Die kyrillische Schrift

Unter den zahlreichen Alphabetschriften, die Europa und Asien heute bekannt sind, haben sich einige weit verbreitet, unter anderem die kyrillische Schrift. Sie wird in vielen Ländern verwendet, mit kleinen Anpassungen an die jeweiligen Sprachen. Vor allem die ostslawischen Sprachen wie Russisch und Ukrainisch verwenden kyrillische Schrift, aber auch südslawische wie Serbisch oder Mazedonisch und einige Turksprachen wie Kirgisisch und Kasachisch.

Um die Entstehung des Kyrillischen ranken sich einige Mythen. Die Entwicklung der Schrift wird Kyrill von Saloniki (er hieß eigentlich Konstantin) zugeschrieben, aber neuere Forschungen zweifeln das an, da die Schrift wahrscheinlich erst knapp ein Jahrhundert nach seinem Tod entstand. Aber der Vorläufer, die glagolitischen Schrift, stammt höchstwahrscheinlich von ihm.

Kyrill und sein Bruder Method waren Missionare, die einen entscheidenden Beitrag zu Christianisierung der Slawen leisteten. Sie waren umfassend gebildet, beherrschten Latein, Griechisch und Hebräisch.

Als sicher gilt die Tatsache, dass die kyrillische Schrift über das Gagolitische und Griechische aus der phönizischen Schrift, die quasi die Urschrift für fast alle europäischen Buchstabenschriften ist, entwickelt wurde.

Die ersten Texte in kyrillischer Schrift, stammen von Konstantin von Preslaw aus dem 10. Jahrhundert und sind in altbulgarischer Schrift, vor allem christlichen Inhaltes. Ein bedeutender Fund kyrillischer Schrift auf einer Steintafel ist die Grabinschrift von Ana, einer Tochter des bulgarischen Zaren (ebenfalls 10. Jahrhundert).

Im Laufe der Zeit veränderte sich die Schrift, je nach Sprache. Die ursprünglichste Form zeigt sich im Altkirchenslawischen, das sich durch den Einfluss der christlichen Lehre immer weiterverbreitete.

Heute wird vor allem das Russische mit der kyrillischen Schrift assoziiert. In Russland setzte Peter der Große Anfang des 18. Jahrhunderts eine vereinfachte Form der Schrift durch, die sich seiner Meinung nach besser an die lateinische Schrift des Westens anpassen sollte. Dazu muss man sagen, dass Peter der Große allgemein die Modernisierung Russlands vorantreiben wollte, wobei er sich oft an westlichen Vorbildern orientierte. Die Vormachtstellung des Russischen Reiches in der Geschichte erleichterte sicherlich die Verbreitung und Etablierung des Kyrillischen. Sprachen im Russischen Reich, die keine eigenen Schrift hatten, wurde der Einfachheit halber mit dem kyrillischen Alphabet geschrieben z.B. Ket, eine jenisseische Sprache in Sibirien (vom Aussterben bedroht).

Andere Länder, wie Bulgarien oder Serbien, veränderten ihre Schriften bis zur heutigen Form. Dabei kann es auch vorkommen, dass eine Sprache (Serbisch ist so ein Beispiel dafür) in lateinischer und kyrillischer Schrift geschrieben wir, was oft eine politische Entscheidung ist.

Eine Faustregel bei der Frage, welche Sprache in kyrillischer Schrift geschrieben wird, lautet: Ist das Land, in dem die Sprache gesprochen wird, christlich-orthodox schreibt man kyrillisch. Aber keine Regel ohne Ausnahme, wie jeder weiß! Diese Regel lässt sich nicht für das Rumänische anwenden, und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist Rumänisch eine romanische Sprache (wir erinnern uns, dass die kyrillische Schrift meist in slawischen Sprachen verwendet wird) und zweitens entschied man sich im 16. Jahrhundert, trotz mehrheitlichen orthodoxen Glaubens der Bevölkerung, das kyrillische Alphabet gegen das lateinische zu tauschen.

Wer nur das lateinische Alphabet kennt, für den ist die kyrillische Schrift etwa gewöhnungsbedürftig. Man kann drei Gruppen von Buchstaben unterscheiden. Einige Buchstaben wie A oder K werden gleich geschrieben und gesprochen, machen also keine Probleme für Lateinschriftleser. Dann gibt es Buchstaben wie B oder P, deren Aussehen wir kennen, die aber anders ausgesprochen werden. Die dritte Gruppe sind Buchstaben, deren Form und Aussprache wir nicht ableiten können (wenn man Griechisch lesen kann, ist das vielleicht was anderes) wie z.B. Ф oder Щ. Die Laute zu den Buchstaben können, müssen aber keine Deutsche Entsprechung haben. Hinter einigen „verstecken“ sich typisch slawische Laute.

Ein paar Unterschiede muss man aber noch beachten, je nachdem in welcher Sprache man sich befindet. Einige ukrainische Buchstaben gibt es in den anderen kyrillischen Alphabeten nicht, genauso wie einige serbische Buchstaben usw.

Aber mit ein wenig Übung lernt jeder das jeweilige Alphabet lesen. Es ist ungewohnt, vor allem wenn man nur das lateinische Alphabet gewöhnt ist. Doch das hat man als Kind in der Schule auch nicht an einem Tag gelernt, also etwas Geduld und fleißig üben!

Quellen 

Rehder, Peter (Hrsg.). Einführung in die slavischen Sprachen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003

Iliev, Ivan.  Kurze Geschichte des kyrillischen Alphabets. Plovdiv 2015

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