IPA – ein sprachübergreifendes Alphabet

Lernende einer Fremdsprache haben alle das gleiche Problem: Man schaut ein unbekanntes Wort im Wörterbuch nach und fragt sich dann „Wie spricht man das Wort eigentlich aus?“. Ich erinnere mich vor allem an meine Englischlehrerin, die immer meinte, dass ich neben dem Wort doch die Lautschrift hätte. Okay, gutes Argument, aber niemand hat mir die komischen Buchstaben und Zeichen der Lautschrift erklärt! Und warum sollte ich eine andere Schrift lernen, um Englisch zu lernen?

Erst im Studium habe ich die Bedeutung hinter den Buchstaben und Zeichen gelernt, Linguistik-Grundkurs sei Dank. Das Zauberwort heißt IPA: Internationales Phonetisches Alphabet!

Das Internationale Phonetische Alphabet beruht auf der Idee jede lautlich gesprochene Sprache lautgetreu aufgeschrieben werden kann. Die Idee an sich ist nicht neu. Schon im 17. Jahrhundert gab es erste Versuche eine Systematisierung von Lauten zu schaffen.

Der Durchbruch gelang dem französischen Linguisten Paul Passy, der Ende des 19. Jahrhundert sein „Internationales Phonetisches Alphabet“ vorstellte.

Theoretisch kann man mit IPA jede Sprache in einer Lautschrift schreiben und lesen, ohne diese Sprache zu beherrschen. Beim Sprachenlernen kann die Lautschrift helfen sich die Aussprache anzueignen, vorausgesetzt man kennt die lautlichen Entsprechungen der Schrift. Außerdem bildet IPA nicht unbedingt die dialektalen Unterschiede der Aussprache ab. Es soll vor allem die Standardaussprache aufzeigen.

Vor allem Sprachen ohne Schrift können so standardisiert notiert werden, vielleicht auch mit dem Ziel eine Schriftsprache zu erarbeiten, wie es beispielsweise Karl Richard Lepsius für Sprachen plante, die in Afrika gesprochen werden.

Durch die sprachenübergreifende Notierung muss man vor allem darauf achten, dass die Zuordnung der IPA-Laut nicht immer mit der orthografischen Schreibung der Zielsprache entspricht, z.B. entspricht das IPA-Zeichen [v] dem deutschen ´w´ in Wind oder `v` in Vase, aber nicht dem `v` in Vogel.

Die Übersicht aller Zeichen mag chaotisch anmuten, folgt aber ganz klar definierten Aspekten. So sind die Konsonanten nach Artikulationsort, Artikulationsart, pulmonal bzw. nicht pulmonal und Stimmhaftigkeit sortiert und die Vokale nach Artikulationsort und Lippenstellung klassifiziert. Es gibt zahlreiche diakritische Zeichen, die beispielsweise eine Palatalisierung, Nasalität oder auch eine Aspiration des Lautes anzeigen.

Die Notierung mit IPA ist sehr komplex, weil alle möglichen Laute abgebildet werden sollen und es keine Unterscheidung der Häufigkeit ihres Auftretens gibt. So sind uns in Europa die Klicklaute fremd, die es in vielen Bantu- und Khoisan-Sprachen in Afrika zu finden sind.

In Lehrbücher wird meist eine vereinfachte IPA-Variante verwendet, um die Lernenden nicht abzuschrecken, d.h. es wird bewusst auf viele diakritische Zeuchen oder Wortakzente verzichtet. Damit gehen zwar, für Linguisten, wichtige Informationen zur Aussprache verloren, aber die Lernenden finden einen leichteren Einstieg in die Lautschrift.

Schwieriger als das Lesen der Lautschrift, ist das Schreiben mit IPA. Es gibt natürliche einige Regeln zu beachten, die jede Sprache mitbringt und Raum für Diskussionen lässt. Am schwierigsten ist die Schreibung, wenn zwei Personen einen Laut transkribieren wollen, also in IPA schreiben, aber unterschiedliche Laute hören.

Welche Schreibweise ist jetzt richtig? Wählt man die Standardaussprache oder berücksichtigt man die dialektalen Unterschiede, z.B. die verschiedenen Aussprachen des `r` im Deutschen? Es gäbe die Auswahl zwischen [r] oder [ʀ] oder [ʁ]. Die Unterschiede zwischen [ʀ] und [ʁ] sind nicht hörbar und da es keine Bedeutungsunterschiede gibt, jedenfalls nicht im Deutschen, transkribiert jeder in sein „Lieblingszeichen“.

Ein großer Vorteil der Lautschrift liegt für alle Linguisten auf der Hand: Es lassen sich phonologische Prozesse in jeder Sprache erkennbar machen, die die eigentliche Orthografie nicht abbildet. Ein bekanntes und in vielen Sprachen vorkommendes Beispiel ist die Auslautverhärtung, die gesprochen, aber nicht geschrieben wird: Kleid →/kla͡ɪd/ → [ kla͡ɪt]. Wir schreiben leider oftmals nicht wie wir sprechen.

