Albanisch

Mit fast 8 Millionen Sprecher*innen gehört Albanisch (alb. gjuha shqipezur) zu den sogenannten balkanindoeuropäischen Sprachen, gemeinsam mit u.a. Griechisch und Armenisch, wobei nur von einer entfernten Verwandtschaft dieser Sprachen ausgegangen wird.  

Albanisch ist heute die Amtssprache Albaniens, des Kosovos, Nordmazedoniens und in Teilen Montenegros. Außerdem ist die albanische Sprache in Italien, Rumänien und Serbien als Minderheits- bzw. Regionalsprache anerkannt, doch die Mehrheit der Albanischsprecher*innen lebt außerhalb Albaniens.

Historisch belegt ist Albanisch bzw. das Volk der Albaner etwa ab dem 11. Jahrhundert, die schriftlichen Quellen stammen aus Byzanz. Das erste und damit älteste Schriftstück in albanischer Sprache ist ein Taufspruch in einem Brief aus dem Jahr 1462. Gedruckte Werke sind ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zu finden, vor allem religiöse Werke z.B. ein Messbuch von Gion Buzuku, geschrieben 1555. Ab dem 17. Jahrhundert zeigt sich eine produktive Buchdruckphase, neben religiösen Texten auch Wörterbücher, Grammatiken und Volkserzählungen.

Das Albanische besitzt 7 Vokal- und 29 Konsonantenphoneme. Der Kontrast ‚stimmhaft‘-‚stimmlos‘ ist bei den Konsonanten in der Standardvarietät sehr entscheidend, jedoch dialektal unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Vokallängen lang-mittel-kurz beziehen sich auf die Silbenstruktur. Auch Diphthonge, in betonten Silben aus zwei Vokalen oder in unbetonten Silben aus Vokal und Gleitlaut bestehend, kommen vor.

Grammatisch ähnelt das Albanische vielen indoeuropäischen Sprachen. Es besitzt zwei Genera, maskulin und feminin. Das Neutrum ist nur noch in Resten zu finden. Zu den 4 Kasus, die wir auch im Deutschen kennen, kommt noch der Ablativ dazu, und die Deklination erfolgt größtenteils über Suffixe. Artikel werden vor allem zum Verbinden von Substantiven mit Adjektiven gebraucht, weisen also nicht die determinierende Funktion wie im Deutschen auf. Die Verbkonjugation ist sehr komplex z.B. mehr Modi als im Deutschen. Die grundlegende Satzgliedfolge ist Subjekt-Prädikat-Objekt, kann aber kontextuell stark variiert werden.

Durch Sprachkontakt findet man im albanischen Wortschatz eine große Anzahl von Entlehnungen aus u.a. dem Lateinischen, Griechischen, Slawischen und Türkischen, häufig bezogen auf Wortfelder wie Landwirtschaft oder Religion. Hinzu kommen in jüngerer Zeit Internationalismen und Anglizismen. Die albanische Sprache besitzt vielfältige Wortbildungsmechanismen, so dass aus Entlehnungen und Erbwortschatz leicht neue Lexeme entstehen können, die systematisch der albanischen Orthografie angepasst werden.

Geschrieben wird Albanisch heute in lateinischen Buchstaben, fehlende Phoneme werden meist durch Doppelgrapheme oder Diakritika z.B. <xh> oder <ë> ergänzt. Die Schreibung erfolgt in der Regel phonetisch, d.h. ein Phonem entspricht einem Graphem.

Die Standardisierung des Albanischen erfolgte in der Zeit der ‚Nationalen Wiedergeburt‘ (‚Rilindja Kombëtare‘) etwa ab 1870, die nicht nur die Sprache betraf, sondern auch die Bildung einer Nation als Einheit. Bei der Staatsgründung Albaniens 1912 wurde Albanisch als einzige Amtssprache festgelegt. Trotzdem ist das Land multilingual, vor allem Italienisch und Griechisch sind verbreitet, was auch für die kleinen Gemeinden von Albanern in diesen Ländern spricht.

Neben der albanischen Standardsprache existieren zwei große Dialektgruppen: das Gegische und das Toskische, die sich vor allem in ein Nord-Südkontinuum einordnen lassen, dass sich von Albanien bis in den Kosovo erstreckt. Das Tokische ist die Basis für das Standardalbanisch. Die Unterschiede der beiden Dialektgruppen sind weniger phonetisch als vielmehr morphologisch und lexikalisch.

Die albanische Literatur ist seit der ‚nationalen Wiedergeburt‘ ein stetig wachsender Fundus verschiedenster Genres. Zu Beginn noch an europäischen Vorbildern erinnernd, schufen die albanischen Schriftsteller*innen wie Pasko Vasa oder Naim Frashëri Zeugnisse der albanischen Kultur und Geschichte, in denen man den Stolz der Albaner spürt. In West- und Mitteleuropa sind albanische Autoren und deren Werke kaum bekannt. Erst langsam müssen sie sich die Aufmerksamkeit der Leserschaft erarbeiten. Innerhalb Albaniens gab es in der Vergangenheit oft Kritik an Schriftsteller*innen, die in Dialektformen schrieben, aber das scheint heute allgemein akzeptiert zu sein.

Quellen

Fiedler, Wilfried. Einführung in die Balkanphilologie. In: Einführung in die slavischen Sprachen. (Mit einer Einführung in die Balkanphilologie). 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998

Okuka, Miloš & Gerald Krenn (Hrsg.). Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Albanisch. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Sibirische Mythologie

Sibirien ist ein Begriff, den die meisten mit Eis, Schnee und Kälte verbinden. Doch in diesem scheinbar unendlichen Land mit sehr wenigen Bewohnern findet man uralte Mythen und Legenden, die Verbindungen mit der Mythologie der Finnen und anderen finno – ugrischen Völker zeigen.

Die Besiedlung Sibiriens ist wie ein Schmelztiegel unterschiedlichster Völker; Skythen, Samojeden, Jukaten, Komi, Magyaren, Nenzen u.v.m. Sie alle siedelten in verschiedensten Gebieten Sibiriens und prägten die Kultur. Einige, wie die Magyaren, verließen ihre Heimat wegen fehlender Nahrungsgrundlage, Kriegen u.a. Die schiere Weite der Landschaft macht es kaum möglich von der einen sibirischen Mythologie zu sprechen, denn die Trennung der Völker hat eine Individualität und Vielfalt hervorgebracht, die das Wort ‚Eingrenzung‘ nicht zulässt.

