebieten der Litauer führte dazu, dass Litauisch in kyrillischen statt in lateinischer Schrift gedruckt wurde, was nur in geringer Akzeptanz resultierte. Die Rückkehr zur lateinischen Schrift erfolgte im Jahr 1905.

Die lateinische Schrift kann nicht alle Laute abbilden, also wurde es durch einige diakritische Zeichen ergänzt, die vor allem die Zischlaute und Vokallängen kennzeichnen.  Durch die vielen unterschiedlichen Grapheme kann Litauisch gut in einer phonetischen Schreibung (ein Laut = ein Buchstabe) abgebildet werden.

Ähnlich wie die verwandten Sprachen Sanskrit oder Latein ist das Litauische eine stark flektierende Sprache, die mit zahlreichen Affixen agiert. Es besitzt zwei Genera und zwei Numeri, wobei es alte Neutrumformen und Reste des Duals , vor allem in Dialekten, ausweist. Ähnlich wie die meisten slawischen Sprachen hat Litauisch sieben Fälle, die dialektal noch um Sonderfälle des Lokativs ergänzt werden. Die Verben können, je nach Tempora und Modus, entweder analytisch oder synthetisch gebildet werden. Die Wortstellung ist relativ frei, der Kontext daher entscheidend.

Der Wortschatz ähnelt zu großen Teilen dem indoeuropäischen und slawischen, ein Argument für die balto-slawische Hypothese, lässt aber auch Raum für zahlreichen “neuere“ Entlehnungen  aus den Kontaktsprachen wie u.a. dem Deutschen, Polnischen und Russischem. Auch Neuschöpfungen sind mit Hilfe von litauischen Linguisten entstanden, die den Einfluss der Kontaktsprachen zurückdrängen soll.

Das Litauische gliedert sich in zwei große Dialektgruppen: Niederlitauisch/ Žemaitisch und Hochlitauisch/Aukštaitisch, die sich in einem von Nordwest- nach Südostkontinuum erstrecken. Beide Gruppen können in viele Unterkategorien aufgeteilt werden.

Der literarische Schatz der Litauer wie Sagen, Mythen oder Volksliedern trifft man in allen Dialektgruppen in poetisch hoher Qualität und sie erfreuen sich damals wie heute großer Beliebtheit.  

Wichtige Persönlichkeiten der litauischen Sprache und Literatur sind  Mikkola, Basanavičius, Lebedys und viele andere mehr. Die Litauer sind stolz auf ihren Sprach- und Sagenschatz, der hier im deutschsprachigen Raum leider viel zu wenig bekannt ist. Ob sich das ändern lässt?

Quellen

Eckert, Rainer. Litauisch. In Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Baldauf, Lucia. Litauisch intensiv!: das Lehrbuch der litauischen Sprache. Baltica, Hamburg 1998

Rübezahl

Das Riesengebirge mit der Schneekoppe (tschechisch Sněžka, polnisch Śnieżka) als höchster Berg zwischen Polen und Tschechien beheimatet ein Wesen, das es in den Geschichten und Erzählungen der deutschen, polnischen und tschechischen Sagenwelt zu großer Bekanntheit gebracht hat: Rübezahl, polnisch Liczyrzepa, tschechisch Krakonoš.

Der Name ‚Rübezahl‘ entstammt laut Musäus einer Legende: Rübezahl entführte eine Königstochter, die ihm die Ehe unter der Bedingung versprach, dass er ihr die korrekte Anzahl der Rüben auf seinem Feld nennen könne. Bei Versuch sie zu zählen, floh die Königstochter. Der Name Rübezahl ist daher als Spottname zu verstehen. Ob diese Namensherleitung stimmt, ist fraglich. Die polnische Variante ‚Liczyrzepa‘ gleicht dem deutschen Namen (Liczy – zählen, rzepa -Rübe), aber auch die Bezeichnung ‚Duch Gór‘ dt. Berggeist ist überliefert, während der tschechische ‚Krakonoš‘ von Krkonoše – dt. Riesengebirge kommt. Andere Namenserklärungen aus der Zeit vor Musäus gehen von einem Namen aus, der sich auf das ursprüngliche Aussehen bezieht.

Ein Berggeist ist so unberechenbar wie das Wetter im Riesengebirge und wacht über die Wesen, die dort leben. Den Menschen gegenüber ist er ambivalent. Einige Geschichten erzählen von seiner Hilfsbereitschaft armen Menschen gegenüber und dem Zorn, der böse Menschen trifft. Sein lautes Lachen sollte weithin zuhören gewesen sein.

Die ersten schriftlichen Quellen stammen aus der Mitte des 16. Jahrhundert, die von einem Geist in den Bergen des Riesengebirges erzählen und die als erste Erwähnungen Rübezahls gelten. Häufig findet man alte Karten des Riesengebirges  mit dem Rübezahl als Wappen, auf dem er aber eher tierische Züge trägt. Ein Mischwesen mit Ziegenbeinen, Hörnern etc. aus verschiedenen Tieren, vielleicht als Kombination der verschiedenen Herrscher der Gegend oder als Zeichen des Bösen. Mit der Zeit wandelte sich sein Aussehen in eindeutig menschliche Züge als alter Mann mit Kutte, Bart und langen Haaren.

