Er gilt als einer der bedeutendsten Figuren der tschechischen Geschichte: Jan Hus, der als Reformator und Theologe das Nationalbewusstsein der Tschechen weckte.
Geboren wurde Jan Hus 1370 (oder 1372) in dem kleinen Dorf Husinec in Böhmen als Kind armer Leute. Seine Eltern wollte für ihn eine Priesterlaufbahn, damals nicht nur ein angesehener Beruf, sondern auch ein Weg raus aus der Armut. Hus absolvierte die Lateinschule und das Grundstudium an der Karls-Universität in Prag mit ausgezeichneten Leistungen, studierte dann zusätzlich Philosophie, Medizin, Theologie und Jura. Sein Drang nach Wissen schien unersättlich und er stieg die Karriereleiter der Universität immer weiter hinauf.
Überlieferungen nach war Hus ein beliebter und verehrter Prediger, der sich aber schon früh gegen die Machenschaften der katholischen Kirche wandte und die Sittenlosigkeit und Machtgier der Kirchenoberen anprangerte. Das kam bei der katholischen Kirche erfahrungsgemäß nicht gut an und so enthob ihn der Prager Bischof 1408 von seinem Predigerposten in der Prager Bethlehemskapelle.
Die Kirchenmänner fürchtete seine Rhetorik und die Verwendung der tschechischen Sprache innerhalb der Messen. Die Menschen strömten gerade deshalb in großer Zahl in den Gottesdienst, sie verstanden nun endlich um was es ging und Hus hatte das Talent ihnen alles argumentativ und mit vielen Beispielen zu erklären. Auch aus der Verehrung des englischen Theologen John Wyclif und seiner Thesen machte er keinen Hehl. Das Verbot zu predigen, kümmerte Hus nicht, er arbeitete einfach außerhalb der Kirche weiter.
Die Folge für Hus Weigerung, das Predigen einzustellen und seine Thesen zu widerrufen, brachte ihm 1410 den Kirchenbann ein. Der Bann und die Exkommunizierung kamen damals einer Vernichtung der Existenz und der Würde gleich. Keiner durfte Hus unterstützen, weder mit Unterkunft oder Verpflegung noch durfte man mit ihm sprechen oder, noch schlimmer, ihm zuhören. Hus war aller Rechte beraubt, er war vogelfrei. Seine große Sympathie bei seinen Anhängern ermöglichte ihm jedoch ein geheimes Wirken außerhalb Prags zwischen den Jahren 1412 – 1414. Er schrieb, veröffentlichte und predigte weiterhin. In zahlreichen Werken, eins der wichtigsten ist „De ecclesia“, prangert er die Verhältnisse in der Kirche an, kritisierte direkt hohe Kirchenvertreter und gestaltete die Gottesdienste um.
1414 fand das Konzil von Konstanz statt, zu dem Jan Hus vorgeladen wurde, damit er, so die Hoffnung der Kirchenoberen, seine Schriften und Thesen widerrufe. Trotz der Zusage auf freies Geleit wurde Hus in Konstanz verhaftet und über Monate eingesperrt. Am 6. Juli 1415 verurteilte man ihn wegen Häresie zum Tod auf dem Scheiterhaufen, eine damals übliche Strafe für Abweichler der katholischen Kirche. Die letzte Chance sein Leben zu retten und zu widerrufen, ließ Hus verstreichen.
Doch sein Tod hielt den religiösen Umbruch Böhmens nicht auf. Die Prager Fensterstürze und die Hussitenkriege in den Folgejahren kann man als Reaktion auf die Hinrichtung ansehen. Hus Anhänger, die Hussiten, wollten ihre Unabhängigkeit von der katholischen Kirche nicht aufgeben. Die Folge waren Bürgerkriege, die weit über Böhmen hinausgingen. Die politische Situation in Mitteleuropa war zu dieser Zeit unübersichtlich und vor allem unsicher. Hus Ideen lebte weiter und, wie alle wissen, betrat nur knapp 100 Jahre später ein Mann die theologische Bühne und führte fort, was Reformatoren wie Hus begonnen hatten.
Das Leben und Wirken von Jan Hus setzt sich aber noch weit über die Geschehnisse um die Hussiten und den Glaubensfragen fort. Mit seinen Schriften und seinen Predigten in tschechischer Sprache schuf Hus nicht nur das Nationalbewusstsein der Tschechen, sondern auch eine Standardsprache und -schrift. Die spezifischen Schriftzeichen zum Verschriftlichen der typischen tschechischen Laute schlug Hus vor und so sieht man noch heute den háček, dt. das Häkchen, und die čárka, dt. der Akut, in der tschechischen Schriftsprache.
Jan Hus wird bis heute in Tschechien verehrt, er symbolisiert den Kampf der Tschechen auf Freiheit und Meinungsfreiheit. Zahlreiche Straßen, Schulen und Plätze im ganzen Land sind nach ihm benannt. In Konstanz gibt es das Hus-Museum, das sich ganz dem Leben und Wirken des Reformators widmet. Das Jan-Hus-Denkmal am Altstädter Ring in Prag ist einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Die katholische Kirche hat das begangene Unrecht bis heute nicht als falsch anerkannt bzw. Jan Hus rehabilitiert.
Quellen
Dowley, Tim. Der Atlas zur Reformation in Europa. Neukirchner Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2016
Soukup, Pavel. Jan Hus. Prediger – Reformator – Märtyr. Kohlhammer, Stuttgart 2014