Historisch muss man auch noch die Eroberung Sibiriens durch von Westen kommenden Russen (gemeint ist hier der ostslawische Stamm der Russen, der sich abermals aus kleineren Stämmen zusammensetzt) ab dem 16. Jahrhundert, deren ethnische Herkunft einen andere als die der sibirischen Völker war. Während die sibirischen Völker zahlenmäßig klein waren, wuchs die Zahl der sie umgebenden stetig und führte oft zu einer Anpassung von Sprache und Kultur. Die Parallelen der sibirischen und slawischen Mythologie könnten aufgrund dieser Anpassung zustande gekommen sein, bewiesen ist es nicht, da schriftliche Quellen aus der frühen Zeit, vor allem vor den Missionierungen, fehlen.

Wie jede Kultur ranken sich um die Weltschöpfung und das Universum viele Geschichten. Die Welt ist in drei Stufen, oben-mittel-unten, bzw. in Schichten geteilt. Drei Bäume, eine Birke, eine Lärche, eine Eiche, durchziehen alle Schichten. Das erinnert an den Weltenbaum Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Auch die Schaffung von Pflanzen, Tieren und Menschen aus Erde oder Körperteilen von Riesen o.ä. erinnert daran.

In vielen sibirischen Völkern gibt es ein Schöpfungspaar, oft Mann und Frau oder zwei Brüder, die in einem Wettkampf zueinander stehen, wer der bzw. die Stärkste sei und Großes auf der Erde vollbringen. Man findet in den Geschichten die Paare ‚Num und Ngaa‘, ‚Ülgün und Erlik‘ oder auch ‚Buchan und Cholmus‘. Sie wettstreiten miteinander, versuchen die Taten des anderen zu übertreffen

Bei den Sibiriern stellen Schamanen die Verbindung zwischen der Irdischen und den Göttern dar. Sie sind Beschützer der Menschen, führen Schutzzauber für Tier und Mensch durch und übermitteln die Aufgaben, die die Götter für die Menschen haben. Auch die Interpretation von Naturphänomenen gehören in das Aufgabengebiet der Schamanen, denn nur sie stehen ja mit den Göttern in Verbindung. Die Komplexität der schamanischen Rituale ist erstaunlich und unterscheiden sich je nach Region.

Der Himmel mit all seinen Himmelskörpern wie Sonne, Planeten und Monde spielen je nach Volk unterschiedlich wichtige Rollen, auch Sternenbilder wie der Große Bär treten in Geschichten auf. Die Ähnlichkeiten von Göttern mit Attributen wie Blitz oder Hammer sind wahrscheinlich nicht zufällig und werden mit dem Männlichen assoziiert. Dem Mond und der Sonne werden magische Kräfte nachgesagt, sie können Krankheiten heilen und sogar Tote wiedererwecken.

Die Erde, mit dem Weiblichen assoziiert, wird als Spenderin des Lebens aller Geschöpfe auf Erden verehrt. Viele Völker benennen sie verschieden u.a. Ätügän, Umai oder Itchitä, Ynachsyt und Ajysyt, die sich die Aufgaben der Erdgöttin zu dritt teilen. Oft wird auch das Feuer mit dem Weiblichen verknüpft, vielleicht in Anlehnung an die Flamme des Lebens oder des Herdes, der traditionell in das Aufgabengebiet der Frau fällt.

Auch die Tiere wie Hirsche, Adler, Elche, Fische usw. tragen Geister in sich, die den Göttern dienen. Oftmals fungieren Tiere als Verbindung zwischen Himmel, Erde und Wasser.

Gerade das Wasser bzw. die Gewässer spielen eine große Rolle in den Mythen der Sibirier. In ihnen leben Ungeheuer oder Tote, herrschen böse Götter, die mitunter Krankheiten schicken. Den Vögeln, die an Gewässern leben, werden ähnlich böse Eigenschaften nachgesagt. Flüsse, als fließende Gewässer, bringen die Toten ins Totenreich. Doch bringen sie durch Bewegung auch Bewegung ins Leben der Menschen, es ist dynamisch. Selbst der Tod ist im Glauben der Sibirier nicht endgültig. Die Schamanen können sich zwischen diesen Welten bewegen.

Die Überlieferungen des alten Wissens wurde durch die europäische Besiedlung Sibiriens und die Anpassung an deren Lebensstil im Laufe der Zeit immer schwieriger. Die kleinen Völker haben kaum die Möglichkeit ihre Kultur weiterzugeben, was vor allem an den fehlenden rechtlichen Gegebenheiten liegt. Der Kampf um die Anerkennung und rechtlicher Schutz ihrer Kultur ist ein Kampf gegen Windmühlen.

Quellen

Gorbatcheva, Valentina & Federova, Marina. Die Völker des Hohen Nordens. Kunst und Kultur Sibiriens. Parkstone Press, New York 2000

Grimal, Pierre. Mythen der Völker III. Fischer Bücherei. Hamburg 1963

Korn, Viviana. Schamanismus. In: Kurzinformation Religion des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes e. V., Marburg 2010

Eliza Orzeszkowa

Eine der wenigen weiblichen Schriftstellerinnen, die es in Polen zu großer Bekanntheit gebracht haben, ist Eliza Orzeszkowa.

Geboren als Elżbieta Pawłowska, am 6. Juni 1841 in Grodno (damals Russisches Kaiserreich, heute Belarus), kennt man Eliza Orzeszkowa als Vertreterin des polnischen Positivismus, dessen Zeitraum sich von 1863-1890 erstreckte. Orzeskowas Kindheit war vom frühen Tod des Vaters überschattet, die Mutter ermöglichte ihr eine standesgemäße Bildung (die Familie gehörte dem Landadel an), sie las viel und schrieb schon in Jugendjahren erste Geschichten. 1852 zog Orzeszkowa nach Warschau, besuchte eine Internatsschule und lernte dort auch Literatur kennen, die von der Russland verboten waren wie die von Adam Mickiewicz.

Mit sechszehn Jahren kehrte sie nach Hause zurück und lernte auf einem Ball den deutlich älteren Piotr Orzeszka kennen, den sie 1858 heiratete. Die ersten Ehejahre verbrachte sie auf dem Gut ihres Mannes in Ludwinów mit gesellschaftlichen Verpflichtungen und viel Lektüre. Orzeszkowa genoss das Landlaben, ganz im Gegensatz zu ihrem Mann. 1862 lebte sie vorübergehend in Warschau, wo sie sich mit politischen und religiösen Fragen auseinandersetzte. Im Januaraufstand 1863 unterstützte sie die Aufständischen. Der Beteiligung ihres Mannes am Aufstand folgte die Verbannung nach Sibirien, während Orzeszkowa in Ludwinów blieb (ein ungewöhnlicher Schritt, denn meist begleiteten die Ehefrauen die Männer in die Verbannung). Die Erlebnisse während des Ausstandes beschrieb sie in der Kurzgeschichte „Gloria victis“ (erst 1910 veröffentlicht). Orzeszkowa verkaufte das Gut und ließ sich 1869 scheiden bzw. der Scheidungsprozess wurde da rechtsgültig. Sie ließ sich dauerhaft in Grodno nieder.