Johannes Praetorius umschrieb Rübezahl 1670 als dämonisches bzw. ein teuflisches Wesen, ganz im Sinne der beginnenden Hexenverfolgung. Das alte Wissen oder der Glauben an mythische Wesen, zu denen der ursprüngliche Rübezahl eindeutig gehört, wurde von der Kirche oft in Erzählungen als teuflisch bzw. böse verklärt, was die Gläubigen von diesem Glauben abbringen sollte.

In den Mythen und Legenden, vor allem der slawischen Mythologie, sind solche Riesen und Wald- und Bergwesen sehr häufig in unterschiedlichen Geschichten anzutreffen. Auch in anderen Bergregionen wie den Alpen kennt man solche Wesen z.B. Percht und Krampus.

Bis heute lebt in der Region um Harrachov in Tschechien die Legende des Rübezahls vor allem durch die zahlreichen geschnitzten Kunstwerke, deren Motivinspiration oft unverkennbar aus der Sagenwelt stammt. Doch auch auf polnischer Seite gibt es zahlreiche Orte z.B. Karpacz, die Rübezahl in ihrem kulturellen Erbe beherbergen.

Doch nicht nur in der Umgebung des Riesengebirges kennt man ihn, viele Geschichten, Gedichte und Märchensammlungen über Rübezahl haben ab dem 17. Jahrhundert in ganz Europa Verbreitung gefunden und die Faszination hält bis heute an. Auch die Filmindustrie hat sich ebenfalls intensiv mit Rübezahl beschäftigt. In Filmen ist er groß, stark und verteidigt seine Natur und die Tiere als Herr der Berge. 

Johann Karl August Musäus hat in der Mitte des 18. Jahrhunderts in seinen fünf Legenden über Rübezahl eine romantische Sicht auf den Herrn der Berge eingearbeitet. Seine Beschreibungen Rübezahls sind vielseitiger und viel weniger beängstigend als die von Praetorius. Viele Generationen von Kindern (und Erwachsenen) erlebten schon diesen angenehmen Schauer beim Lauschen der Geschichten von Rübezahl und es werden hoffentlich noch einige mehr!

Quellen

Musäus, Johann Karl August. Rübezahl: Legenden aus dem Riesengebirge. Vitalis-Verlag. Furth im Wald 2000

Ullrich Junker (Text), Izabela Taraszczuk (Übers.): Rübezahl – Rybecal (deutsch und polnisch). Bodnegg – Jelenia Góra 2003. 25 S., Beitrag auf der Website der Digitalbibliothek Jelenia Góra

Bildquelle

By Benutzer:Hejkal – The original description page was here. All following user names refer to de.wikipedia., CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9511718

Minderheitensprachen in Deutschland

Deutschland ist auf den ersten Blick ein sprachlich sehr homogenes Land. Die Amtssprache ist Deutsch, aber überall, egal wo man ist, hört man einen bunten Mix aus allen möglichen Sprachen. In meiner Heimatstadt Berlin findet man über hundert Sprachen neben Deutsch. In anderen Städten ist es ähnlich, wenn auch nicht so zahlreich.

Historisch gesehen leben in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum schon immer Sprecher*innen verschiedenster Sprachen. Laut der Verfassung Deutschlands ist das Sprechen der eigenen Sprache ein Grundrecht (§3 GG). Außerdem sind in Deutschland sieben Sprachen als Minderheits- bzw. Regionalsprachen anerkannt. Diese Anerkennung beruht auf der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992, die in Deutschland seit 1999 umgesetzt wird. Die Charta zielt auf den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen als Bestandteil des europäischen Kulturerbes ab und soll über nationale Grenzen hinweg für den Zusammenhalt und den Frieden innerhalb Europas sorgen. Nicht alle Länder haben die Charta anerkannt bzw. setzen sie um, da sie nicht rechtlich bindend ist.

Welche Sprachen in welche Kategorie fällt z.B. Minderheit- oder Regionalsprache, ist in der Charta geregelt. Der Schutz der jeweiligen Sprache beschränkt sich meist auf die Bundesländer, in denen die Sprache gesprochen wird. Außerdem unterscheidet man den Schutzstatus in den Abschnitten II und III (Ziele und Maßnahmen), wobei Abschnitt II eher allgemein gehalten ist und Abschnitt III Bereiche wie u.a. das Bildungswesen und Verwaltung regelt, die zur Verbesserung der Sprachsituation entscheidend sind.

Die in Deutschland anerkannten Minderheiten- bzw. Regionalsprachen sind (in alphabetischer Reihenfolge): Dänisch, Niederdeutsch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Obersorbisch, Romanes und Saterfriesisch.

Dänisch: Minderheitensprache in Schleswig-Holstein, ca. 50.000 Sprecher*innen, werden „dänische Südschleswiger“ genannt, Schutzumfang II und III

Niederdeutsch: Regionalsprache in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt mit Schutzumfang II und Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und Niedersachsen mit Schutzumfang III, ca. 5 Mio Sprecher*innen

Niedersorbisch: Minderheitensprache in Brandenburg, 7.000 Sprecher*innen in der Niederlausitz, Schutzumfang II und III

Nordfriesisch: Minderheitensprache in Schleswig-Holstein, 8.000–10.00 Sprecher*innen, Schutzumfang II und III

Obersorbisch: Minderheitensprache in Sachsen, 20.000–25.000 Sprecher*innen in der Oberlauitz, Schutzumfang II und III

Romanes: Minderheitensprache, unterschiedlicher Status je nach Bundesland Schutzumfang II oder III, ca. 100.000 Sprecher*innen (in Dtl.)

