Swantewit – der Gott vom Kap Arkona

Rügen war lange Zeit ein kulturelles und religiöses Zentrum der Slawen, vor allem der Ranen, einem westslawischen Stamm auf Rügen und der angrenzenden Küste, der Polabisch sprach. Am Kap Arkona stand eine Statue des obersten Gottes Swantewit. Sein Name leitet sich wahrscheinlich vom slawischen ‚svet‘- ‚heilig‘ und ‚-vit‘- ‚Herrscher‘ ab und damit ist er schon vom Namen her der mächtigste aller Götter (in diesem Kulturkreis). Je nach Quelle findet man auch andere Schreibweisen z.B. Svantovit, Svantevit oder Sventevit.

Swantewit ist der Kriegsgott, dargestellt mit vier Köpfen, die in jede Himmelsrichtung schauen. Wahrscheinlich war jeder der Köpfe mit einer Farbe assoziert (Norden weiß, Westen rot, Süden schwarz und Osten grün) und symbolisieren die Allgegenwärtigkeit des Gottes. Die Statue des Swantewit im Tempel auf Rügen wurde 1168 bei der Eroberung durch die Dänen unter König Waldemar zerstört. Jüngere Ausgrabungen auf Rügen brachten teilweise Funde wie Waffen oder Münzen zum Vorschein, die den Standort und das Datum der Tempelzerstörung untermauern.

Der 1168 mitgereiste Chronist Saxo Grammaticus beschrieb die Heiligtümer der Ranen und war von der Statue Swantewits beeindruckt. Er beschrieb ihn als riesig, mit vier Köpfen und zwei Hälsen. Die Haare und die Bärte waren sorgsam frisiert, der Gott trug ein Trinkhorn. Sein Unterkörper schien mit dem Boden verschmolzen. Weitere Attribute wie Schwert, Sattel und Zaumzeug kennzeichnen seine Aufgabe als Kriegsgott. In dem Tempel lebte wohl auch ein Pferd, das in vielen Mythen einem Kriegsgott zu Seite gestellt wurde. Hier zeigen sich Überschneidungen zur nordischen Mythologie.

Im Tempel auf Rügen waren Priester für die Pflege der Anlage und die Opfergaben zuständig. Swantewit wurde oft für Weissageungen angerufen, Met und Honigkuchen galten dabei als wichtigste Utensilien. Regelmäßig brachten die Menschen Opfergaben, die im Tempel aufbewahrt und von Kriegern bewacht wurden. Die Weissagungen gaben Auskunft über den Ernteerfolg und das Kriegsgeschehen.

Der Tempel am Kap Arkona stand auf der Jaromarsburg, von der nur noch Überreste zu erkennen sind. Grund dafür sind die häufigen Abbrüche der Rügener Küste. Doch nicht nur auf Rügen wurde Swantewit verehrt. Auch an der Ostseeküste vor Rügen wurde vereinzelt Abbilder gefunden, die der Statue auf Rügen stark ähneln. Andere weiter entfernte Funde z.B. in Polen, können nicht eindeutig dem Swantewit-Kult zugeordnet werden. Forscher zweifeln eine weitere Verbreitung an bzw. überschneiden sich die Kulturkreise in Richtung anderer Slawenstämme und Baltikum. Eine Möglichkeit, wie Figuren oder Abbilder mit ähnlichem Aussehen in weit entfernten Gebieten kommen konnten, wäre Handels- oder Verschwandtschaftsbeziehungen der slawischen Stämme.

Im Vergleich mit anderen slawischen Kulten ist der Machtbereich Swantevits ähnlich wie der des Gottes Perun, der aber kaum im Ostseeraum verehrt wurde, sondern eher im polnischen und tschechischen Raum bis hin nach Bulgarien.  

Die heutige Forschung der slawischen Mythologie und Götterwelt wird durch die mangelnde Datenlage erschwert. Wir müssen uns auf archäologische Funde und die Schriftquellen, meist christlicher Chronisten verlassen, die den heidnischen Göttern kaum Sympathie entgegenbrachten. Auch die unterschiedlichen Namen und die verschiedenen Zuschreibungen der Attribute und Aufgaben machen eine klare Zuordnung schwierig.

Doch die gerade diese Vielfältigkeit der Gottheiten und Kulte weist auf die kulturelle Vielfalt der Slawen hin. Anders als die Chronisten oft berichten, gelten strenge Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die das Leben der Slawen regelten. Ihre Götter waren ihnen dabei genauso wichtig wie anderen „hohen“ Kulturen.

Quellen

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1992

Grimal, Pierre (Hrgs.). Mythen der Völker 3. Fischer, Frankfurt am Main: Fischer 1967

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