IPA basiert hauptsächlich auf dem lateinischen und griechischen Alphabet, die Schreibung erfolgt immer in eckigen Klammer [ ], so dass es nicht zu Verwechslungen kommt. Übersichten aller Laut und Zeichen gibt es frei zugänglich und im Internet gibt es zahlreiche Seiten, auf denen man sich die für uns nicht aussprechbaren Laute anhören kann.

Es lohnt sich ein wenig Zeit in dieses Alphabet zu stecken, wenn man vorhat eine neue Sprache zu lernen. Vor allem wenn diese Sprache Laute besitzt, die wir im Deutschen nicht kennen.

Ich wünschte, ich hätte als Zehnjährige eine Einführung in IPA bekommen, das hätte mir das Vokabeln lernen definitiv erleichtert. Dank IPA weiß ich jetzt, dass die Wörter ´through´ [θru:] oder `sausage` [’sɒsɪdʒ] so ausgesprochen werden. Besser spät als nie!!!!!

Božena Němcová

Die tschechische Schriftstellerin Božena Němcová kennt in Tschechien jedes Kind. Sie ist auf dem 500 Kronen-Schein zu sehen und füllt die Lehrpläne der Schulen mit ihrem Werk Babička (Die Großmutter).

Geboren wird Božena Němcová als Barbara Nowotny, wahrscheinlich 1816, offiziell aber erst 1820 in Wien. Das offizielle Geburtsdatum fällt mit der Heirat ihrer Mutter zusammen, da uneheliche Kinder damals ein Tabuthema waren. Němcová hatte Gelegenheit eine grundlegende Schulbildung zu erwerben, neben Tschechisch sprach sie sehr gut Deutsch.

1837 heiratete sie, nicht ganz freiwillig, Josef Němec. Er war ein Finanzbeamter, der Němcová mit seinem Nationalbewusstsein prägte, während es ihm aber an Arbeitseifer fehlte und die Familie daher immer finanziell klamm war. In dieser Zeit waren nationale Bestrebungen von Seiten der Tschechen von der Habsburger Monarchie mehr als unerwünscht, was immer wieder zu Spannungen führte.

Zwischen 1838 und 1842 kamen drei Söhne und eine Tochter zur Welt. Die Familie wechselte oft den Wohnort, Grund war die mehrfache Versetzung von Josef Němec. Ab 1842 lebte die Familie in Prag und dort machte Němcová erste Bekanntschaften mit Mitgliedern der tschechischen Nationalbewegung, die sie weiter in ihrem Nationalbewusstsein bestärkten. Sie nahm den tschechischen Vornamen Božena an und begann intensiv zu schreiben, zuerst Märchen und Gedichte, die oft ihre nationale Gesinnung unterstrichen.

Einen Umzug nach Ungarn, wohin ihr Mann 1850 versetzt wurde, lehnte sie kategorisch ab und blieb mit ihren Kindern in Tschechien. Němcová bestand darauf, dass die Kinder tschechische Schulen besuchten.

Im Laufe der Jahre schrieb Němcová viel, sammelte auf Reisen Geschichten und Märchen, auch aus der Slowakei und Ungarn.

Die letzten Lebensjahre verbrachte Němcová verarmt und meist einsam. 1862 erkrankte sie schwer und verstarb am 21. Januar in Prag, wo sie auch beerdigt wurde.

Das bekannteste Werk Němcovás ist unumstritten der Roman Babička (Die Großmutter), der 1855 erschien. Es gilt als DER tschechische Roman, ist in etlichen Auflagen erschienen und auch verfilmt. Man erkennt Ähnlichkeiten der Figuren mit realen Personen, darunter die Autorin selbst.

Die Großmutter, die die Hauptfigur im Roman ist, zieht zu ihrer Tochter und kümmert sich um ihre Enkel. Sie wird eine wichtige Bezugsperson für die Kinder, erzählt ihnen von früher und lehrt sie demütig zu sein. Auch das Nationalbewusstsein der Autorin merkt man an vielen Stellen im Buch. Die Handlung ist wenig spannend, aber jedes Wort ist mit Bedacht geschrieben. Die Beschreibungen der Landschaft, der Häuser und Personen ist detailreich und ganz im Sinne der damaligen Zeit.

Vor allem die tschechische Sprache hat durch das Werk an Bedeutung für die Tschechen gewonnen. Der Roman gehört noch heute zur Pflichtlektüre tschechischer Schüler*innen.

In Deutschland ist Babička nur wenigen bekannt. Dafür aber kennt hier man ein Märchen aus Němcovás Sammlung umso besser: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel! Die Verfilmung des Märchens von 1973 erfreut sich in Deutschland großer Beliebtheit, man könnte fast sagen es hat Kultstatus. Obwohl die Geschichte nichts mit Weihnachten zu tun hat, läuft es zu dieser Zeit auf allen Sendern.