Saterfriesisch: Minderheitensprache in Niedersachsen rund um Cloppenburg, 1500 bis 2500 Sprecher*innen, Schutzumfang II und III

Je nach Schutzumfang haben die Sprecher*innen der jeweiligen Sprachen Möglichkeiten ihre Sprache im Alltag z.B. in amtlichen Belangen zu verwenden, die Bundesländer müssen Teile des Schulunterrichtes in der Minderheiten- bzw. Regionalsprache anbieten, es gibt finanzielle Hilfen für Projekte oder Vereine, die sich der Sprachpflege widmen, die Straßenbeschilderungen müssen zweisprachig sein, die Ausbildung von Sprachlehrern muss gewährleistet sein usw.

Der Status der Minderheiten in Deutschland war historisch gesehen immer eher schlecht. Die Bildung eines Nationalstaates im 19. Jahrhundert hat dazu geführt die kulturelle Vielfalt des Landes zugunsten einer homogenen Gesellschaft zu unterbinden. Ein Land mit unterschiedlichen Ethnien, Sprachen etc. wurde als schwierig zu regieren angesehen. Auch heute stehen Minderheiten vor der Frage wie sie ihre Identität leben können, die meisten Angehörigen einer Minderheit fühlen sich auch Deutsche. Von Rechtswegen stehen ihnen viele Möglichkeiten der Förderung offen. Praktisch gesehen müssen sie aber oft um die Wahrnehmung ihrer Rechte als Minderheit kämpfen.

In den letzten Jahrzehnten haben sich zum Schutz der Minderheitensprachen viele Interessensgemeinschaften gebildet. Sie profitieren von der Umsetzung der Charta, erhalten Förderungen und tragen maßgeblich zum Erhalt der Minderheitensprachen in Deutschland bei.

Das Ziel, die Minderheitensprachen zu erhalten und damit auch die Kultur und Traditionen der Minderheiten, steht an erster Stelle. Davon profitieren nicht nur die Sprecher*innen, sondern die ganze Bevölkerung der jeweiligen Region, denn es soll zu keiner Isolierung der Minderheiten kommen. Ein friedliches und kommunikatives Miteinander ist die Basis für die Akzeptanz und Integration der verschiedenen Kulturen innerhalb des Staates.

Quellen

Beyer, Rahel & Plewnia, Albrecht (Hrsg.). Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen 2020

Wirrer, Jan (Hrsg.). Minderheiten- und Regionalsprachen in Europa. Westdeutscher Verlag, Opladen 2000

Florian Ceynowa

Die Kaschubei, ein Gebiet südwestlich von Danzig, ist die Heimat der Kaschuben, eine ethnische Minderheit in Polen. Sie sprechen Kaschubisch, eine nah mit Polnisch verwandte westslawische Sprache. Als Minderheit mussten sie schon immer um ihre Rechte kämpfen. Der bekannteste Kaschube ist Florian Ceynowa, der sich nicht nur für die Rechte der Kaschuben einsetzte, sondern auch die kaschubische Schriftsprache normierte und Werke auf Kaschubisch veröffentlichte.

Florian Stanisław Wenanty Ceynowa (kasz. Florión Cenôwa) wurde am 4.5. 1817 in Sławoszyn, einem Dorf im Kreis Puck, geboren. Er stammte aus einer kinderreichen Bauernfamilie, besuchte die Dorfschule und wechselte 1830 auf das Gymnasium in Chojnice (dt. Chojnitz). Die klassische Schulbildung beinhaltete vor allem das Studium der alten und modernen Sprachen. Ceynowa begeisterte sich sehr für Literatur, gehörte auch dem  Literaturzirkel “Polonia” an. Durch die Entfernung zu seinem Heimatdorf lebte er ohne die Eltern die Schulzeit über in Pensionen. 1841 schloss er die Schule ab und begann ein Philisophiestudium in Wrocław (dt. Breslau), wechselte aber zum Jahresbeginn 1843 an die medizinische Fakultät. Trotz Stipendien hatte Ceynowa immer wieder finanzielle Probleme.

In Wrocław kam er mit dortigen Größen der Slawistik in Kontakt und trat verschiedenen slawistischen Gesellschaften bei. Im Juni 1843 veröffentlichte er seinen Aufsatz „Die Germanisierung der Kaschuben“, der mehrmals nachgedruckt wurde. Es folgten weitere kleinere Schriften in kaschubischer Sprache über kulturelle Aspekte der kaschubischen Kultur. Im August 1843 wechselte Ceynowa an die Königsberger Universität, wo er sein Medizinstudium fortsetzte und als Militärarzt arbeitete.

