In Polen kennt ihn jedes Kind, seine Gedichte sind Klassiker der polnischen Lyrik: Julian Tuwim. Er wurde am 13. September 1894 in Łódź geboren und wuchs in einer jüdisch-polnischen Bürgersfamilie auf.
In der Schule war er mittelmäßig, interessierte sich eher für Sprache als für Naturwissenschaften. Schon in jungen Jahren übersetzte er Gedichte, 1913 wurde sein Gedicht ‚Request‘ in einer Warschauer Tageszeitung veröffentlicht. Nach dem Abitur zog Tuwim nach Warschau und begann dort ein Jura- und Philosophiestudium. Nebenbei arbeitete er bei der Universitätszeitung ‚Pro Arte et Studio‘. Dort gründete er 1916 mit anderen Künstlern die Dichtergruppe ‚Skamander‘ und schrieb u.a. Theaterstücke.
Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er im Pressebüro von Józef Piłsudski, einige seiner Schriften wurde aber durch die Zensur verboten. Er heiratete 1919 Stefania Marchew und gründete einen Verband, der sich für die Urheberrechte von Künstlern einsetzte.
Als 1939 Nazi-Deutschland in Polen einfiel, floh Tuwim nach Frankreich, später nach Portugal und Brasilien. Unabhängig seines Wohnortes schrieb Tuwim für viele polnische Zeitungen. Viele polnische Schriftsteller folgten Tuwim ins Exil und überlebten so den Zweiten Weltkrieg. In Deutschland waren seine Schriften und Werke verboten. Ab 1942 lebte er in New York, kehrte nach Kriegsende schon 1946 in seine Heimat zurück.
Bei seiner Rückkehr nahm Tuwim seine Tätigkeit wieder auf, schrieb aber nicht mehr so viel wie früher. Er arbeitete als künstlerischer Leiter am ‚Nowy Teatr‘ in Warschau und übersetzte andere Künstler. Außerdem adoptierte er mit seiner Frau ihre Tochter Ewa aus Otwock.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg litt Tuwim an den Folgen einer Angststörung, die mit Depressionen und Alkoholmissbrauch einher ging. Seine Arbeit wurde dadurch stark eingeschränkt. Auch im Exil schrieb er weniger als in jungen Jahren. Auch die antisemitische Hetze in Europa und auch in Amerika traf Tuwim hart. Er kämpfte zeitlebens mit der jüdisch-polnischen Identität.
Bei einem Urlaub in der Hohen Tatra erlitt Tuwim einen Herzinfarkt und verstarb am 27. Dezember 1953 in Zakopane. Er wurde in Warschau auf dem Powązki-Friedhof beigesetzt.
Der Nachwelt hinterlässt Tuwim einen Schatz an Gedichten, von denen viele vertont worden sind. Die meisten Gedichte sind sehr satirisch, Tuwims Spezialität. Er schrieb auch Sketche und Stücke fürs Kabarett und verknüpfte Gesellschaftskritik mit Lyrik. Sein Schreibstil ist geprägt von der Frage nach Individualität und nach politischer Korrektheit. Dafür erntete er zahlreiche Kritik aus politischen Kreisen, seine Leser lieben ihn genau dafür.
Vor allem die Gedichte für Heranwachsende sind bekannt, auch außerhalb Polens. In Deutschland bekannt ist das Gedicht ‚Die Lokomotive‘ von 1938, das von James Krüss übersetzt und auch vertont wurde. Die Gedichte für Kinder sprühen vor Humor und prägen sich durch die vorherrschende Lautmalerei unaufhaltsam ins Gedächtnis. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie noch heute gerne gelesen werden und in Polen ein fester Bestandteil der Schullektüre sind.
Quellen
Ehrenburg, Ilja. Menschen – Jahre – Leben (Memoiren). München 1965
Urbanek, M. Tuwim. Wylękniony bluźnierca. Warszawa: Wydawnictwo Iskry, 2013