Ihre neu gewonnene Freiheit nutzte sie vor allem zum Schreiben, die Menge der Werke zeigt ihre Produktivität. Einige ihrer Erzählungen und Romane fanden großen Anklang und sind zeitnah in andere Sprachen übersetzt worden. Deren Veröffentlichungen machten Orzeszkowa auch im Ausland bekannt.

1894 heiratete sie erneut, den Juristen Stanisław Nahorski, der sich wie Orzeszkowa für soziale Themen stark machte.  Er starb aber schon im November 1896. Die Schriftstellerin verlor damit eine wichtige Stütze und einen Gleichgesinnten in sozialen und politischen Fragen.

1904 wurde Orzeszkowa für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen, verlor aber gegen Henryk Szienkiewicz, deren Werke als patriotischer angesehen wurden. Vielleicht sind die Themen Orzeszkowas wie Soziales, Frauenrechte etc. noch nicht so akzeptiert worden….

Orzeszkowa starb am 18. Mai 1910 in Grodno. Ihre Beerdigung verzögerte sich einige Zeit, da der Pfarrer der Gemeinde sich weigerte sie zu bestatten. Er warf ihr fehlende religiöse Aktivitäten in der Gemeinde vor, aber der zuständige Bischof schritt ein, sodass sie am 23. Mai ihre letzte Ruhe fand.

Der literarische Nachlass der Schriftstellerin ist immens, ihre Erzählungen und Roman behandeln Themen wie Frauenrechte, Bildung, Politik u.v.m. All ihre Werke auszuschreiben würde den Rahmen sprengen, einige der wichtigsten sind: „Marta“ (1873), „Nad Niemnem“ (1888, dt. „An der Memel“) und „Dziurdziowie“ (1885, dt. „Die Hexe“)

Durch ihre Verbindungen zu den klugen Köpfen ihrer Zeit und den scharfen Beobachtungen der Gesellschaft zeichnet Orzeszkowa ein deutliches Bild aus dem Leben in ihrer Zeit. Ihre eigene Geschichte, gespickt durch Scheidung, selbstständiger und schriftstellerischer Arbeit, fließt in ihre Werke mit ein, ohne dass sie zu autobiographisch sind. Ihre eigene Lebensgeschichte hat Orzeszkowa nie aufgeschrieben. Schon früh hat sie den Wert von Bildung von Mädchen und Frauen erkannt und gefordert, ohne dabei einen radikalen Ton anzuschlagen. Die Gleichstellung von Mann und Frau war ein damals undenkbarer Fakt, der laut Orzeszkowa aber der Schlüssel für einen bessere Gesellschaft darstellte.

Ihr Lebensmittelpunkt in Grodno und ihr Lebensstil mit den Konventionsbrüchen heben Orzeszkowa zeigen den untypischen, aber möglichen Weg von Frauen aus dieser Zeit. Ihre Beobachtungsgabe, ihre Milieubeschreibungen und die stetigen Forderungen nach Bildung für Mädchen und Frauen wirken bis die heutige Zeit nach, ohne zu romantisieren.

Quellen

Jankowski, Edmund. Eliza Orzeszkowa. Państwowy Instytut Wydawniczy, Warszawa 1964

Miłosz, Czesław. Geschichte der polnischen Literatur. Narr Francke Verlag, Tübingen 2013

Die Kaschubei

In Polen leben viele ethnische Minderheiten, unter anderem die Kaschuben in der Kaschubei (kaschubisch Kaszëbë oder Kaszëbskô, polnisch Kaszuby), die seit der Besiedlung verschiedenster slawischen Stämme dort siedelten. Die Schwierigkeit des Begriffes „Kaschubei“ liegt auch in der geografischen Ungenauigkeit, denn es gab kein kaschubisches Herrschaftsgebiet, sodass eher der Umstand zählt: Die Kaschubei ist dort, wo Kaschuben leben.

Die Kaschubei, oft auch Kaschubien genannt, liegt an der Ostseeküste Polens rund um das Städtedreieck Danzig-Gdingen-Sopot und reicht circa 50 Kilometer südwestlich ins Landesinnere hinein. Es gibt zahlreiche Seen, die zur Pommerschen Seenplatte gehören, und einige hügelige Erhebungen, die größte ist der Wieżyca (dt. Turmberg) mit 329 m. Die Landschaft ist geprägt durch die Moränen der letzten Eiszeit.

Die erste Erwähnung der Kaschubei findet sich im dreizehnten Jahrhunderts in der Chronica Poloniae Maioris, einer frühen Chronik der polnischen Geschichte. Wobei sich die Bezeichnung Kaschubei bzw. das Volk der Kaschuben erst im sechszehnten Jahrhundert konkret auf das heutige Gebiet und den Volksstamm bezieht. Die Ostbesiedlung der Deutschen in Westpommern führte zur Verminderung des kaschubischen Gebietes und die Kaschuben wurden dort zu einer Minderheit, die sich assimilierten, so dass die Westkaschuben heute nicht mehr als Kaschuben gesehen werden. Der ostwärts gelegene Teil der Kaschubei, der mehr unter polnischer Kontrolle stand bewahrte seine kulturelle Eigenständigkeit.

Nach den Teilungen Polens stand die Region unter preußischer Kontrolle. Im Gegensatz zu den Preußen waren die Mehrheit der Kaschuben katholisch und bildeten eine feste Gemeinschaft, die sich dem Germanisierungsdruck widersetzten und sich als Landbevölkerung etablierten, während die deutsche Bevölkerung eher in den Städten wie Danzig lebte. Die Kaschuben sicherten sich ihr Bestehen oftmals durch den Erwerb der deutschen Sprache, der ihnen auch die Türen in die städtische Gesellschaft ermöglichte. Ihre Mutter- bzw. Erstsprache blieb aber Kaschubisch (kaszëbsczi jãzëk), eine westslawische Sprache.