Auch andere Märchen aus Němcovás Feder sind in den 1970er und 1980er Jahren in Tschechien verfilmt worden. Viele zeigen Parallelen zu deutschen Märchen von den Gebrüdern Grimm, aber auch typisch slawische Einflüsse lassen sich erkennen.

Božena Němcová führte ein, für ihre Zeit, ein ungewöhnliches Leben. Sie strebte nach Unabhängigkeit, schrieb, wie ihr der Sinn stand, und vertrat moderne Ansichten, die sich viele Frauen damals nicht trauten auszusprechen. Dass sie dabei nicht unbedingt auf Zustimmung und Unterstützung hoffen konnte, hielt sie nicht ab.

Auch wenn ihr literarisches Werk durch ihren frühen Tod überschaubar blieb, liegt doch in allen Geschichten ein tieferer Sinn, der mit viel Liebe zur tschechischen Sprache und den Tschechen gespickt ist.

Pidgin und Kreol – Sprachen oder Kopien?

Allgemein gelten Pidginsprachen als Behelfssprache zwischen Menschen mit verschiedenen Muttersprachen. Sie zeichnen sich durch einen reduzierten und gemischten Wortschatz und eine vereinfachte Grammatik aus. Sie sind nur als Übergang „gedacht“, haben sich aber oftmals innerhalb von ein bis zwei Generationen zu einer neuen Muttersprache (Kreol) entwickelt.

Die Entstehung einzeln Pidginsprachen ist nicht immer genau geklärt. Die allgemeinen Forschungen gehen davon aus, dass hauptsächlich der Sklavenhandel der Ursprung der meisten Pidgins ist. Auch Handelsbeziehungen in Übersee förderten die Entstehung, da es zu Beginn kaum bzw. keine Übersetzer in Verhandlungsgesprächen gab und die meisten Gespräche nicht nur mit Gestik und Fingerzeigen möglich waren. Die in solchen Situationen entstandenen Handelspidgins (z.B. Russenorsk und baskisch-isländische Pidgin) wurde aber schnell von den Sprachen der Handelspartner abgelöst, da sie Übersetzer nutzten oder die Sprachen der Handelspartner selbst erlernten.

Anders sieht es bei den Pidginsprachen aus, die durch den Sklavenhandel entstanden, da im Unterschied zu den Handelspidgins keine gleichberechtigte Basis der Sprachen vorhanden war.

Die Kolonialmächte benötigten in ihren Kolonien viele billige Arbeitskräfte, die in den Kolonien nicht zu Verfügung standen. Ab 16. Jahrhundert setzte der systematische Handel mit Sklaven aus Afrika ein. Die Kolonialherren kauften in Afrika die Ware „Mensch“ ein, transportierten sie in die Kolonien (meist nach Amerika) und ließen sie auf riesigen Plantagen arbeiten.

Die Sklaven kamen aus verschiedenen Teilen Afrikas, vor allem West- und Zentralafrika. Dementsprechend sprachen viele unterschiedliche Sprachen, es gab ein großes Kommunikationsproblem zwischen ihnen. Außerdem war die Sprache des Sklavenbesitzers für sie unbekannt. Die Hauptsprachen der Plantagenbesitzer waren Englisch, Französisch, Niederländisch, Portugiesisch und Spanisch. Doch irgendwie mussten die Menschen miteinander kommunizieren.

Die Plantagenbesitzer waren nicht daran interessiert die Kommunikation zwischen den Sklaven zu verbessern. Die Hauptsache war, dass sie verstanden die Befehle der Aufseher verstanden. Schon beim Kauf der Sklaven wurde auf eine sprachliche Durchmischung geachtet, um möglichen Gruppenbildungen vorzubeugen und Aufstände zu verhindern.

Zwangsläufig mussten die Sklaven die Befehle und die grundlegenden Begriffe in der Sprache der Plantagenbesitzer und Aufseher lernen. Dazu kamen die zahlreichen afrikanischen Sprachen der Mitsklaven. Die Mischung der verschiedenen Sprachen ergab innerhalb kürzester Zeit eine eigene Form unter den Sklaven, die eine Verständigung im Alltag ermöglichte.

Für die Kinder der Sklaven gab es keine einheitliche oder gemeinsame Sprache. Aber sie benötigten eine, denn die ihrer Eltern waren meist unterschiedliche. Die erste Form der „neuen“ Sprache entstand aus dem Wortschatz der Sklavenhalter und Wörter und Alltagsphrasen der afrikanischen Sprachen, die die Sklaven sich untereinander beibrachten. Bis auf diese wenigen Wörter und Phrasen verloren die Sklaven ihre sprachliche Identität, wenn es keine gleichsprachigen Sklaven in ihrem Umfeld gab.

