Romani

Von den vier anerkannten Minderheitensprachen in Deutschland ist Romani die unbekannteste im Bewusstsein der Menschen. Genaue Sprecherzahlen gibt es für Deutschland nicht, aber Schätzungen gehen von mindestens hunderttausend Menschen aus, die Romani als Muttersprache sprechen. Die insgesamten Sprecherzahlen werden auf mindestens vier Millionen weltweit geschätzt.

Romani ist eine Sprache aus der Familie der indoarischen Sprachen, der z.B. Sanskrit und Bengali angehören. Häufig wird Romani, aufgrund der lautlich zufälligen Ähnlichkeit, mit den romanischen Sprachen gleichgesetzt. Die Ursprünge liegen aber ganz woanders, nämlich in Indien. Linguistische Vergleiche mit den indoarischen Sprachen stoßen immer wieder auf Schwierigkeiten in der Klassifikation, denn es lässt sich keine genetisch eng verwandte Sprache des Romani in Indien finden. Die vielen Einflüsse anderer Sprachen könnte eine mögliche Erklärung sein, aber auch die vielen Dialekte des Romani und das Fehlen einer Standardschriftsprache.

Die verstreut lebenden Romanisprecher*innen haben im Laufe der Zeit zahlreiche Dialekte entwickelt, sodass eine Verständigung mitunter nicht bzw. nur schwer möglich ist. Dem deutschen Linguisten Norbert Boretzky zufolge gibt es zwei Hauptdialektzweige, Nord-Romani-Dialekte und Vlax-Romani, die sich wiederum in zahlreiche lokale Varianten aufspalten. Einflüsse der Kontaktsprachen sind sicherlich ein Aspekt der Dialektentwicklung und vor allem die räumliche Trennung voneinander. In vielen Roma-Gemeinschaften wurden Ehen untereinander geschlossen, sodass es wenig Durchmischung der Dialekte gab.

Forschungen zum Romani müssen immer bemüht sein die Einflüsse auf die Sprache korrekt zu erkennen, um die Strukturen der ursprünglichen Sprache zu erkennen, denn diese lassen sich trotz jahrhundertelangem Einfluss noch in allen Dialekten erkennen. Die fehlende Verschriftlichung ist jedoch ein großes Problem. Neuere Versuche eine Standardschrift zu etablieren, helfen der Forschung nur bedingt. Gerade bei phonologischen Fragen sind die Einflüsse der Kontaktsprachen schwer zu isolieren. Man geht aber davon aus, dass z.B. vorkommende Vokallängenunterschiede aus dem Slawischen und Ungarischen übernommen wurden, genauso wie die Verwendung zentraler Vokale wie [ə] aus dem Deutschen (z.B. das unbetonte /e/ in ‚Hase‘) oder Rumänischen.

Romani ist stark flektierend und die grammatische Kategorien werden durch zahlreiche Suffixe realisiert. Jedoch zeigen sich vielfach Unterschiede zwischen Wörtern aus Erb- und Lehnwortschatz. Es gibt zwei Numerus, Singular und Plural. Außerdem findet man acht Kasus, was eher ungewöhnlich für diese Sprachfamilie ist, daher vielleicht als Neustrukturierung anzusehen sein sollte, genauso wie die Verwendung von Artikeln (am wahrscheinlichsten ist hier der griechische Einfluss).

Der Erbwortschatz wurde durch die vielen lexikalischen Entlehnungen aus den Kontaktsprachen immer kleiner, heute geht man von etwa 700 Wörtern aus, die ursprünglicher Natur sind. Dazu kommen Entlehnungen aus dem Iranischen, Griechischen und wesentlich kleinere Anteile aus den anderen Kontaktsprachen. Der Erbwortschatz umfasst vor allem Basiswörter der Wortfelder Familie, Tiere und Körper. Funktionswörter wie Pronomina oder Präpositionen weisen alte sowie neue Herkunft auf.

Die im letzten Jahrhundert verstärkten Versuche einer Standardisierung der Sprache bzw. die Schaffung einer einheitlichen Schrift haben bisher noch nicht zu allgemeiner Akzeptanz geführt. Romani kann in verschiedenen Schriften geschrieben werden, je nach Gebiet. Die Schwierigkeit ist dabei die Phonem-Buchstaben-Zuordnung der einzelnen Schriften z.B. Lateinisch, Kyrillisch oder auch Devanagari.

In Deutschland ist Romani als Minderheitensprache besonders geschützt. Aber anders als die anderen Minderheitensprachen wie Sorbisch oder Friesisch konzentrieren sich die Sprecher*innen des Romani nicht auf eine bestimmte Region, so dass eine Förderung der Sprache auf lokaler Ebene schwer möglich ist. Dazu kommt, dass das Prestige der Sprache durch jahrhundertelange Abwertung und Diskriminierung ihrer Sprecher*innen stark gelitten hat. Es gibt zwar Verbände, die sich für die Sprache und die Kultur des Romani einsetzten, aber ihre Sichtbarkeit in Deutschland ist sehr gering.

Seit 2015 gibt es den von der UNESCO festgesetzten Tag der Romani-Sprachen am 5. November. Die Literatur- und Musikszene ist zwar vorhanden, aber nur einem begrenzten Publikum bekannt. Bekannte literarische Künstler sind Nedjo Osman (*1958) und Rajko Đurić (1947-2020).

Quellen

Boretzky, Norbert & Birgit Igla. Kommentierter Dialektatlas des Romani. Harrassowitz, Wiesbaden 2004

Đurić, Rajko. Die Literatur der Sinti und Roma. Edition Parabolis, Berlin 2002

Okuka, Miloš & Gerald Krenn (Hrsg.): Romani in Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

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