
Keiner kann bestreiten, dass sich Sprache stetig verändert. Die Veränderungen unserer Gesellschaften, der Umwelt und unsere persönliche Entwicklung bewirken einen Wandel, der sich durch die gesamte Sprachgeschichte zieht.
Am einfachsten kann man Sprachwandel natürlich im Verlauf betrachten. Wie wurde vor 60, 100 oder sogar vor 250 Jahren gesprochen? Um das zu ermitteln, schauen sich Linguisten alte Quellen wie Briefe an, die eine gewisse Mündlichkeit zeigen. Dokumente wie Urkunden, Berichte oder Inventarlisten lassen nur wenig Interpretationsspielraum zu.
Sprachliche Innovationen auf lexikalischer Ebene treten naturgemäß häufig auf, unterliegen aber meist nicht dem Sprachwandel auf pragmatischer Ebene. Seit die technischen Möglichkeiten es erlauben auch mündliche Sprachdaten zu archivieren und zu analysieren, kann sich die Forschung dem Sprachwandel auf mündlicher Ebene völlig neu nähern.
In welcher Weise kann man heute eine Veränderung in der Sprache wahrnehmen?
Die deutlichste Veränderung sind, wie schon erwähnt, neue Wörter. Das können Entlehnungen oder Neukreationen sein, die sich ganz selbstverständlich in unseren Sprachgebrauch schleichen. Auch Umdeutungen oder der Ersatz von Begriffen durch „coolere“ sind Teil des Sprachwandels. Viele Menschen sehen das als eine Art Generationswechsel, der meist akzeptiert wird.
Kommt dann aber auch noch eine Veränderung im Bereich der Grammatik dazu, ist bei vielen das Ende der Toleranz erreicht. Nebensätze, die eigentlich eine Verbletztstellung verlangen (Ich meine hier das Standarddeutsche), werden zusehends wie Hauptsätze gebildet. So hört man beispielsweise immer häufiger: Ich komme heute nicht zur Vorlesung, weil ich bin krank. Je öfter man solche ‚neuen‘ Konstruktionen zu hören bekommt, desto eher neigt man dazu sie als korrekt zu akzeptieren und eventuell sogar irgendwann selbst zu verwenden.
Solche und andere Prozesse sind in jeder Sprache zu beobachten. Sprachen neigen generell zu Vereinfachung. Schon unsere sprachlichen Vorfahren wie das Germanische passte sich mit der Zeit an und vereinfachte z.B. das Kasussystem oder die Anzahl an Konsonanten. Nahverwandte Sprachen wie das Englische oder das Dänische kennen die ursprünglich indoeuropäische Unterscheidung zwischen Maskulinum, Femininum und Neutrum nicht mehr. Das bedeutet nicht automatisch, dass diese Prozesse irgendwann auch im Deutschen umgesetzt werden, zeigt aber die sprachlichen Möglichkeiten.
Auch die Art und Weise wie wir miteinander sprechen, verändert sich. Das ist keine Frage von neuen Wörtern oder einer veränderten Grammatik, sondern einer gesellschaftlichen Veränderung. Das früher übliche ‚Sie‘ ist in vielen Situationen dem informellen ‚Du‘ gewichen, was besonders die älteren Sprecher*innen als unangebracht empfinden. In diesem Fall zähle ich mich auch zu den Älteren, während mich andere Veränderungen weniger stören.
Einige Beispiele, die ich durchaus angemessen finde, sind gendersensible Sprache oder die Nutzung entlehnter Wörter, solange sie sich ins deutsche Sprachsystem eingliedern lassen. Auch die Sprachökonomie spielt eine Rolle. Natürlich könnte ich ‚Brotröster‘ und ‚Baumwollhemd mit kurzen Ärmeln‘ sagen, aber ‚Toaster‘ und ‚T-Shirt‘ ist einfach schneller.
Manche mögen es Verfall der Sprache nennen. Für mich als Linguistin ist der Sprachwandel kein Dämon, den es zu bekämpfen gilt. Und wenn wir uns in der Sprachgeschichte, egal in welcher Sprache, umschauen, erkennen wir die Unaufhaltbarkeit des Sprachwandels.