Der Wortschatz wurde von einer einfachen Grammatik begleitet, den die Sprecher oft aus ihren Muttersprachen übernahmen und somit nicht einheitlich war. Auch der Wortschatz speiste sich zunehmend aus dem der europäischen Sprachen, die Wörter der afrikanischen Sprachen wurden nach und nach ersetzt.

Verständlicherweise existieren kaum Aufzeichnungen über diese frühen Pidginformen. Welcher Plantagenbesitzer war schon an der Kommunikation seiner Sklaven interessiert und die Sklaven konnten nicht lesen und schreiben.

Die nachfolgenden Sklavengenerationen „hatten die Wahl“ zwischen zwei sprachlichen Möglichkeiten, um sich eine Muttersprache anzueignen. Entweder erwarben sie Kenntnisse in der Sprache der Sklavenbesitzer, also eine der europäischen Sprachen, was selten auf Muttersprachniveau geschah oder sie übernahmen die Pidginsprachen ihrer Eltern und Großeltern, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickelten. Diese weiterentwickelten Sprachen werden Kreolsprachen genannt.

Nun könnte man argumentieren, dass Kreolsprachen nur einfache Kopien europäischen Sprachen sind. Aber Kreolsprachen weisen Merkmale auf, die sie als eigenständig klassifizieren. Einige sind: Sprecher einer Kreolsprache können sich nicht mit Sprechern der Basissprache verständigen und umgekehrt. Die Grammatik der Kreolsprachen weist sprachtypologische Unterschiede zu den Kontaktsprachen auf. Oft gibt es phonologische Besonderheiten, die nicht in den Kontaktsprachen auftreten.

Im Gegensatz zu den Pidginsprachen hat sich die Forschung schon intensiver mit den Kreolsprachen und ihren Eigenschaften beschäftigt.

Kreolsprachen sind Sprachen mit einer vollständigen Grammatik und haben einen ähnlich großen Wortschatz wie andere Sprachen. Weiterhin haben sie immer eine Komponente, der der Wortschatz zugrunde liegt, meist europäisch (Ausnahmen gibt es aber!) und die Grammatik, die nicht immer eindeutig zu den Kontaktsprachen zugeordnet werden kann. Kreolsprachen bieten Menschen eine Muttersprache, Pidgins nicht. Diese Unterscheidung wird von vielen Sprachwissenschaftlern anerkannt. Einigkeit herrscht auch darin, dass jede Kreolsprache aus einer Pidginsprache entstanden ist.

Eine Frage, die noch nicht abschließend geklärt werden konnte, ist die nach der Entstehung der Grammatik dieser besonderen Sprachen. Viele Kreolsprachen (und auch einige Pidginsprachen, von den es Aufzeichnungen gibt) geben Hinweise darauf, dass bestimmte grammatische Strukturen naturgemäß von Sprechern bevorzugt werden, da nicht wenige Kreolsprachen grammatische Eigenschaften ausweisen, die weder von den europäischen noch von den anderen Kontaktsprachen stammen. Das würde für das Vorhandensein einer angeborenen Universalgrammatik sprechen (der Begründer der Theorie ist Noam Chomsky). Allerdings wird diese Theorie seit Jahrzehnten sehr kontrovers diskutiert, ein Ende ist nicht in Sicht!

In einigen Ländern der Welt haben sich Kreolsprachen zu Amtssprachen entwickelt. Bekannte Beispiele sind Tok Pisin in Papua-Neuguinea und das Haiti-Kreol. Es gibt zahlreiche Literatur von Kreolsprecher*innen in ihrer Muttersprache, sie werden als Schul- und Verwaltungssprachen genutzt. Das alles zeigt, dass eine Sprache nicht alt sein muss, um als eigenen Sprache wahrgenommen und verwendet zu werden!

Niedersorbisch – klein, aber fein!

Wer in Brandenburg rund um Cottbus unterwegs ist, wird es schon oft gesehen haben: Zweisprachige Schilder für Straßen, Bahnhöfe und Wegweisern. Die meisten bemerken es kaum, aber es ist ein Hinweis auf die Existenz der kleinsten westslawischen Sprache, dem Niedersorbischen.

In Deutschland ist sie als anerkannte Minderheitensprache besonders geschützt und die Sorben als nationale Minderheit anerkannt (das gilt für alle Sorben, die Unterscheidung zwischen Ober- und Niedersorben ist dabei nicht ausschlaggebend). Die Verwandtschaft des Niedersorbischen mit dem Obersorbischen, Polnischen und Tschechischen ist in allen Bereichen der Sprache zu erkennen.

Das Siedlungsgebiet der Niedersorben ist heute die Niederlausitz im Süden Brandenburgs. Die größte Stadt und ihr niedersorbisches Zentrum ist Cottbus, niedersorbisch Chóśebuz. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gemeinden, die durch ihre Zugehörigkeit zum Sorbentum (das gilt natürlich nicht für alle Einwohner) die Sprache und Kultur der Niedersorben pflegen.