Er kam in Königsberg mit revolutionären Kräften in Berührung, die sich gegen die preußische Regierung zusammenschlossen. Im 1846 war Ceynowa Teil des Aufstandes gegen die preußischen Machthaber, wurde verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt, gegen das er mit seiner Flucht nach Kartuzy (dt. Karthaus) verstieß. Inhaftiert in Berlin-Moabit wurde er zum Tode verteilt, 1848 aber vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. begnadigt.

Die Leidenschaft für die kaschubische Kultur und Sprache ließen Ceynowa nicht los. Noch in der Haft korrespondierte er mit der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde in Szczecin (dt. Stettin), die er mit Informationen über die Kaschuben versorgte und sich den Ruf eines Experten auf diesem Gebiet.

1851 promovierte Ceynowa in Berlin, trat eine Stelle in Bukowiec, einem Dorf in Kujawien-Pommern, geriet aber in rechtliche Schwierigkeiten, wahrscheinlich aufgrund eines Behandlungsfehlers. 1855 kaufte er einen Bauernhof in Bukowiec und dort arbeitete als Landwirt. Nebenbei führte er eine kleine Apotheke und lebte mit Rozalia Tarnowska zusammen, die vier Kinder von ihm bekam.

Das Leben auf dem Land und das Familienleben brachten Ruhe in Ceynowas Leben, er reiste viel u.a. in die Lausitz und nach Prag und schrieb zahlreiche Abhandlungen. Sein größtes Interessengebiet blieb immer die Kaschubei, ihre Kultur und Sprache.

Während des Januaraufstands 1863-1864 stand Ceynowa wieder mal unter Beobachtung der preußischen Behörden, wohl wegen seiner politischen Ansichten und der Ereignisse zu Studienzeiten.

Die literarische Arbeit Ceynowas reicht von Übersetzungen religiöser Texte, Liederbüchern über Wörterbücher, Beschreibungen der kaschubischen Bräuche bis hin zu politischen Schriften zur Eigenständigkeit der Kaschuben als Volksgruppe. Die meisten seiner Schriften erschienen in kaschubischer Sprache. Wer sich für die Kaschuben und ihre Sprache interessiert, kommt an Florian Ceynowa nicht vorbei! Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass er keine Ausbildung auf den Gebieten der Sprachwissenschaft oder Ethnografie hatte, doch sein Interesse und Eifer glichen das aus.

Die Verehrung, die ihm heute zuteilwird, hat er nicht mehr miterlebt. Zu Lebzeiten wurden seine patriotischen Ansichten und Bemühungen nicht ernstgenommen. Er starb am 26.03.1881 in Bukowiec an einem Herzinfarkt.

Das heutige Interesse an den Kaschuben und ihrer Kultur stützt sich im großen Maß auf die Arbeit Ceynowas. Straßen, Schulen und vieles mehr sind nach dem „kaschubischen Erwecker“ benannt.

Die kaschubische Sprache ist vom polnischen Staat mittlerweile als Regionalsprache anerkannt, sie wird in der Kaschubei als Unterrichtssprache genutzt, die Beschilderung der Straßen ist zweisprachig und immer mehr Kaschuben nutzen ihre Sprache auch wieder im öffentlichen Raum, was zeigt wie stolz sie darauf sind.

Die Erinnerungen an Florian Ceynowa werden von den Kaschuben lebendig gehalten und auch in der slawistischen Forschung greift man oft auf seine Schriften zurück. Sein Lebenswerk lebt weiter und wird von immer mehr Forschern ausgebaut.

Quellen

Majkowski, Aleksander. Geschichte der Kaschuben. Dienstl. Uebers Berlin-Dahlem: Publikationsstelle 1938

Neureiter, Ferdinand. Geschichte der Kaschubischen Literatur. Versuch einer zusammenfassenden Darstellung (= Slavistische Beiträge; 272) Verlag Otto Sagner, München 1991

Bildquelle

Von Artur Andrzej – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27456772

Volapük

Heute schon fast in Vergessenheit geraten, entstand zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Plansprache, die großes Aufsehen und (in der ersten Zeit) eine große Anhängerschaft gewann: Volapük, eine auf europäischen Sprachen wie Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Russisch basierenden Sprache (Aposteriori-Plansprache), dessen Name sich aus den englischen Worten ‚world‘ und ‚speak‘ zu ‚Weltsprache‘ zusammensetzt.

Im Jahr 1879, also einige Jahre vor Esperanto, stellte sein Erfinder Johann Martin Schleyer sie der Öffentlichkeit vor. Seine Idee, eine Sprache zur Verständigung der Völker, vereint alle weiteren Plansprachen miteinander. Volapük verbreitete sich schnell auf der Welt, es sollen in den ersten Jahren 1 Mio. Menschen gesprochen haben (verlässliche Quellen gibt es keine). Zur Verbreitung bildete man Volapük-Lehrer aus, etwa 900 gab es, die in Vereinen organisiert waren.

Schleyer schrieb Grammatiken und Wörterbücher, Zeitungen berichteten über diese neue Sprache und 1881 erschien sogar eine eigene Volapük-Zeitschrift. Schleyers Dominanz, die Ursprünglichkeit seiner Idee und die Sprachentwicklung in seinen Händen zu halten, wirkte sich ungünstig auf die Verbreitung aus.