Die Bedeutung der Region zeigt sich auch nach dem Ersten Weltkrieg, die Aufteilung in ein deutsches und ein polnisches Gebiet und die Freie Stadt Danzig (kaschubisch Gduńsk, polnisch Gdańsk), die unter der Aufsicht des Völkerbundes stand. Die politische Situation blieb fortan angespannt. Der Überfall der Deutschen auf Polen u.a. über die Danziger Westerplatte und die Eingliederung ins Deutsche Reich sind einer der dunkelsten Kapitel der Region. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Deutschen vertrieben, viele Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten (polnisch Kresy) angesiedelt. Die Kaschuben waren wieder mal in der Minderheit. Der polnische Staat betrieb eine starke Polonisierungspolitik. Erst in den letzten dreißig Jahren erlebt die Kaschubei einen kulturellen Aufschwung.

Die Sprache der Kaschuben ist heute eine geschützte Regionalsprache, was ein wichtiger Schritt zur Erhaltung der kaschubischen Kultur und Sprache ist. Die wirtschaftliche Lage der Menschen in dieser Region ist ein wichtiger Umstand, um hier leben und arbeiten zu können. Denn die Abwanderung schwächt das kulturelle Leben, deren Sprecherzahlen nicht merklich steigen.

Manche Wissenschaftler zweifeln die Existenz der Kaschuben als Volksgruppe an, die Kaschuben selber fühlen sich in der Mehrheit als Kaschuben und Polen, wobei diese Dualität von vielen Polen als Beweis für mangelnden Patriotismus angesehen wird.

Doch die reiche Kultur der Kaschuben wie Trachten, Bräuche etc. zeigt deutlich das slawische Erbe dieser Region. Der Stolz vieler Kaschuben auf ihre Herkunft sollte nicht mit mangelndem Nationalstolz verwechselt werden!

Die individuellen Merkmale wie Sprache und Symbolik charakterisiert viele historischen Regionen. Das Symbol der Kaschubei ist der Greif, ein antikes Wesen, auf goldenem Grund, und auch die Flagge ist in Schwarz-Gold gehalten.

Quellen

Borzyszkowski, Józef & Albrecht, Dietmar (Hg.). Kaschubisch-pommersche Heimat. Geschichte und Gegenwart / Pomorze – mała ojczyzna Kaszubów. Historia i współczesność. Gdańsk, Lübeck 2000.

Lorentz, Friedrich. Geschichte der Kaschuben. Berlin 1926

Obracht-Prondzyński, Cezary. The Kashubs: past and present. Lang, Oxford 2011

Hebräische Schrift

In Europa sind, im weltweiten Vergleich, nur wenige Schriften verbreitet. Bis in die vorchristliche Zeit der Römer und Griechen gab es auf dem europäischen Kontinent wahrscheinlich gar keine Schriften. Die Sprachen hier griffen dann auf eine Variante der phönizischen Alphabetschrift zurück, die etwa vom 11. bis 5. Jahrhundert v. Chr. verwendet wurde. Über Handelsbeziehungen nutzten die Europäer, ganz vorne dabei waren natürlich die Römer und Griechen, die phönizische Schrift in veränderter Form.

Doch auch andere Sprachen nutzten Varianten der phönizischen Schrift. Bis heute sehr bekannt ist das hebräische Alphabet. Das Hebräische ist, wie das Phönizische, eine semitische Sprache, deren Buchstaben eng mit anderen Alphabetschriften verwandt ist. Die althebräische Schrift wurde im zweiten Jahrhundert n.Chr. von einer neueren Form abgelöst, der sogenannten Quadratschrift. Der Name geht auf die Schreibung der Buchstaben zurück, die in ihrer Größe und Form an Quadrate orientiert. 

Das hebräische Alphabet, verwendet seit etwa 300 v. Chr., bestand ursprünglich nur aus Konsonanten, geschrieben mit 22 Buchstaben, mit einigen Varianten für das Wortende. Buchstaben für Vokale gibt es nicht, doch werden Vokallaute durch Zeichen an den Konsonanten markiert (Aleph, He, Waw und Jod; die aber auch als Konsonanten fungieren). Die Lesenden müssen also wissen, wann welche Vokale stehen müssen. Das ist für Lernende eine große Herausforderung. Dafür gibt es keine Groß- oder Kleinschreibung. 

Anders als Schriften mit lateinischen oder kyrillischen Buchstaben schreibt man die hebräische Schrift von links nach rechts wie z.B. Arabisch. Auch Zahlen wurden mit hebräischen Buchstaben dargestellt, gemäß ihrer Position im Alphabet. Bei größeren Zahlen kommen Markierungszeichen zum Einsatz. Heute werden Zahlen aber mit arabische Ziffern geschrieben, deren Darstellung einfacher und überschaubarer sind.

Nun könnte man denken, dass das hebräische Alphabet nur für die hebräische Sprache verwendet wird. Dem ist aber wahrlich nicht so. Auch andere, verwandte wie nicht verwandte Sprachen schreiben in hebräischer Schrift. Neben dem modernen Hebräisch (Ivrit) nutzen auch Sprecher*innen anderer Sprachen wie Judäo-Arabisch oder Judäo-Berberisch (nicht semitisch, aber auch afroasiatische Sprachfamilie) die hebräische Schrift. Aber auch Sprachen, die nicht aus der semitischen Sprachfamilie stammen wie Jiddisch, Judäo-Persisch oder Ladino bedienen sich dieser Schrift, wobei sich die religiösen und sprachlichen Einflüsse des Hebräischen durchaus bemerkbar machen.

Vor allem das westgermanische Jiddische war in Europa über Jahrhundert sehr präsent, da Juden in allen Gegenden des Kontinentes lebten und sie Jiddisch neben der jeweiligen Landessprache im Alltag sprachen. Die schriftlichen Quellen zeigen das hebräische Alphabet mit einer angepassten Schreibung. Die Vokale werden mit eigenen Buchstaben dargestellt, die Schreibung war (meist) phonetisch.

Versuche, die Sprachen mit hebräischer Schrift in lateinische Buchstaben zu transliterieren, spielt meist nur als Lerneinstieg in die hebräische Schrift eine Rolle. Die Literatur wird fast ausschließlich in hebräischer Schrift gedruckt. Eine Ausnahme bildet das Ladino, das in hebräischer und lateinischer Schrift zu finden ist.

