Die Frage ob Masurisch (polnisch gwara mazurska , masurisch mazurská gádka/mazurská gádkia) als Dialekt oder eigenständige Sprache angesehen werden soll, spaltet die Forschung. Für beide Standpunkte lassen sich Argumente finden, aber die Mehrheit ist für Dialekt.
Masurisch wird im Nordosten Polens, in den Masuren gesprochen. Der westslawische Stamm der Masowier besiedelte von Süden aus die Masuren und waren bis zum Jahr 1000 ein unabhängiger Volksstamm. Der polnische Piastenfürst Bolesław Chrobry unterwarf sie und gliederte das Gebiet in sein Reich ein. Im Laufe der Zeit gerieten Masowier unter die Herrschaft des Deutschen Ordens, der die Christianisierung vorantrieb. Eigentlich waren die Masowier Fischer und Bauern, zogen aber durch die Siedlungspolitik auch vermehrt in die neu gegründeten Städte wie Pisz, ehemals Johannisburg. Auch die Frage der Konfession ist in Masuren nicht pauschal zu beantworten. Die Reformation und Gegenreformation schuf eine gemischte Bevölkerung, die Gebiete der Masowier sind weitestgehend evangelisch, nur rund um Allenstein, heute Olsztyn, katholisch.
Die Industrialisierung zog im 19. Jahrhundert viele Menschen aus den masurischen Gebieten in Richtung Westeuropa. Die beiden Weltkriege verstärkte diese Tendenz und befeuerte die Assimilation der Masurisch-Sprechenden weiter. Der Bevölkerungsschwund wirkte sich auch auf die Sprache aus. Man geht von etwa 80.000 Sprechern vor 1945 aus, heute sind es Schätzungen zufolge noch 15.000.
Heute sind die meisten Masurischsprechenden polnische Staatsbürger, pflegen aber auch ihre masurischen Wurzeln. Es gibt verstärkt Bemühungen die Sprache bzw. den Dialekt zu stärken.
Das Masurische weist interessante Unterschiede zum Standardpolnischen auf. Das Augenscheinlichste ist das sogenannte ‚Masurieren‘, d.h. die polnischen Laute /cz/, /sz/, /ż/, /dż/ wie /c/, /s/, /z/ ausgesprochen werden z.B. wird aus ‚czapka‘ → ‚capka‘ (dt. Mütze), jedoch kann man es auch in anderen Gegenden im Osten Polens hören. Auch die Tendenz velare Laute /k/, /g/ und /ch/ vermehrt palatalisiert als /ć/, /dź/ und /ś/ auszusprechen, ist typisch für die Masuren. Die Nasalvokale des Polnischen /ą/ und /ę/ verlieren hier ihre Nasalität und werden zu /ɔ/ und /ɛ/. In einigen Fällen kann im Masurischen die obligatorische Erweichung von Konsonanten vor /i/ in eine harte Aussprache wechseln, polnisch ‚lipa‘- ‚Linde‘ oder ‚posłuchali’- ‚sie hörten‘ in ‚lypa‘ oder ‚posłuchaly‘.
Auch in der Grammatik zeigen sich ein paar kleine Abweichungen von Polnischen z.B. die Endung -i statt des üblichen -ej im Genitiv und Dativ der weiblichen Substantive.
In der Lexik zeigt sich ein hoher Anteil an deutschen Entlehnungen z.B. ‚bónÿ‘ – ‚Bohnen‘ oder ‚prÿnc‘- ‚Prinz‘, was auf den historischen Kontakt zurückzuführen ist, genauso wie Anteile pruzzischer Wörter. Die Masuren weisen wegen der abweichenden Lexik oft auf den Status einer eigenen Sprache hin, linguistisch gesehen machen aber die Unterschiede im Wortschatz allein noch keinen Dialekt zu einer eigenen Sprache.
Die masurische Literaturlandschaft musste mit der Tatsache umgehen, dass es für das Masurische keine einheitliche Schriftsprache gibt und ihre Autoren entweder auf Deutsch oder Polnisch schreiben bzw. schrieben. Bekannte Vertreter sind Erwin Kruk, Siegfried Lenz und Fritz Skowronnek, die alle aus den Masuren stammen.
Im Allgemeinen sind die Dialekte in Polen einem stetigen Schwund ausgesetzt. Ob die Masuren es schaffen, in Konkurrenz zum Standardpolnischen zu bestehen, wird die Zeit zeigen.
Quellen
Hentschel, Gerd. Masurisch. In: Wieser Enzyklopädie des europäischen Ostens, Bd 10: Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002
Kossert, Andreas. Masuren, Ostpreußens vergessener Süden. Siedler, Berlin 2001
http://www.dialektologia.uw.edu.pl/index.php