Das Alphabet besteht aus 27 Buchstaben, geschrieben wird in lateinischer Schrift. Die Aussprache orientiert sich stark am Deutschen, einige Ausnahmen wie <c> als stimmloses /tʃ/ oder <j> als stimmhaftes /ʃ/ bzw. /ʒ/ tragen eindeutig englische Züge.

Morphologisch betrachtet ist Volapük eine agglutinierende Sprache, d.h. die Wörter werden durch das Anhängen von Vor- und Nachsilben gebildet. Das hat den Nachteil, dass die Begriffe immer länger werden, je komplexer ihre Bedeutung ist. Dabei haben bestimmte Silben eine feste Funktion, z.B. zeigt die Endung -ön eine Verbgrundform (Infinitiv) an oder die Vorsilbe ji- ein feminines Nomen.

Wie im Deutschen besitzt Volapük 4 Kasus, das ist für Sprecher*innen anderer Sprachen z.B. des Russischen leichter, aber für z.B. englische Sprecher*innen schwerer zu erlernen. Komplexe Nomen können durch Zusammensetzung erzeugt werden, nach deutschem Vorbild. Die Konstruktion des Wortschatzes ist durch strikte Regel vereinheitlicht. So beginnen und enden Nomen immer auf Konsonanten, Zahlen ebenfalls mit alphabetisch verteilten Vokalen (1 bal, 2 tel,3 kil …).

Die Vielzahl an Regeln in allen Bereichen der Sprache erschwert dem Lernenden den Zugang zur Sprache. Aber Schleyer, der selbst viele Sprachen sprach und sich fortwährend mit neuen Sprachen und Dialekten beschäftigte, versuchte bestimmte Schwierigkeiten z.B. in der Aussprache von Beginn an zu vermeiden, weil er allen Menschen das Erlernen ermöglichen wollte. Wobei gerade die enthaltenen Umlaute für viele Sprecher*innen schwer sind.

Nicht nur die Regeln sind kompliziert, auch die eigentliche vorgesehene Ähnlichkeit des Wortschatzes zu den zugrunde liegenden Sprachen ist kaum zu erkennen, sodass Volapük sehr abstrakt ist, anders als z.B. Esperanto, dessen Wortschatz gut zu erkennen ist. Entlehnungen oder Internationalismen werden im Volapük kaum zugelassen oder sehr stark verändert.

Die heutige Bedeutung von Volapük ist kaum nennenswert, ebenso wie die Sprecherzahl. Schon kurz nach dem Erscheinen des Esperantos haben sich die meisten Anhänger*innen des Volapüks der Esperantogemeinschaft angeschlossen, die bis heute aktiv ist. Das historische Erbe des Volapüks wird zwar noch von einigen gepflegt, aber im allgemeinen Gedächtnis der Menschen ist es verschwunden.

Doch das Besondere an Volapük als Wegbereiter auf dem Gebiet der Plansprachen, seine große Verbreitung in den ersten Jahren und die Idee der Völkerverständigung durch Sprache, lohnt die Erwähnung.  

Quellen

Blanke, Detlev. Interlinguistische Beiträge: zum Wesen und zur Funktion internationaler Plansprachen. Frankfurt am Main 2006

Schleyer, Johann Martin. Volapük, die Weltsprache: Entwurf einer Universalsprache für alle Gebildete der ganzen Erde. Olms, Hildesheim 1982

Sachsen

Das Bundesland Sachsen, wie wir es heute kennen, kann auf eine lange Geschichte im Herzen Europas zurückblicken. Sachsen liegt im Osten Deutschlands, es grenzt an Tschechien und Polen und hat eine vielfältige Landschaft, die von flach bis gebirgig reicht. Die bekanntesten Städte sind Dresden, Leipzig, Bautzen und Meißen.

Die ersten Funde menschlicher Anwesenheit reichen bis in die Altsteinzeit zurück, erste Siedlungsfunde stammen aus der Jungsteinzeit. Dabei lassen sich verschiedenartige Einflüsse z.B. von Kelten oder Slawen feststellen. In der Zeit der Völkerwanderung (ca. 375/376 n.Chr.) entbrannte Kämpfe um das sächsische Gebiet zwischen v.a. germanischen Stämmen. Im 6. Jahrhundert war das Gebiet des heutigen Sachsen geteilt, der Süden war fränkisch, der Norden sächsisch. Doch die Franken verloren ihre Gebiete schnell wieder an die Sorben, die sie bis heute besiedeln. Unter Karl dem Großen gerieten die Sorben unter die Tributpflicht, blieben jedoch weitgehend eigenständig. Die vorschreitende Christianisierung der Stämme rund um Elbe und Saale fand um das 10. Jahrhundert statt.

Im Mittelalter blühte der Handel, die Elbe und andere kleine Flüsse waren dabei wichtige Wirtschaftswege. Der wichtigste Wirtschaftszweig Sachsens war im Mittelalter der Erzabbau.

Ab dem 12. Jahrhundert taucht der Name des Hauses Wettin in den Quellen auf, der über lange Zeit mit Sachsen verbunden bleiben wird. Auch die Adelsgeschlechter der Welfen, Askanier u.a. spielten eine wichtige Rolle im sächsischen Herrschaftsgebiet. Die Kurwürde erlangte Sachsen unter der Herrschaft der Askanier.