Aktuelle Zählungen gehen von etwa 7.000-10.000 Niedersorbischsprechende aus, damit ist sie eine der am stärksten vom Aussterben bedrohte Sprache Europas. Die Zahlen beinhalten auch Personen, die nur geringe Niedersorbischkenntnisse aufweisen und dadurch nur bedingt für den Erhalt der Sprache sorgen können.

Seit der Wende setzten sich wieder vermehrt Verbände und Organisationen für den Erhalt des Niedersorbischen ein. 1998 wurde Niedersorbisch von der EU als eigenständige Sprache anerkannt und in die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aufgenommen.

In der Vergangenheit waren die Sorben und ihre Sprachen immer wieder mit deutschen Repressalien konfrontiert. Im 17. Jahrhundert wurden das Sorbisch sprechen und der Druck sorbischer Bücher von Seitens Preußens und Sachsens verboten, die Sorben sollten sich assimilieren. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus galt Sorbisch als minderwertig. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die sorbischen Sprachen zwar staatlich gefördert, waren aber (inoffiziell) an die Loyalität gegenüber der DDR-Regierung gebunden.

Nach der Wende gründeten sich wieder Vereine und Verbände, die aktiv und innovativ ins Kulturleben eingreifen. Um die niedersorbische Sprache in die jungen Generationen zu tragen, die zu Hause oftmals nur noch durch die Großeltern Kontakt mit Niedersorbisch haben, wurde das Projekt WITAJ aufgebaut, dass bilinguale Kitas schuf und Grundschulen die Möglichkeiten eröffnete Sorbisch in den Lehrplan aufzunehmen. In Cottbus gibt es die Möglichkeit das Abitur in niedersorbischer Sprache abzulegen. Diese Bemühungen werden Schritt für Schritt erweitert.

In Leipzig gibt es an der Universität die Studiengänge B.A Sorabistik und Lehramt Sorbisch. Damit besteht die Möglichkeit sich intensiv mit der Sprache zu beschäftigen und sie weiterzugeben. In den Medien ist Niedersorbisch ebenfalls zu finden. Die Regionalen Fernseh- und Radiosender haben einige Sendungen rund um das Niedersorbische im Programm, es gibt außerdem Zeitungen und Zeitschriften für Erwachsene und Kinder.

Niedersorbisch wird, wie alle westslawischen Sprachen, in lateinischer Schrift geschrieben. Die phonologischen Besonderheiten müssen mit Hilfe von diakritischen Zeichen wie ein Hatschek (ein umgedrehtes Dach auf dem Buchstaben z.B. š) oder ein Akut (ein diagonal verlaufender Strich über dem Buchstaben z.B. ŕ) umgesetzt werden. Außerdem gibt es neben dem L [l] auch noch ein Ł [w], dass es im Polnischen, aber nicht im Deutschen gibt.

Durch die Zugehörigkeit zu der slawischen Sprachfamilie ist Niedersorbisch eine stark flektierende Sprache, was für deutsche Sorbischlernende eine echte Herausforderung darstellt. Auch die zusätzliche Numeruskategorie des Duals (Zweizahl), neben Singular und Plural, stellt eine Besonderheit dar. Den Dual gibt es im Slawischen nur in den beiden sorbischen Sprachen und im Slowenischen. Ähnlich wie im Polnischen gibt es im Niedersorbischen mehr Fälle als im Deutschen, sechs insgesamt. Der, im Polnisch schwindende Vokativ, ist im modernen Niedersorbisch nicht mehr zu finden. In der Verwendung der Fälle bestehen im Sprachdreieck Niedersorbisch-Deutsch-Polnisch einige Unterschiede. Sprecher des Polnischen können Niedersorbisch aber recht gut verstehen.

Ursprünglich herrschte die Satzgliedfolge Subjekt-Objekt-Verb (SOV) vor, aber durch den starken Sprachkontakt mit dem Deutschen ist auch Subjekt-Verb-Objekt (SVO) zumindest im mündlichen Sprachgebrauch auf dem Vormarsch. Der Wortakzent liegt im Allgemeinen auf der Silbe, wie im Tschechischen und Deutschen.

Das Deutsche hat im Laufe der Jahrhunderte deutliche Spuren im Niedersorbischen hinterlassen. Am deutlichsten wird das in der Lexik (Wortschatz), der voll mit Entlehnungen ist. Nicht immer sind sie auf den ersten Blick zu erkennen. Der Druck des Deutschen auf das Niedersorbische, vor allem im Bereich des Handwerks (mejstaŕ – Meister), der Amtssprache und religiöser Begriffe (gnada – Gnade), ist dem Umstand geschuldet, dass die Herrscher der letzten Jahrhunderte Deutsch als alleinige Sprache in ihren Machtbereichen umsetzten und Sorbisch nur innerhalb der sorbischen Gemeinschaft verwendet wurde.