Quellen

Aptroot, Marion & Gruschka, Roland. Jiddisch-Geschichte einer Kultur einer Weltsprache. C.H.Beck München 2010

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift. C.H. Beck. München 2002

Kramer, Johannes & Kowallik, Sabine. Einführung in die hebräische Schrift. Buske, Hamburg 2017

Bildquelle

Bild von <a href=“https://pixabay.com/de/users/fotorieth-837884/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4115147″>Aritha</a> auf <a href=“https://pixabay.com/de//?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=4115147″>Pixabay</a>

Litauisch

Der baltische Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie hat heute noch zwei lebende Sprachen: Lettisch und Litauisch. Die größere Sprache von beiden mit etwa 3 Millionen Sprechern ist das Litauische (litauisch lietuvių kalba), die außer in Litauen auch in Teilen Polens, Belarus, Lettlands und Russland gesprochen wird. Als Minderheiten-  bzw. Regionalsprache ist Litauisch außerdem in Lettland und der polnischen Woiwodschaft Podlachien anerkannt und seit Litauens EU-Beitritt im  Mai 2004 Amtssprache der EU.

Mit Sicherheit kann man sagen, dass Litauisch zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehört, doch wann und wie die Abspaltung abgelaufen ist, sorgt für Diskussionen. Manche Forscher*innen glauben, das sich das Baltische und das Slawische eine Zeitlang gemeinsam entwickelt haben, bevor sie sich voneinander abspalteten, die sogenannte balto-slawische Hypothese. Einiges spricht für diese These, anders dagegen. Doch für die Forschung eignet sich das Litauische in besonderem Maße, denn die alten Formen und Wortstämme des Indoeuropäischen haben sich hier sehr gut erhalten.

Schriftlich belegt ist Litauisch erst ab 1503, als Glosse eines Vaterunsers. Ob frühere Schriften gab, ist unklar, denn das Lateinische war als Kirchensprache etabliert und andere Texte wurden kaum angefertigt. Doch die vollständige Christianisierung der Litauer im 14. Jahrhundert waren aber Schriften für die Geistlichen nötig und die waren nicht immer dem Lateinischen mächtig. Also verfasste Martynas Mažvydas den Katechismus auf Litauisch, der 1547 gedruckt wurde.  Das erste Wörterbuch Polnisch- Latein-Litauisch entstand erst 1620. Die politischen Geschehnisse und vielen Kriege erschwerten die Etablierung der litauischen Literatursprache. Die Vorherrschaft des Russischen Reiches in weiten Gebieten der Litauer führte dazu, dass Litauisch in kyrillischen statt in lateinischer Schrift gedruckt wurde, was nur in geringer Akzeptanz resultierte. Die Rückkehr zur lateinischen Schrift erfolgte im Jahr 1905.

Die lateinische Schrift kann nicht alle Laute abbilden, also wurde es durch einige diakritische Zeichen ergänzt, die vor allem die Zischlaute und Vokallängen kennzeichnen.  Durch die vielen unterschiedlichen Grapheme kann Litauisch gut in einer phonetischen Schreibung (ein Laut = ein Buchstabe) abgebildet werden.

Ähnlich wie die verwandten Sprachen Sanskrit oder Latein ist das Litauische eine stark flektierende Sprache, die mit zahlreichen Affixen agiert. Es besitzt zwei Genera und zwei Numeri, wobei es alte Neutrumformen und Reste des Duals , vor allem in Dialekten, ausweist. Ähnlich wie die meisten slawischen Sprachen hat Litauisch sieben Fälle, die dialektal noch um Sonderfälle des Lokativs ergänzt werden. Die Verben können, je nach Tempora und Modus, entweder analytisch oder synthetisch gebildet werden. Die Wortstellung ist relativ frei, der Kontext daher entscheidend.

Der Wortschatz ähnelt zu großen Teilen dem indoeuropäischen und slawischen, ein Argument für die balto-slawische Hypothese, lässt aber auch Raum für zahlreichen “neuere“ Entlehnungen  aus den Kontaktsprachen wie u.a. dem Deutschen, Polnischen und Russischem. Auch Neuschöpfungen sind mit Hilfe von litauischen Linguisten entstanden, die den Einfluss der Kontaktsprachen zurückdrängen soll.

Das Litauische gliedert sich in zwei große Dialektgruppen: Niederlitauisch/ Žemaitisch und Hochlitauisch/Aukštaitisch, die sich in einem von Nordwest- nach Südostkontinuum erstrecken. Beide Gruppen können in viele Unterkategorien aufgeteilt werden.

Der literarische Schatz der Litauer wie Sagen, Mythen oder Volksliedern trifft man in allen Dialektgruppen in poetisch hoher Qualität und sie erfreuen sich damals wie heute großer Beliebtheit.  

Wichtige Persönlichkeiten der litauischen Sprache und Literatur sind  Mikkola, Basanavičius, Lebedys und viele andere mehr. Die Litauer sind stolz auf ihren Sprach- und Sagenschatz, der hier im deutschsprachigen Raum leider viel zu wenig bekannt ist. Ob sich das ändern lässt?

Quellen

Eckert, Rainer. Litauisch. In Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Baldauf, Lucia. Litauisch intensiv!: das Lehrbuch der litauischen Sprache. Baltica, Hamburg 1998

Rübezahl

Das Riesengebirge mit der Schneekoppe (tschechisch Sněžka, polnisch Śnieżka) als höchster Berg zwischen Polen und Tschechien beheimatet ein Wesen, das es in den Geschichten und Erzählungen der deutschen, polnischen und tschechischen Sagenwelt zu großer Bekanntheit gebracht hat: Rübezahl, polnisch Liczyrzepa, tschechisch Krakonoš.

Der Name ‚Rübezahl‘ entstammt laut Musäus einer Legende: Rübezahl entführte eine Königstochter, die ihm die Ehe unter der Bedingung versprach, dass er ihr die korrekte Anzahl der Rüben auf seinem Feld nennen könne. Bei Versuch sie zu zählen, floh die Königstochter. Der Name Rübezahl ist daher als Spottname zu verstehen. Ob diese Namensherleitung stimmt, ist fraglich. Die polnische Variante ‚Liczyrzepa‘ gleicht dem deutschen Namen (Liczy – zählen, rzepa -Rübe), aber auch die Bezeichnung ‚Duch Gór‘ dt. Berggeist ist überliefert, während der tschechische ‚Krakonoš‘ von Krkonoše – dt. Riesengebirge kommt. Andere Namenserklärungen aus der Zeit vor Musäus gehen von einem Namen aus, der sich auf das ursprüngliche Aussehen bezieht.

Ein Berggeist ist so unberechenbar wie das Wetter im Riesengebirge und wacht über die Wesen, die dort leben. Den Menschen gegenüber ist er ambivalent. Einige Geschichten erzählen von seiner Hilfsbereitschaft armen Menschen gegenüber und dem Zorn, der böse Menschen trifft. Sein lautes Lachen sollte weithin zuhören gewesen sein.