Die Reformation zu Beginn des 16. Jahrhunderts begann in Sachsen, das im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) mehrfach die Seiten wechselte und sich nach 1635 neutral verhielt. Nach dem Krieg blühten der Handel und das kulturelle Leben in Sachsen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts geriet es immer mehr unter Druck, denn seine Lage zwischen den europäischen Großmächten wie Österreich oder Preußen ließ keine Neutralität zu. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Kurfürstentum Sachsen zum Königreich Sachsen, geriet aber ab 1871 als Bundesstaat innerhalb des Deutschen Kaiserreiches zunehmend unter preußische Kontrolle und wurde nach dem Ersten Weltkrieg in die Weimarer Republik eingegliedert.

Ähnlich wie in der Niederlausitz hat sich in der Oberlausitz, also an der Grenze zu Brandenburg, das Volk der Sorben ihren Platz als ethnische Minderheit behauptet. Als Nachfahren eines westslawischen Stammes haben sie nicht nur ihre eigene Kultur und Sprache bewahrt, sondern sich ihre Rechte auch auf gesetzlicher Ebene schützen lassen.

In Sachsen werden zahlreiche Dialekte, vor allem ostmitteldeutsche, gesprochen. Doch jede Region hat ihre spezifischen Varietäten z.B. im Erzgebirge.  Das heutige Neuhochdeutsch ist historisch aus den Dialekten Sachsen entstanden. Die wurde durch die Dichte an Städten und Bildungseinrichtungen unterstützt, die zu Luthers Zeiten in ganz Europa einen besonderen Ruf genossen. Noch heute profitiert der Tourismus von den reichen Kulturschätzen wie der Semperoper in Dresden oder der Moritzburg. Zahlreiche Veranstaltungen für Kunst und Musik werden jährlich veranstaltet. Andererseits biete Sachsen eine Vielzahl an Naturschätzen, die von Touristen besucht werden, z.B. die Sächsische Schweiz.

Namen wie August der Starke, Clara Schumann, Erich Kästner, Sigmund Jähn, Handrij Zejler, Gottfried Wilhelm Leibniz sind nur einige Beispiele für die vielen Sachsen, die sich durch Kunst, Wissenschaft oder Herrschaft einen Platz im historischen Gedächtnis Sachsens erarbeitet haben.

Das Wappen Sachsen zeigt das Familienwappen der Askanier, deren Laubkranz auf eine Begegnung mit Kaiser Barbarossa Mitte des 12. Jahrhunderts zurückgeht.

Quellen

Kroll, Frank-Lothar. Geschichte Sachsen. C.H. Beck. München 2014

Raßloff, Steffen. Kleine Geschichte Sachsens. Rhino, Ilmenau 2018

Mein Jahresrückblick 2022

2023 geht’s wieder mehr bergauf!

Puh, das Jahr ist rum und wie immer ist es gerannt! Als ich vor anderthalb Jahren anfing zu bloggen, war das Ganze eher eine Experiment. Ich wollte mich ausprobieren, besser und schneller schreiben. Es gibt mehr als genug interessante Themen, in die ich tiefer eintauchen wollte bzw. immer noch will. Doch dieser Blog ist mehr Arbeit als ich es zu Beginn dachte! Zusätzlich zur Arbeit und der Uni habe ich mir hier ein Riesenprojekt angelacht, doch ich muss sagen: Bis jetzt hat es sich für mich mehr als gelohnt. Nicht nur, dass ich meine Schreibfähigkeiten stetig weiterentwickle, die beste Fähigkeit ist eigentlich sich kurz zu fassen, ich habe auch durch das Schreiben eine Routine entwickelt. Vor allem die Anfänge der Artikel sind der Knackpunkt, habe ich den überwunden, schreibe ich eher zu viel und muss dann nochmal kürzen. Wer kennt das nicht?

Thematisch war das letzte Jahr so verschieden wie die Welt. Meine Planung im Januar 2022 hatte nach einigen Wochen an Gültigkeit verloren, denn die Weltgeschehnisse veränderten meine Perspektive und meine Prioritäten. Die Unsicherheit der politischen Situation in Europa ließen mich am Sinn dieses Blogs zweifeln, auch am Sinn meines Studiums. Doch ich bin von Hause aus ein sehr pragmatischer Mensch, angefangene Dinge machen ich zu Ende und mit der Unsicherheit lernte ich zu leben, auch wenn sie oft meine Gedanken beherrschte.

Jede Woche einen Artikel zu schreiben kostet mich viel Zeit. Von der Idee, über die Recherche und Das Schreiben bis hin zum fertigen Artikel vergehen schon einige Stunden, je nachdem wie gut ich schon im Thema stehe. Da ich zeitlich oft knapp dran bin, schaffe ich es so gut wie nie Artikel auf Vorrat zu schreiben. Dafür habe ich einfach zu viel anderes zu tun. Ich habe aber das Glück, mein Studium und diesen Blog verknüpfen zu können, was mir viel bedeutet. Mein Ziel war meine Interessen auch für andere interessant zu machen, vor allem Themen, die eher Randthemen sind. Meine Leidenschaft für slawische Sprachen und Kulturen beinhaltet aber so viel mehr. Der Themenkreis erweitert sich mit jedem neuen Thema.