Auch das Obersorbische hat durch seine größere Sprecherzahl starken Einfluss auf das Niedersorbische ausgeübt. In den letzten Jahren wird immer wieder versucht sogenannte Obersorabismen durch Neuschöpfungen aus dem Niedersorbischen Wortschatz zu revitalisieren. Nicht immer von Erfolg gekrönt, denn die Kluft zwischen den Verfechtern des „reinen“ Niedersorbisch und der Alltagssprache wird dadurch tiefer.

Die Bemühungen der Sorben um den Erhalt des Niedersorbischen und die Zeit wird zeigen, ob sich diese kleine und doch so interessante Sprache halten wird!!

Nornen – die Schicksalsfrauen

Die Nornen (altnordisch „Raunende“) sind Schicksalsfrauen der nordischen Mythologie, die von Wyrd, dem Schicksal selbst, abstammen sollen. Sie werden von Menschen und Göttern gleichermaßen verehrt, für ihre Weisheit, Klugheit und magischen Fähigkeiten. Sie gehören zwar zum Kreis der göttlichen Wesen, sind aber unabhängig von den Göttern, da sie Teil des Schicksals sind.

Wie die Walküren gehören sie zu den Disen, weibliche mythische Wesen, deren Ursprung nicht ganz geklärt ist. Wahrscheinlich haben sie sich aus Vegetationsgottheiten entwickelt. Auch als Schutzgöttinnen für Schwangere und Wöchnerinnen werden sie verehrt, obwohl diese Funktion auch von anderen Göttinnen erfüllt wird.

In der nordischen Mythensammlung, der Edda, werden drei Nornen namentlich erwähnt: Urd, Verdandi und Skuld. Urd steht für die Vergangenheit. Verdandi symbolisiert das Bestehende bzw. die Gegenwart. Und Skuld steht für die Zukunft.

Alle drei leben am Fuße der Weltesche Yggdrasil, an der Quelle des Schicksals aller Menschen und der Götter. An der Esche entspringt die Quelle des Schicksals, die Urdquelle. Der Name der Norne Urd leitet sich von ihr ab.

Die Nornen bestimmen über das Leben aller, sie spinnen den Lebensfaden der Menschen und wissen beim Spinnen, welcher Faden für wen bestimmt ist. Jedes Neugeborene bekommt bei der Geburt ein von ihnen bestimmtes Schicksal und Lebenslänge zugewiesen. Der Faden, den sie spinnen, symbolisiert das Leben. Wird er zerrissen, endet das Leben.

Außerdem ritzen die Nornen die heiligen Runen, deren Bedeutung anfangs nicht mal Odin kannte.

In der Edda wird berichtet, dass sich Odin, der Allvater, selbst zu den Nornen begibt, um mehr über sein Schicksal zu erfahren. Obwohl er der Göttervater ist, kann er sein Schicksal selbst nicht sehen, weil er die Runenkunst und ihre Deutung nicht beherrscht. Dies will er aber unbedingt. Seine Gemahlin Frigg, eine Göttin aus dem Geschlecht der Asen, schickt ihn zu den Nornen. Als er bei Yggdrasil ankommt, schweben die drei Nornen aus dem umgebenden Nebel auf ihn zu. Sie sprechen mit einer gemeinsamen Stimme. Als Schicksalsfrauen erwarten ihn bereits, sie wissen, was er will und geben ihm Auskunft über sein Schicksal. Er könne seinem Schicksal bei Ragnarök, dem Ende der Welt nicht entkommen, aber Odin glaubt ihnen nicht recht. Für die Kunst des Runendeutens müsse er Opfer bringen, so ein Zauber sei schließlich sehr mächtig. Er solle sich selbst als Opfer darbringen. Was tut man nicht alles für Macht und Wissen?

Odin bestimmt den Fuß von Yggdrasil fortan als Versammlungsort der Götter, denn hier wird schließlich über das Schicksal bestimmt.

Die Mythen über weibliche Schicksalsfrauen sind nicht nur in der nordischen Mythologie verbreitet. Auch bei den Griechen und Römer tummeln sich solche Erscheinungen. Bei den Griechen heißen sie Moiren, bei den Römern Parzen. Auch die Slawen kennen solche Figuren, die drei Himmels- oder Lichtgöttinnen Zorya, die Eigenschaften aufweisen.

Die Zahl drei spielt in allen Mythologien eine wichtige Rolle, nur die Einstellung der Figuren zu den Menschen und der Welt unterscheiden sich in den verschiedenen Mythologien. Auch die Zuschreibung guter oder böser Eigenschaften lässt sich nicht eindeutig klären. Die Geschichten wurden von jeher mündlich weitergegeben, schriftliche Zeugnisse stammen aus jüngerer Zeit (im Vergleich mit dem Alter der Mythen).

