
Von den schätzungsweise 7000 Sprachen, die es weltweit gibt, werden es mindestens die Hälfte (manche sprechen sogar von 90%) nicht ins nächste Jahrhundert schaffen. Die Gründe dafür sind vielfältig, z.B. Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft, Vertreibung aus dem angestammten Sprachgebiet usw.
Allgemein könnte man sagen: Je kleiner eine Sprache ist, desto schwieriger ist ihr Erhalt. Kleine Sprachen haben oft wenig Prestige im Vergleich zu den Mehrheitssprachen und verfügen prozentual gesehen weniger über eine Schrift, die ihr Bestehen zumindest schriftlich dokumentieren kann.
Der Verlust von Sprachen bedeutet aber nicht nur weniger Sprachen weltweit, sondern auch den Verlust von kleinen Kulturen, Traditionen und Identität der Sprecher*innen. Es gibt Sprachen wie das Lateinische, von der wir viel Wissen und die immer Sprecher*innen hatte, wenn auch nicht als Erstsprache. In anderen Fällen wie z.B. Sprachen in Südamerika, bei dem es weder Schrift noch andere dokumentierte Quellen gibt, haben wir keine Möglichkeit die Sprache zu erforschen. Der Verlust von Sprachen wurden vorsätzlich durch Vertreibung, Ermordung und Kolonisation der Sprecher*innen in Kauf genommen bzw. sogar forciert.
Die meisten heutigen Sprachwissenschaftler*innen haben ein anderes Bild von Sprachen. Sie interessieren sich grundsätzlich für alle Sprachen und bewerten sie nicht. Mittlerweile wird auch immer mehr versucht bedrohte Sprachen zu erhalten und die Sprecher*innenzahl zu stabilisieren. Dafür gibt es verschiedene Methoden, aber das wichtigste Mittel ist die politische Unterstützung in Form von Schutzgesetzen und finanziellen Hilfen z.B. zur Ausbildung von Lehrer*innen, Sichtbarkeit in den Medien wie Radio oder Fernsehen usw. Doch ohne das Engagement motivierter Menschen werden diese Hilfen langfristig nichts bringen.
Damit das jetzt nicht zu pessimistisch klingt und alle gleich die Flinte ins Korn werfen, wollen wir uns ein paar hoffnungsvolle positive Beispiele anschauen, von denen andere Sprecher*innengruppen lernen können. Das bekannteste Beispiel einer Revitalisierung ist das Ivrit, das moderne Hebräisch. Als der Staat Israel 1948 gegründet wurde, sprachen die Menschen viele verschiedene Sprachen. Sie kamen aus der ganzen Welt, um sich in Israel niederzulassen. Von oberster Ebene wurde die Verbreitung der Sprache gefördert. Heute sprechen es fast 10 Millionen Menschen in Israel.
Auch in anderen Teilen der Welt finden wir Revitalisierungsbemühungen. Die EU hat eine Charta zum Schutz der kleinen Sprachen geschaffen, in dem sich die Mitgliedsstaaten verpflichten für den Erhalt und die Pflege aller Sprachen zu sorgen. In Deutschland betrifft das die sogenannten anerkannten Minderheitensprachen Dänisch, Niederdeutsch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Romanes, Saterfriesisch und Obersorbisch. Die Menschen dürfen ihre Sprachen nicht nur sprechen, sondern haben auch Anspruch auf Bildung in ihrer Sprache. Das leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der meist sehr bedrohten Sprachen.
Einige wenige ausgestorbene Sprachen Europas sind durch den Einsatz einer weniger wiederbelebt worden. Dazu zählen unter anderem Manx, eine keltische Sprache, das auf der Isle of Man gesprochen wird. Heute gibt es eine Schule und viele Kindergärten, wodurch langsam eine neue Generation von Erstsprecher*innen heranwachsen kann. An einer Standardisierung der Schriftsprache wird momentan gearbeitet, denn sie bildet die Grundlage für Lehrbücher und andere Veröffentlichungen.
Ein zweites Beispiel ist Kornisch, ebenfalls eine keltische Sprache, die in Cornwall beheimatet ist. Hier wurde zur Rettung der Sprache ein künstlicher Standard geschaffen. Das heutige Kornisch ist dementsprechend anders als das ursprüngliche, ähnlich wie beim Ivrit. Mittlerweile kann man kurze Radiobeiträge in Kornisch hören, außerdem gibt es fakultativen Unterricht. Anders als bei Manx sind die kleinen Gruppen untereinander zerstritten, wenn es um linguistische Fragen und Sprachneuerungen geht. Das schwächt ihre Position und bremst die Revitalisierung aus.
Ob sich viele bedrohte Sprachen retten lassen, ist nicht vorherzusehen. Es braucht viel Engagement, Zeit und vor allem politischen Willen, um solche Projekte umzusetzen. Das Wichtigste ist den Menschen ihre Sprache nutzbar zu machen, damit sie sie im Alltag sprechen und sich nicht gezwungen fühlen die Mehrheitssprache zu verwenden!
Quellen
Haarmann, Harald. Lexikon der untergegangenen Sprachen (= Beck’sche Reihe. 1456). Beck, München 2002
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen: Gesamtverzeichnis