Altkirchenslawisch

Die slawische Sprachfamilie umfasst viele Sprachen Europas. Doch nicht alle sind natürlich entstanden, haben sich also über eine lange Zeit entwickelt. Die slawischen Sprachen in früherer Zeit waren untereinander sehr gut verständlich, erst im Laufe der Zeit entwickelten sie sich soweit auseinander, dass sich ihre Sprecher*innen nicht ohne weiteres verstehen. Das Altkirchenslawische dagegen ist eine Schriftsprache, die in sakralen Texten genutzt wurde. Diese Schriftsprache beruht auf dem Altbulgarischen. Man geht davon aus, dass Altkirchenslawisch nicht im Alltag gesprochen wurden.

Die Geschichte des Altkirchenslawischen beginnt im Jahr 862 n.Chr. als die Brüder Kyrill und Method den Auftrag erhielten auf Missionierung ins Mährerreich zu gehen. Beide waren umfassend gebildet und sprachen neben Griechisch auch eine slawische Sprachen, wahrscheinlich Alt-Bulgarisch. Für ihre Arbeit brauchten sie ihre religiösen Texte in slawischer Sprache und entwickelten dafür auch eine eigene Schrift, die glagolitische Schrift. Mit der Zeit verbreitete sich diese Schrift und auch die Sprache im gesamten Raum des Bulgarischen Reiches, was auch Teile der heutigen Ukraine, Russlands und dem Kaukasus umfasste.

Bis zum 10. Jahrhundert entwickelte sich das Altkirchenslawische von einer Sakralsprache weiter zu einer Literatursprache. Doch der größte Einfluss blieb der Sakralsprache vorbehalten. In den orthodox geprägten Gegenden fungierte Altkirchenslawisch als eine Art Amtssprache. Die Einflussnahme auf viele slawische Sprachen ist bis heute zu sehen. Zum Beispiel findet man im heutigen Russisch viele Reste des Altkirchenslawischen. Auch nicht-slawische Sprachen wie Rumänisch oder Ungarisch haben einen Teil ihres Wortschatzes aus dem Slawischen übernommen, was durch die geografische und historische Nähe zueinander naheliegt.

Die Erforschung des Altkirchenslawischen ist erst im 19. Jahrhundert so richtig in Fahrt gekommen. Die Schriftquellen sind überschaubar und viele Slawisten und Sprachwissenschaftler haben sich mit ihnen beschäftigt. Besonderes Interesse galt der Klassifizierung der Sprache, denn je nach Quelle wies sie unterschiedliche Spracheinflüsse auf. Ergiebig waren auch die weltlichen Texte, die zwar erst später geschrieben wurden, aber einen guten Zugang zur Grammatik und dem Wortschatz ermöglichten. In den religiösen Texten findet man wenig Indizien auf die weltliche Verwendung. Trotzdem ist es möglich altkirchenslawische Quellen anhand ihrer sprachlichen Merkmale einer Region oder Sprachstufe zuzuordnen. Auch die slawischen Muttersprachen der Verfasser können dabei eine Rolle spielen.

Eine noch nicht sicher geklärte Frage ist die Verbreitung des Altkirchenslawischen im westslawischen Gebieten wie Böhmen oder Polen. Hier war die römisch-katholische Kirche dominant, jedoch lässt es sich nicht ausschließen, dass die Missionare und ihre Schriftsprache nicht auch dort unterwegs waren, weil es vereinzelt Texte gibt, deren sprachliche Merkmale auf diese Regionen hindeuten. Da lateinische und griechische Texte oft ins Altkirchenslawische übersetzt wurden, kann auch eine Beeinflussung dieser beiden Sprachen nicht ausgeschlossen werden. 

Altkirchenslawisch ist sprachlich gesehen keine Besonderheit innerhalb der slawischen Sprachfamilie. Das grammatische System ist etwas komplexer als in den heutigen slawischen Sprachen. Das liegt vor allem daran, dass Sprachen zur Vereinfachung neigen z.B. weniger Kasus.

Das es keine Standardvariante dieser Schriftsprache gibt, teilt sich das Altkirchenslawisch in viele dialektale Varietäten auf: altbulgarisch als Hauptdialekt, salonikislawisch, altböhmisch, altmährisch, altkroatisch, altrussisch und altserbisch.  Die Schreibung sollte so weit wie möglich phonetisch sein, d.h. ein Buchstabe repräsentiert einen Laut. Ob die Schreiber der Texte sich immer daranhielten, muss stark angezweifelt werden. Es ist realistischer davon auszugehen, dass die Muttersprachen der Schreiber Einfluss auf das Schriftbild des Altkirchenslawischen hatten. Wichtig ist zu auch betonen, dass die heutigen slawischen Sprachen jeweils eine eigen sprachliche Entwicklung durchgemacht haben und der Einfluss des Altkirchenslawisch individuell unterschiedlich stark war bzw. heute zu sehen ist.

Quellen

Holzer,Georg. Altkirchenslawisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Trunte, Nicolina. Словѣньскъи ѩзыкъ. Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 30 Lektionen. 2022

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