Die Figuren überdauern die Zeit, werden in andere Geschichten oder Märchen eingebaut und verändern sich manchmal so stark, dass ihr Ursprung nicht mehr eindeutig zu erkennen ist. Man könnte Vergleiche ziehen von den Schicksalsfrauen aus den Mythen zu Gestalten in den Märchen wie Hexen oder Feen. Jeder hat Eigenschaften, die klar mit ihrer Rolle in der jeweiligen Erzählung passen.

Deutsche Sprachinseln in Australien

Australien war ab dem 18. Jahrhundert ein beliebtes Einwanderungsland für Europäer. Ursprünglich als britische Strafkolonie gegründet, lockten Land und religiöse Freiheit die europäischen Siedler.

1861 ergaben Zählungen etwa 27.000 deutschstämmige Bewohner Australiens. Bei einer Zählung im Jahr 2011 wurden knapp 900.000 Menschen erfasst, die deutsche Vorfahren haben. Damit liegt diese ethnische Gruppe auf dem sechsten Platz.

Schon in den ersten Kolonien waren Deutsche mit dabei, meist als Arbeitskräfte, aber auch als Häftlinge. Die ersten Siedler stammten aus dem Süden Deutschlands. Erst später erhöhte sich der Anteil der Nord- bzw. Nordostdeutschen, die aus Preußen und Schlesien stammten. Es ist belegt, dass es Agenturen gab, die den Menschen bei der Auswanderung halfen. 1838 kamen die ersten größeren Gruppen von Auswanderer und gründeten die Ortschaften Klemzig und Hahndorf (in der Nähe von Adelaide). Die größten Siedlungen entstanden in den Bundesstaaten South Australia und Victoria, im Süden des Kontinents.

Es gibt keine genauen Zahlen wie viele Deutsche damals nach Australien einwanderten, es waren meist ganze Familien oder Gemeinden, die aus verschiedensten Gründen ihre Heimat verließen, beispielsweise wegen religiöser Verfolgung oder wirtschaftlicher Gründe. Häufig folgten Angehörige der Gemeinschaften den Auswanderern nach einiger Zeit, so dass es einen konstanten Strom an Zuwandern in die deutschen Gemeinden gab.

Nach 1848 verstärkte sich der Auswandererstrom aus Deutschland, wahrscheinlich aufgrund der gescheiterten Märzrevolution. Diese Menschen ließen sich größtenteils in Städten nieder, waren besser gebildet als die ersten Einwanderer und bildeten eigenen Gemeinschaften. Auch in anderen Teilen Australiens siedelten Deutsche, unter anderem in New South Wales und Queensland.

Die Sympathie für Deutsche nahm zum Ende des 19. Jahrhunderts und wegen der beiden Weltkriege stark ab, zwischen 1919- 1925 bestand sogar ein Einwanderungsverbot für Deutsche. Während des ersten Weltkrieges setzte die australische Regierung zahlreiche Einschränkungen für Deutsche durch. Unter anderem wurde die Verwendung der deutschen Sprache unter Strafe gestellt, deutsche Schulen geschlossen, deutsche Ortschaften umbenannt und viele Deutsche teilweise in Internierungslager gebracht.

Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg ist eine starke Einwanderungswelle von Deutschen zu erkennen. Die Auswanderer stammten zum größten Teil aus den ehemals deutschen Gebieten im Osten. Das bedeutet für eine kurze Zeit eine Stärkung des Deutschen in Australien, aber aufgrund der rechtlichen Situation waren auch die neuen Einwanderer gezwungen Englisch als Hauptkommunikationsmittel zu verwenden.

Die zahlreichen Zeitungen in den deutschsprachigen Gebieten wurden mit der Zeit auf englische Publikationen umgestellt, deutsche Drucke waren zeitweise verboten. Das beschleunigte die Anpassung der Deutschsprachigen ans Englische.

Die stärkste Bindung an die deutsche Sprache findet sich im kirchlichen Umfeld. Die Gottesdienste wurden lange Zeit weiterhin in deutscher Sprache gehalten. Doch zu Beginn des zweiten Weltkrieges mussten auch die Kirchengemeinden ihre Gottesdienste und den Unterricht der Sonntagsschulen in englischer Sprache abhalten.

Mittlerweile gibt es nur noch vereinzelte kulturelle Bemühungen die deutsche Sprache und Traditionen zu erhalten.

Eine Besonderheit in dem schwindenden Deutschtum scheint das Barossadeutsch zu sein. Es ist ein deutscher Dialekt im Barossa-Valley im Bundesstaat South Australia nahe Adelaide. Dort befinden sich zahlreiche Weinanbaugebiete, viele davon von Deutschstämmigen geführt. Es ist eine Sprachinsel, vergleichbar mit dem Pennsylvaniadeutsch in den USA. Durch die Übermacht der englischen Sprache ist diese Sprachinsel am Verschwinden, aber einige wenige versuchen sich am Erhalt.