Die ersten schriftlichen Quellen stammen aus der Mitte des 16. Jahrhundert, die von einem Geist in den Bergen des Riesengebirges erzählen und die als erste Erwähnungen Rübezahls gelten. Häufig findet man alte Karten des Riesengebirges  mit dem Rübezahl als Wappen, auf dem er aber eher tierische Züge trägt. Ein Mischwesen mit Ziegenbeinen, Hörnern etc. aus verschiedenen Tieren, vielleicht als Kombination der verschiedenen Herrscher der Gegend oder als Zeichen des Bösen. Mit der Zeit wandelte sich sein Aussehen in eindeutig menschliche Züge als alter Mann mit Kutte, Bart und langen Haaren.

Johannes Praetorius umschrieb Rübezahl 1670 als dämonisches bzw. ein teuflisches Wesen, ganz im Sinne der beginnenden Hexenverfolgung. Das alte Wissen oder der Glauben an mythische Wesen, zu denen der ursprüngliche Rübezahl eindeutig gehört, wurde von der Kirche oft in Erzählungen als teuflisch bzw. böse verklärt, was die Gläubigen von diesem Glauben abbringen sollte.

In den Mythen und Legenden, vor allem der slawischen Mythologie, sind solche Riesen und Wald- und Bergwesen sehr häufig in unterschiedlichen Geschichten anzutreffen. Auch in anderen Bergregionen wie den Alpen kennt man solche Wesen z.B. Percht und Krampus.

Bis heute lebt in der Region um Harrachov in Tschechien die Legende des Rübezahls vor allem durch die zahlreichen geschnitzten Kunstwerke, deren Motivinspiration oft unverkennbar aus der Sagenwelt stammt. Doch auch auf polnischer Seite gibt es zahlreiche Orte z.B. Karpacz, die Rübezahl in ihrem kulturellen Erbe beherbergen.

Doch nicht nur in der Umgebung des Riesengebirges kennt man ihn, viele Geschichten, Gedichte und Märchensammlungen über Rübezahl haben ab dem 17. Jahrhundert in ganz Europa Verbreitung gefunden und die Faszination hält bis heute an. Auch die Filmindustrie hat sich ebenfalls intensiv mit Rübezahl beschäftigt. In Filmen ist er groß, stark und verteidigt seine Natur und die Tiere als Herr der Berge. 

Johann Karl August Musäus hat in der Mitte des 18. Jahrhunderts in seinen fünf Legenden über Rübezahl eine romantische Sicht auf den Herrn der Berge eingearbeitet. Seine Beschreibungen Rübezahls sind vielseitiger und viel weniger beängstigend als die von Praetorius. Viele Generationen von Kindern (und Erwachsenen) erlebten schon diesen angenehmen Schauer beim Lauschen der Geschichten von Rübezahl und es werden hoffentlich noch einige mehr!

Quellen

Musäus, Johann Karl August. Rübezahl: Legenden aus dem Riesengebirge. Vitalis-Verlag. Furth im Wald 2000

Ullrich Junker (Text), Izabela Taraszczuk (Übers.): Rübezahl – Rybecal (deutsch und polnisch). Bodnegg – Jelenia Góra 2003. 25 S., Beitrag auf der Website der Digitalbibliothek Jelenia Góra

Bildquelle

By Benutzer:Hejkal – The original description page was here. All following user names refer to de.wikipedia., CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9511718

Minderheitensprachen in Deutschland

Deutschland ist auf den ersten Blick ein sprachlich sehr homogenes Land. Die Amtssprache ist Deutsch, aber überall, egal wo man ist, hört man einen bunten Mix aus allen möglichen Sprachen. In meiner Heimatstadt Berlin findet man über hundert Sprachen neben Deutsch. In anderen Städten ist es ähnlich, wenn auch nicht so zahlreich.

Historisch gesehen leben in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum schon immer Sprecher*innen verschiedenster Sprachen. Laut der Verfassung Deutschlands ist das Sprechen der eigenen Sprache ein Grundrecht (§3 GG). Außerdem sind in Deutschland sieben Sprachen als Minderheits- bzw. Regionalsprachen anerkannt. Diese Anerkennung beruht auf der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992, die in Deutschland seit 1999 umgesetzt wird. Die Charta zielt auf den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen als Bestandteil des europäischen Kulturerbes ab und soll über nationale Grenzen hinweg für den Zusammenhalt und den Frieden innerhalb Europas sorgen. Nicht alle Länder haben die Charta anerkannt bzw. setzen sie um, da sie nicht rechtlich bindend ist.

Welche Sprachen in welche Kategorie fällt z.B. Minderheit- oder Regionalsprache, ist in der Charta geregelt. Der Schutz der jeweiligen Sprache beschränkt sich meist auf die Bundesländer, in denen die Sprache gesprochen wird. Außerdem unterscheidet man den Schutzstatus in den Abschnitten II und III (Ziele und Maßnahmen), wobei Abschnitt II eher allgemein gehalten ist und Abschnitt III Bereiche wie u.a. das Bildungswesen und Verwaltung regelt, die zur Verbesserung der Sprachsituation entscheidend sind.

Die in Deutschland anerkannten Minderheiten- bzw. Regionalsprachen sind (in alphabetischer Reihenfolge): Dänisch, Niederdeutsch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Obersorbisch, Romanes und Saterfriesisch.

Dänisch: Minderheitensprache in Schleswig-Holstein, ca. 50.000 Sprecher*innen, werden „dänische Südschleswiger“ genannt, Schutzumfang II und III

Niederdeutsch: Regionalsprache in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt mit Schutzumfang II und Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen und Niedersachsen mit Schutzumfang III, ca. 5 Mio Sprecher*innen

Niedersorbisch: Minderheitensprache in Brandenburg, 7.000 Sprecher*innen in der Niederlausitz, Schutzumfang II und III

Nordfriesisch: Minderheitensprache in Schleswig-Holstein, 8.000–10.00 Sprecher*innen, Schutzumfang II und III

Obersorbisch: Minderheitensprache in Sachsen, 20.000–25.000 Sprecher*innen in der Oberlauitz, Schutzumfang II und III

Romanes: Minderheitensprache, unterschiedlicher Status je nach Bundesland Schutzumfang II oder III, ca. 100.000 Sprecher*innen (in Dtl.)

