Alphabtete werden von uns meist mit Schrift assoziiert, wir lesen und schreiben sie je nach Sprache, die wir verwenden. Doch kann man Alphabete auch anders als in Schriftform verwenden? Na klar, dafür müssen wir auch nicht lange suchen: Das Lorm- Alphabet ist eins der bekanntesten Beispiele für ein nicht-geschriebenes Alphabet als Kommunikationsmittel für blinde und gehörlose Menschen, anders als es z.B. in der Brailleschrift verwendet wird.
Der Erfinder des Lorm-Alphabets ist der Schriftsteller und Literaturkritiker Hieronymus Lorm (1821-1902), eigentlich Heinrich Landesmann, der selber durch eine Erkrankung früh sein Gehör und den Großteil seines Sehvermögens verlor und im späteren Leben vollständig erblindete. Sein Alphabet nutzte er vor allem innerhalb der Familie und mit engen Freunden, richtig bekannt wurde es erst nach seinem Tod.
Mittlerweile ist das Lorm-Alphabet im deutschsprachigen Raum und einigen Ländern Europas wie den Niederlanden und Tschechien etabliert, vor allem weil es schnell zu lernen und effizient in der Anwendung ist.
Der „Sprechende“ buchstabiert in eine Hand (meist die linke) des „Lesenden“. Die Buchstaben werden an verschiedenen Orten der Finger oder Handfläche „gesprochen“ entweder als tippende, gestrichen oder umfassende Berührung. Bei den Strichen unterscheidet das Lorm-Alphabet zusätzlich zwischen Auf- und Abstrich. Die Buchstaben, die getippt werden, befinden sich größtenteils an der Fingerenden, gestrichene Buchstaben an den Grundgliedern der Finger und der Handinnenfläche. Damit wird das taktile System der Hand optimal ausgenutzt, da Finger und Handfläche unterschiedlich viele Nervenenden besitzen, d.h. taktile Reize unterschiedlich gut verarbeiten können.
Schon nach ein wenig Üben kann man mit diesem Alphabet kommunizieren, für ein flüssiges Tempo beim Buchstabieren und Verstehen ist allerdings einiges an Training nötig, wie aber bei allen Dingen, die wir neu lernen. Oder wer hat ohne Üben lesen und schreiben gelernt? Es ist auch möglich verschiedene Sprachen damit zu buchstabieren z.B. Englisch, da sich die Buchstaben ja nicht unterscheiden. Bei Sprachen wie Tschechisch werden einige Veränderungen vorgenommen, das Prinzip bleibt aber erhalten.
Hier eine Übersicht des (deutschen) Lorm-Alphabets, entnommen von http://www.taubblindenwerk.de/haeufig-gestellte-fragen/lormen/
A = Punkt auf der Daumenspitze
B = Kurzer Abstrich auf die Mitte des Zeigefingers
C = Punkt auf das Handgelenk
D = Kurzer Abstrich auf die Mitte des Mittelfingers
E = Punkt auf die Zeigefingerspitze
F = Zusammendrücken der Zeige- und Mittelfingerspitzen
G = Kurzer Abstrich auf die Mitte des Ringfingers
H = Kurzer Abstrich auf die Mitte des Kleinfingers
I = Punkt auf die Mittelfingerspitze
J = Zwei Punkte auf die Mittelfingerspitze
K = Punkt mit vier Fingerspitzen auf dem Handteller
L = Langer Abstrich von den Fingerspitzen zum Handgelenk
M = Punkt auf die Kleinfingerwurzel
N = Punkt auf die Zeigefingerwurzel
O = Punkt auf die Ringfingerspitze
P = Langer Aufstrich an der Außenseite des Zeigefingers
Q = Langer Aufstrich an der Außenseite der Hand
R = Leichtes Trommeln der Finger auf dem Handteller
S = Kreis auf dem Handteller
T = Kurzer Abstrich auf die Mitte des Daumens
U = Punkt auf die Kleinfingerspitze
V = Punkt auf den Daumenballen, etwas außen
W = Zwei Punkte auf den Daumenballen, etwas von außen
X = Querstrich über das Handgelenk
Y = Querstrich über die Mitte der Finger
Z = Schräger Strich vom Daumenballen zur Kleinfingerwurzel
Ä = Zwei Punkte auf die Daumenspitze
Ö = Zwei Punkte auf die Ringfingerspitze
Ü = Zwei Punkte auf die Kleinfingerspitze
CH = Schräges Kreuz auf den Handteller
Sch = Leichtes Umfassen der vier Finger
St = Langer Aufstrich am Daumen (Außenseite)
Abzugrenzen ist das Lorm-Alphabet von anderen Kommunikationsformen wie das Daktylieren oder das Fingeralphabet. Die Verwender des Lorm-Alphabets müssen sich, anders als z.B. bei der Gebärdensprache, dem System des Alphabets innerhalb einer Sprache bewusst sein, d.h. Kinder, die noch nicht schreiben und lesen gelernt haben, können sich damit kaum verständigen. Für Menschen, die erst im Laufe ihres Lebens erblinden oder ihr Gehör verlieren, durch Krankheit etc., macht das Alphabetsystem keine Schwierigkeiten, wenn sie nicht kognitiv eingeschränkt sind, was eine weitere Schwierigkeit darstellen würde.
Quellen
Peter Hepp: Die Welt in meinen Händen. Eine Leben ohne Hören und Sehen. Ullstein, Berlin 2007
http://www.taubblindenwerk.de/haeufig-gestellte-fragen/lormen/