Der Bauer Hanzo Njepila aus Rohne, der für seine Zeit ein eher ungewöhnliches Bedürfnis zu schreiben hatte, gibt in seinen Schriften ein buntes und unverfälschtes Bild des Lebens der damaligen Zeit. Die Texte beschäftigen sich mit seiner Kindheit, dem Leben im Alter und seine Sicht auf die Religion.
Die zweisprachige Ausgabe ist 2006 im Domowina-Verlag erschienen und gibt lebendige Einblicke in das Leben Hanzo Njepilas (1766-1856).
Die erhaltenen Texte Njepilas wurden 2004 von der niederländischen Sprachwissenschaftlerin Hélène Brijnen abgeschrieben, systematisiert und sprachlich analysiert. Fabian Kaulfürst und Hync Richter haben die Übersetzung und den Druck ausgearbeitet. Illustriert wurde das Buch von Maja Nagel.
Der Herausgeber hat die Texte vor allem thematisch zusammengestellt, eine Datierung war nicht immer möglich. Auch die Übersetzung der Passagen stellte sich komplizierter dar als vermutet. Es gibt etliche Wiederholungen, die der Lesbarkeit zuliebe gekürzt wurden, ebenso wurde die Orthografie in einigen Teilen angepasst. Die Besonderheit der Texte stellt die Sprache dar: der Schleifer Dialekt, der schriftlich so gut wie nicht dokumentiert ist.
Zu Beginn des Buches erfährt man viel über die Umstände zu Njepilas Kindheit. Seine Familie hatte oft Probleme Lebensmittel zu beschaffen, die Mutter bemühte sich aus allem möglichen etwas zu kochen. Njepila schrieb ausführlich über seine Angewohnheit Lehm zu essen, wenn er es vor Hunger nicht mehr aushielt. Die Erfahrungen aus der Kindheit haben ihm ein Leben lang begleitet und er erinnert sich später noch daran. Durch Fleiß schaffte er es den Hof der Eltern erfolgreich zu führen, so dass er dachte, er könne im Alter etwas ruhiger leben. Doch die Streitigkeiten, vor allem mit seiner Schwiegertochter, ließen keine Ruhe aufkommen. Der größte Teil der Texte beschreibt die Streitigkeiten innerhalb der Familie. Es geht um Essen, dass ihm verwehrt wird, Holz, das unrechterweise von den Kindern weggenommen wird und die Anschuldigungen, dass er faul, gierig und noch vieles mehr sei.
Beim Lesen kommt der Gedanke auf, dass es normal gewesen sein müsste sich derart vulgär zu beschimpfen. Auf jeder Seite springen Schimpfwörter durch den Text, die Streitereien nehmen kein Ende, es gibt keine vernünftigen Dialoge zwischen Njepila und seiner Schwiegertochter. Der Neid und die Missgunst ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Erzählungen. Auch vom Sohn hat Njepila keine gute Meinung. Er stellt ihn als genauso falsch wie seine Schwiegertochter dar. Einige Male klagt er sein Recht ein, aber wieder und wieder klagt er beim Schreiben sein Leid. Gerade das Schreiben lässt ihn in den Augen seiner Familie noch schlechter darstellen. Sie sind der Meinung, er solle „richtig“ arbeiten, das Schreiben sei unnütz und er würde sich für was Besseres halten. Auch zu Handgreiflichkeiten kommt es im Streit. Außerdem bezichtigt Njepilas Schwiegertochter ihn sie sexuell belästigt zu haben.
Man hat fast das Gefühl in einer Geschichte aus dem Trash-TV zu stecken. Die vulgäre Sprache, die zwischenmenschlichen Probleme, das Pochen auf der eigenen Meinung……alles Dinge, die sich von damals zu heute nicht wirklich geändert haben. Leider sehen wir nur eine Seite der Geschichte, es gibt ja keine Aufzeichnungen von der Familie. Wie bei allen Texten muss man zwischen den Zeilen lesen, ich bin versucht die Darstellungen Njepilas hier und da mit kritischen Augen zu sehen. Die Menschen waren zur damaligen Zeit vom harten Leben gezeichnet. Gerade die Erfahrungen Njepilas in der Kindheit haben seine Sicht auf das Leben geprägt. Er ist ein gottesfürchtiger Mensch und orientiert sich an den Werten, mit denen er aufgewachsen ist. Die respektlose Art der jungen Leute stößt ihn vor den Kopf, er fühlt sich ungerecht behandelt, was auch so ist, da er von Gericht mehrmals Recht bekommt.
Im letzten Abschnitt scheibt Njepila über seine Sicht auf Gott. Man erkennt beim Lesen seinen tiefen Glauben. Auch die Sprache unterscheidet sich im Vergleich zu den vorherigen Kapiteln (Familienstreitigkeiten) stark. Die Texte sind sehr positiv gehalten, es ist die Rede von der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes. Es scheint, dass Hanzo Njepila in Gott die Kraft und Ruhe findet, die ihm im irdischen Leben mit seiner Familie verwehrt bleibt. In den Geschichten der religiösen Texte zieht er teilweise Parallelen zu seinem eigenen Leben.
Ich bewundere die Ehrlichkeit, mit der Njepila schreibt. Und sicherlich schrieb er nicht mit dem Hintergedanken, das Ganze irgendwann zu veröffentlichen. Es ist eher als eine Art Tagebuch, eine Möglichkeit seine Gedanken zu ordnen und einen Ausgleich zwischen dem kargen Leben und seiner Schreibleidenschaft zu schaffen.