Saterfriesisch: Minderheitensprache in Niedersachsen rund um Cloppenburg, 1500 bis 2500 Sprecher*innen, Schutzumfang II und III

Je nach Schutzumfang haben die Sprecher*innen der jeweiligen Sprachen Möglichkeiten ihre Sprache im Alltag z.B. in amtlichen Belangen zu verwenden, die Bundesländer müssen Teile des Schulunterrichtes in der Minderheiten- bzw. Regionalsprache anbieten, es gibt finanzielle Hilfen für Projekte oder Vereine, die sich der Sprachpflege widmen, die Straßenbeschilderungen müssen zweisprachig sein, die Ausbildung von Sprachlehrern muss gewährleistet sein usw.

Der Status der Minderheiten in Deutschland war historisch gesehen immer eher schlecht. Die Bildung eines Nationalstaates im 19. Jahrhundert hat dazu geführt die kulturelle Vielfalt des Landes zugunsten einer homogenen Gesellschaft zu unterbinden. Ein Land mit unterschiedlichen Ethnien, Sprachen etc. wurde als schwierig zu regieren angesehen. Auch heute stehen Minderheiten vor der Frage wie sie ihre Identität leben können, die meisten Angehörigen einer Minderheit fühlen sich auch Deutsche. Von Rechtswegen stehen ihnen viele Möglichkeiten der Förderung offen. Praktisch gesehen müssen sie aber oft um die Wahrnehmung ihrer Rechte als Minderheit kämpfen.

In den letzten Jahrzehnten haben sich zum Schutz der Minderheitensprachen viele Interessensgemeinschaften gebildet. Sie profitieren von der Umsetzung der Charta, erhalten Förderungen und tragen maßgeblich zum Erhalt der Minderheitensprachen in Deutschland bei.

Das Ziel, die Minderheitensprachen zu erhalten und damit auch die Kultur und Traditionen der Minderheiten, steht an erster Stelle. Davon profitieren nicht nur die Sprecher*innen, sondern die ganze Bevölkerung der jeweiligen Region, denn es soll zu keiner Isolierung der Minderheiten kommen. Ein friedliches und kommunikatives Miteinander ist die Basis für die Akzeptanz und Integration der verschiedenen Kulturen innerhalb des Staates.

Quellen

Beyer, Rahel & Plewnia, Albrecht (Hrsg.). Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen 2020

Wirrer, Jan (Hrsg.). Minderheiten- und Regionalsprachen in Europa. Westdeutscher Verlag, Opladen 2000

Florian Ceynowa

Die Kaschubei, ein Gebiet südwestlich von Danzig, ist die Heimat der Kaschuben, eine ethnische Minderheit in Polen. Sie sprechen Kaschubisch, eine nah mit Polnisch verwandte westslawische Sprache. Als Minderheit mussten sie schon immer um ihre Rechte kämpfen. Der bekannteste Kaschube ist Florian Ceynowa, der sich nicht nur für die Rechte der Kaschuben einsetzte, sondern auch die kaschubische Schriftsprache normierte und Werke auf Kaschubisch veröffentlichte.

Florian Stanisław Wenanty Ceynowa (kasz. Florión Cenôwa) wurde am 4.5. 1817 in Sławoszyn, einem Dorf im Kreis Puck, geboren. Er stammte aus einer kinderreichen Bauernfamilie, besuchte die Dorfschule und wechselte 1830 auf das Gymnasium in Chojnice (dt. Chojnitz). Die klassische Schulbildung beinhaltete vor allem das Studium der alten und modernen Sprachen. Ceynowa begeisterte sich sehr für Literatur, gehörte auch dem  Literaturzirkel „Polonia“ an. Durch die Entfernung zu seinem Heimatdorf lebte er ohne die Eltern die Schulzeit über in Pensionen. 1841 schloss er die Schule ab und begann ein Philisophiestudium in Wrocław (dt. Breslau), wechselte aber zum Jahresbeginn 1843 an die medizinische Fakultät. Trotz Stipendien hatte Ceynowa immer wieder finanzielle Probleme.

In Wrocław kam er mit dortigen Größen der Slawistik in Kontakt und trat verschiedenen slawistischen Gesellschaften bei. Im Juni 1843 veröffentlichte er seinen Aufsatz „Die Germanisierung der Kaschuben“, der mehrmals nachgedruckt wurde. Es folgten weitere kleinere Schriften in kaschubischer Sprache über kulturelle Aspekte der kaschubischen Kultur. Im August 1843 wechselte Ceynowa an die Königsberger Universität, wo er sein Medizinstudium fortsetzte und als Militärarzt arbeitete.

Er kam in Königsberg mit revolutionären Kräften in Berührung, die sich gegen die preußische Regierung zusammenschlossen. Im 1846 war Ceynowa Teil des Aufstandes gegen die preußischen Machthaber, wurde verhaftet und mit einem Ausreiseverbot belegt, gegen das er mit seiner Flucht nach Kartuzy (dt. Karthaus) verstieß. Inhaftiert in Berlin-Moabit wurde er zum Tode verteilt, 1848 aber vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. begnadigt.

Die Leidenschaft für die kaschubische Kultur und Sprache ließen Ceynowa nicht los. Noch in der Haft korrespondierte er mit der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde in Szczecin (dt. Stettin), die er mit Informationen über die Kaschuben versorgte und sich den Ruf eines Experten auf diesem Gebiet.

1851 promovierte Ceynowa in Berlin, trat eine Stelle in Bukowiec, einem Dorf in Kujawien-Pommern, geriet aber in rechtliche Schwierigkeiten, wahrscheinlich aufgrund eines Behandlungsfehlers. 1855 kaufte er einen Bauernhof in Bukowiec und dort arbeitete als Landwirt. Nebenbei führte er eine kleine Apotheke und lebte mit Rozalia Tarnowska zusammen, die vier Kinder von ihm bekam.

Das Leben auf dem Land und das Familienleben brachten Ruhe in Ceynowas Leben, er reiste viel u.a. in die Lausitz und nach Prag und schrieb zahlreiche Abhandlungen. Sein größtes Interessengebiet blieb immer die Kaschubei, ihre Kultur und Sprache.

Während des Januaraufstands 1863-1864 stand Ceynowa wieder mal unter Beobachtung der preußischen Behörden, wohl wegen seiner politischen Ansichten und der Ereignisse zu Studienzeiten.

Die literarische Arbeit Ceynowas reicht von Übersetzungen religiöser Texte, Liederbüchern über Wörterbücher, Beschreibungen der kaschubischen Bräuche bis hin zu politischen Schriften zur Eigenständigkeit der Kaschuben als Volksgruppe. Die meisten seiner Schriften erschienen in kaschubischer Sprache. Wer sich für die Kaschuben und ihre Sprache interessiert, kommt an Florian Ceynowa nicht vorbei! Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass er keine Ausbildung auf den Gebieten der Sprachwissenschaft oder Ethnografie hatte, doch sein Interesse und Eifer glichen das aus.