Das letzte Jahr habe ich genutzt den Blog mit einer Struktur aufzubauen, die mir logisch und sinnvoll erscheint. Die einzelne Rubriken füllen sich nach und nach, neue Rubriken kommen hinzu oder werden umsortiert, wenn ich mal wieder die Struktur umwerfe.

Ich freue mich auch über die wachsende Anzahl an Kommentaren, also kommentiert gerne und schreibt mir eure Meinung!

Das Jahr 2023 wird ein wichtiges für mich. Ich möchte meine Bachelorarbeit schreiben und einige Sprachkenntnisse erweitern und festigen. Genauere Pläne gibt es heute, an Neujahr, noch nicht. Aus Erfahrung weiß ich, dass Neujahrsvorsätze eh nur selten den Januar überleben.

Ich wünsche euch allen ein frohes neues Jahr 2023!

Swantewit – der Gott vom Kap Arkona

Rügen war lange Zeit ein kulturelles und religiöses Zentrum der Slawen, vor allem der Ranen, einem westslawischen Stamm auf Rügen und der angrenzenden Küste, der Polabisch sprach. Am Kap Arkona stand eine Statue des obersten Gottes Swantewit. Sein Name leitet sich wahrscheinlich vom slawischen ‚svet‘- ‚heilig‘ und ‚-vit‘- ‚Herrscher‘ ab und damit ist er schon vom Namen her der mächtigste aller Götter (in diesem Kulturkreis). Je nach Quelle findet man auch andere Schreibweisen z.B. Svantovit, Svantevit oder Sventevit.

Swantewit ist der Kriegsgott, dargestellt mit vier Köpfen, die in jede Himmelsrichtung schauen. Wahrscheinlich war jeder der Köpfe mit einer Farbe assoziert (Norden weiß, Westen rot, Süden schwarz und Osten grün) und symbolisieren die Allgegenwärtigkeit des Gottes. Die Statue des Swantewit im Tempel auf Rügen wurde 1168 bei der Eroberung durch die Dänen unter König Waldemar zerstört. Jüngere Ausgrabungen auf Rügen brachten teilweise Funde wie Waffen oder Münzen zum Vorschein, die den Standort und das Datum der Tempelzerstörung untermauern.

Der 1168 mitgereiste Chronist Saxo Grammaticus beschrieb die Heiligtümer der Ranen und war von der Statue Swantewits beeindruckt. Er beschrieb ihn als riesig, mit vier Köpfen und zwei Hälsen. Die Haare und die Bärte waren sorgsam frisiert, der Gott trug ein Trinkhorn. Sein Unterkörper schien mit dem Boden verschmolzen. Weitere Attribute wie Schwert, Sattel und Zaumzeug kennzeichnen seine Aufgabe als Kriegsgott. In dem Tempel lebte wohl auch ein Pferd, das in vielen Mythen einem Kriegsgott zu Seite gestellt wurde. Hier zeigen sich Überschneidungen zur nordischen Mythologie.

Im Tempel auf Rügen waren Priester für die Pflege der Anlage und die Opfergaben zuständig. Swantewit wurde oft für Weissageungen angerufen, Met und Honigkuchen galten dabei als wichtigste Utensilien. Regelmäßig brachten die Menschen Opfergaben, die im Tempel aufbewahrt und von Kriegern bewacht wurden. Die Weissagungen gaben Auskunft über den Ernteerfolg und das Kriegsgeschehen.

Der Tempel am Kap Arkona stand auf der Jaromarsburg, von der nur noch Überreste zu erkennen sind. Grund dafür sind die häufigen Abbrüche der Rügener Küste. Doch nicht nur auf Rügen wurde Swantewit verehrt. Auch an der Ostseeküste vor Rügen wurde vereinzelt Abbilder gefunden, die der Statue auf Rügen stark ähneln. Andere weiter entfernte Funde z.B. in Polen, können nicht eindeutig dem Swantewit-Kult zugeordnet werden. Forscher zweifeln eine weitere Verbreitung an bzw. überschneiden sich die Kulturkreise in Richtung anderer Slawenstämme und Baltikum. Eine Möglichkeit, wie Figuren oder Abbilder mit ähnlichem Aussehen in weit entfernten Gebieten kommen konnten, wäre Handels- oder Verschwandtschaftsbeziehungen der slawischen Stämme.

Im Vergleich mit anderen slawischen Kulten ist der Machtbereich Swantevits ähnlich wie der des Gottes Perun, der aber kaum im Ostseeraum verehrt wurde, sondern eher im polnischen und tschechischen Raum bis hin nach Bulgarien.  

Die heutige Forschung der slawischen Mythologie und Götterwelt wird durch die mangelnde Datenlage erschwert. Wir müssen uns auf archäologische Funde und die Schriftquellen, meist christlicher Chronisten verlassen, die den heidnischen Göttern kaum Sympathie entgegenbrachten. Auch die unterschiedlichen Namen und die verschiedenen Zuschreibungen der Attribute und Aufgaben machen eine klare Zuordnung schwierig.