Die Verehrung, die ihm heute zuteilwird, hat er nicht mehr miterlebt. Zu Lebzeiten wurden seine patriotischen Ansichten und Bemühungen nicht ernstgenommen. Er starb am 26.03.1881 in Bukowiec an einem Herzinfarkt.

Das heutige Interesse an den Kaschuben und ihrer Kultur stützt sich im großen Maß auf die Arbeit Ceynowas. Straßen, Schulen und vieles mehr sind nach dem „kaschubischen Erwecker“ benannt.

Die kaschubische Sprache ist vom polnischen Staat mittlerweile als Regionalsprache anerkannt, sie wird in der Kaschubei als Unterrichtssprache genutzt, die Beschilderung der Straßen ist zweisprachig und immer mehr Kaschuben nutzen ihre Sprache auch wieder im öffentlichen Raum, was zeigt wie stolz sie darauf sind.

Die Erinnerungen an Florian Ceynowa werden von den Kaschuben lebendig gehalten und auch in der slawistischen Forschung greift man oft auf seine Schriften zurück. Sein Lebenswerk lebt weiter und wird von immer mehr Forschern ausgebaut.

Quellen

Majkowski, Aleksander. Geschichte der Kaschuben. Dienstl. Uebers Berlin-Dahlem: Publikationsstelle 1938

Neureiter, Ferdinand. Geschichte der Kaschubischen Literatur. Versuch einer zusammenfassenden Darstellung (= Slavistische Beiträge; 272) Verlag Otto Sagner, München 1991

Bildquelle

Von Artur Andrzej – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27456772

Volapük

Heute schon fast in Vergessenheit geraten, entstand zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Plansprache, die großes Aufsehen und (in der ersten Zeit) eine große Anhängerschaft gewann: Volapük, eine auf europäischen Sprachen wie Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Russisch basierenden Sprache (Aposteriori-Plansprache), dessen Name sich aus den englischen Worten ‚world‘ und ‚speak‘ zu ‚Weltsprache‘ zusammensetzt.

Im Jahr 1879, also einige Jahre vor Esperanto, stellte sein Erfinder Johann Martin Schleyer sie der Öffentlichkeit vor. Seine Idee, eine Sprache zur Verständigung der Völker, vereint alle weiteren Plansprachen miteinander. Volapük verbreitete sich schnell auf der Welt, es sollen in den ersten Jahren 1 Mio. Menschen gesprochen haben (verlässliche Quellen gibt es keine). Zur Verbreitung bildete man Volapük-Lehrer aus, etwa 900 gab es, die in Vereinen organisiert waren.

Schleyer schrieb Grammatiken und Wörterbücher, Zeitungen berichteten über diese neue Sprache und 1881 erschien sogar eine eigene Volapük-Zeitschrift. Schleyers Dominanz, die Ursprünglichkeit seiner Idee und die Sprachentwicklung in seinen Händen zu halten, wirkte sich ungünstig auf die Verbreitung aus.

Das Alphabet besteht aus 27 Buchstaben, geschrieben wird in lateinischer Schrift. Die Aussprache orientiert sich stark am Deutschen, einige Ausnahmen wie <c> als stimmloses /tʃ/ oder <j> als stimmhaftes /ʃ/ bzw. /ʒ/ tragen eindeutig englische Züge.

Morphologisch betrachtet ist Volapük eine agglutinierende Sprache, d.h. die Wörter werden durch das Anhängen von Vor- und Nachsilben gebildet. Das hat den Nachteil, dass die Begriffe immer länger werden, je komplexer ihre Bedeutung ist. Dabei haben bestimmte Silben eine feste Funktion, z.B. zeigt die Endung -ön eine Verbgrundform (Infinitiv) an oder die Vorsilbe ji- ein feminines Nomen.

Wie im Deutschen besitzt Volapük 4 Kasus, das ist für Sprecher*innen anderer Sprachen z.B. des Russischen leichter, aber für z.B. englische Sprecher*innen schwerer zu erlernen. Komplexe Nomen können durch Zusammensetzung erzeugt werden, nach deutschem Vorbild. Die Konstruktion des Wortschatzes ist durch strikte Regel vereinheitlicht. So beginnen und enden Nomen immer auf Konsonanten, Zahlen ebenfalls mit alphabetisch verteilten Vokalen (1 bal, 2 tel,3 kil …).

Die Vielzahl an Regeln in allen Bereichen der Sprache erschwert dem Lernenden den Zugang zur Sprache. Aber Schleyer, der selbst viele Sprachen sprach und sich fortwährend mit neuen Sprachen und Dialekten beschäftigte, versuchte bestimmte Schwierigkeiten z.B. in der Aussprache von Beginn an zu vermeiden, weil er allen Menschen das Erlernen ermöglichen wollte. Wobei gerade die enthaltenen Umlaute für viele Sprecher*innen schwer sind.

Nicht nur die Regeln sind kompliziert, auch die eigentliche vorgesehene Ähnlichkeit des Wortschatzes zu den zugrunde liegenden Sprachen ist kaum zu erkennen, sodass Volapük sehr abstrakt ist, anders als z.B. Esperanto, dessen Wortschatz gut zu erkennen ist. Entlehnungen oder Internationalismen werden im Volapük kaum zugelassen oder sehr stark verändert.

Die heutige Bedeutung von Volapük ist kaum nennenswert, ebenso wie die Sprecherzahl. Schon kurz nach dem Erscheinen des Esperantos haben sich die meisten Anhänger*innen des Volapüks der Esperantogemeinschaft angeschlossen, die bis heute aktiv ist. Das historische Erbe des Volapüks wird zwar noch von einigen gepflegt, aber im allgemeinen Gedächtnis der Menschen ist es verschwunden.

Doch das Besondere an Volapük als Wegbereiter auf dem Gebiet der Plansprachen, seine große Verbreitung in den ersten Jahren und die Idee der Völkerverständigung durch Sprache, lohnt die Erwähnung.  

Quellen

Blanke, Detlev. Interlinguistische Beiträge: zum Wesen und zur Funktion internationaler Plansprachen. Frankfurt am Main 2006

Schleyer, Johann Martin. Volapük, die Weltsprache: Entwurf einer Universalsprache für alle Gebildete der ganzen Erde. Olms, Hildesheim 1982