Doch die gerade diese Vielfältigkeit der Gottheiten und Kulte weist auf die kulturelle Vielfalt der Slawen hin. Anders als die Chronisten oft berichten, gelten strenge Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die das Leben der Slawen regelten. Ihre Götter waren ihnen dabei genauso wichtig wie anderen „hohen“ Kulturen.

Quellen

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1992

Grimal, Pierre (Hrgs.). Mythen der Völker 3. Fischer, Frankfurt am Main: Fischer 1967

Glagolica – die Schrift Kyrills

Codex Assesmanianus

Viele Sprachen der Welt kennen keine Verschriftlichung. Doch was tut man, wenn man eine schriftlose Sprache verschriftlichen will? Meistens verwendeten die Menschen dann eine Schrift aus anderen Sprachen. Doch diese Schrift hat den oft Nachteil nicht für alle Laute der „neuen“ Sprache Schriftzeichen zu besitzen.

Genau vor diesem Problem stand der Missionar Kyrill von Saloniki (oder Konstantin von Saloniki), der unter anderem in Mähren unterwegs war und eine Schrift für die slawischen Sprachen brauchte, die bis dahin über keinerlei Schrift verfügten. 863 n. Chr. nutzte er das griechische Alphabet dabei als Basis, entwickelte sie aber grundlegend weiter. Er ließ auch Elemente anderer Schriftsystem einfließen z.B. aus semitischen Schriften. Kyrill betonte stets die Eigenständigkeit der Schrift, sie ist also keine reine Kopie der vorherigen Schriften.

Wie die Vorgängerschriften der Phönizier und Griechen ist auch die glagolitische Schrift eine Buchstabenschrift, d.h. es liegt (meist) jedem Buchstaben ein Laut zugrunde. Die Buchstaben sind dabei arbiträr, lassen also vom Aussehen nicht auf die Aussprache schließen.

Die glagolitische Schrift verschriftliche als erstes Altbulgarisch und Mazedonisch, vor allem Bibelübersetzungen und andere religiöse Texte, später auch das offizielle Altkirchenslawisch (eine Form des Altbulgarischen). Eine Besonderheit der Schrift ist die Möglichkeit mit ihr auch Zahlen darstellen zu können. Dabei entspricht der Zahlenwert der Stellung des Buchstaben innerhalb des Alphabets.

Bis heute sind zwei unterschiedliche glagolitische Schreibformen bekannt: die ältere, runde, bulgarische Form, die im 10. und 11. Jahrhundert genutzt wurde; und die eckige, kroatische Form, die erst ab dem späten 11. Jahrhundert belegt ist. Die Verbreitung der Glagolica konkurrierte mit der aus ihrer entwickelten kyrillischen Schrift, die zum Ende des 9. Jahrhunderts aufkam. Vor allem im kroatischen, serbischen und bosnischen Raum konnte sich die glagolitische Schrift bis ins 12. Jahrhundert gegen die kyrillische Schrift behaupten. In den Gebieten, die westslawische Sprachen sprechen, wie Polen oder Tschechisch, sah sich das Glagolitische mit der lateinischen Schrift konfrontiert. In ostslawischen Gebieten setzte sich bis zum 12. Jahrhundert das Kyrillische durch, sodass die Abspaltung der orthodoxen von der katholischen Kirche auch in den Schriften sichtbar ist. Aber anders als das Kyrillische wurde die Glagolica ausschließlich für slawische Sprachen verwendet.

Bekannte Werke in der älteren, runden Form sind die „Kiewer Blätter“ und der „Codex Assemanianus“ (ca. Ende des 10. Jahrhunderts), die Gebete und religiöse Texte enthalten. In der eckigen Glagolica sind beispielsweise die „Prager Blätter“ und der „Dimitar-Psalter“ (ca. Ende des 11. Jahrhunderts) erhalten, die neben religiösem Inhalt auch Heilmittelrezepte enthalten.

An den erhaltenden Schriftstücken kann man die Motivation Kyrills ablesen. Es gibt so gut wie keine weltlichen Themen in den Texten. Damit bleibt die glagolitische Schrift, ganz in Kyrills Sinn, eine Schrift der Religion und der Kirche. Er schuf die Schrift nicht aus Liebe zu den slawischen Sprachen, sondern als pragmatische Lösung zur Sicherung seines Missionserfolgs. Die Spaltung der slawischen Kirche, orthodox und katholisch, lässt sich an der Verwendung der jeweiligen Schrift, glagolitisch oder kyrillisch, gut erkennen.

Heute kann man vor allem in Kroatien ein wachsendes Interesse an der Glagolica beobachten als Verzierung jeglicher Art und auf Denkmälern. Ihren Staus als Schriftsprache wird sie aber kaum wieder erlangen.

Quellen

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift. Beck, München 2002

Miklas,Heinz. Die slavischen Schriften: Glagolica und Kyrillica. In: Der Turmbau zu Babel. Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift. Band 3: Schrift. Teilband: A. Kunsthistorisches Museum u. a., Wien 2003

Bildquelle

Codex Assemanianus, Von Unknown; probably some scribes from Ohrid Literary School in 10th century – http://kodeks.uni-bamberg.de/AKSL/Texte/AssemanianusFacs1.htm,