Im Allgemeinen haben die Deutschsprachigen im Alltag sehr engen Kontakt mit Englisch. Sie verwenden es im öffentlichen Leben, Deutsch ist eher eine Familiensprache.  Verwendet wird allgemein die deutsche Standardsprache (wenn man von einem Standard ausgehen möchte, es besteht Uneinigkeit über diesen Ausdruck). Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche lexikalische Entlehnungen aus dem Englischen, dabei wird (meist) die typisch deutsche Groß- und Kleinschreibung angewendet. Die Satzstellung zeigt oft eine Veränderung bei der Verwendung von zweitteiligen Prädikaten oder der Verbstellung. Auch einige Besonderheiten der deutschen Dialekte der Auswanderer, wie der Wechsel der Artikel bei Substantiven, sind zu beobachten.

Die Entwicklung geht aber immer mehr weg von dialektalen Varianten, hin zum Standard bzw. zum Englischen. Das Deutsche wird sich über die nächsten Generationen zu einer Fremdsprache oder zweiten Familiensprache entwickeln. Die Verwendung von Deutsch spielt im Tourismus eine gewissen Rolle, auch die Einwanderung von Deutschen zur heutigen Zeit kann helfen diese Sprache in einigen Gegenden Australiens zu erhalten, zumindest im mündlichen Gebrauch. Ohne Schulunterricht wird der Erwerb des schriftlichen Deutsch nicht möglich sein. Von Seiten des australischen Staates gibt es keine Intension an der Förderung des Deutschen.

J. R. R. Tolkien – der Vater von Mittelerde

Wer kennt nicht die Bücher „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“? Nicht jeder hat sie gelesen, die meisten aber gesehen. Doch wer war der Mann, der diese fantastische Welt und ihre außergewöhnlichen Sprachen geschaffen hat?

John Ronald Reuel Tolkien, meist werden seine Vornamen Ronald und Reuel abgekürzt, wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein geboren. Der Ort lag im Oranje-Freistaat, der eine unabhängige Republik unter den Buren in Südafrika war. Heute ist sie ein Teil der Republik Südafrika. Tolkiens Vater Arthur arbeitete dort für eine Bank. Die Vorfahren der Familie Tolkien stammten aus Deutschland.

1895 reiste Tolkiens Mutter Mabel mit ihm und seinem jüngeren Bruder Hilary nach Birmingham, wo sie 1896 vom Tod ihres Mannes erfuhr. Die Familie blieb daraufhin in England. Schon als Kind faszinierten ihn Sprachen und seine Mutter lehrte ihn Grundzüge von Latein, Deutsch und Französisch. Auch Märchen, Sagen und Heldengeschichten wurden im Hause Tolkiens gerne gelesen. Tolkiens Mutter unterstützte die Interessen ihrer Söhne.

1900 trat Mabel mit den Kindern zum römisch-katholischen Glauben über, was in ihrem Umfeld für viele Spannungen sorgte. Für Tolkien blieb sein Glauben zeitlebens eine wichtige Stütze.

In der Schule lernte Tolkien Latein und Griechisch, auch Mittelenglisch eignete er sich an. Seine Begeisterung für Sprachen, vor allem alte Sprachen, nahm immer mehr zu.

1904 starb seine Mutter unerwartet nach kurzer schwerer Krankheit und die Kinder kamen in die Obhut von Pater Francis Morgans. Die beiden Waisen wohnten in den nächsten Jahren bei ihrer Tante Beatrice. 1908 lernte er Edith kennen, eine drei Jahre ältere Frau, in die er sich verliebte. Sein Vormund Pater Francis Morgans verbot ihm allerdings den Umgang mit ihr.

Die Schulzeit nutze Tolkien intensiv, um sich weiter mit Sprachen zu beschäftigen. Zu seinen schon zahlreichen Sprachen kamen Das Gotische, das Altenglische und das Altnordische hinzu, wodurch er in der Lage war die alten Literaturen wie „Beowulf und den nordischen Mythen im Original zu lesen. Mit diesen Sprachfähigkeiten ausgestattet, begann Tolkien bald eigene Sprachen zu konstruieren. Außerdem versuchte er sich an eigenen Gedichten und gründete mit Freunden einen Literaturclub.

1910 gelang es Tolkien, nachdem er es 1909 schon versucht hatte, ein Stipendium von Exeter College in Oxford zu bekommen. 1911 begann er ein Studium der klassischen Sprachen (Latein und Griechisch), war aber schnell gelangweilt und beschäftigte sich zusätzlich noch mit Walisisch und Finnisch (einer Sprache, von der er sehr angetan war).

Kurz vor seinem 21. Geburtstag schrieb er seiner großen Liebe Edith, musste aber erfahren, dass sie sich mit einem anderen Mann verlobt hatte. Tolkien fuhr daraufhin zu ihr und überzeugte sie, ihn zu heiraten.

Nach zwei Studienjahren wechselte er an das Institut für Englische Sprache und Literatur, das sein Interesse an germanischen Sprachen immer mehr zunahm. Im Juni 1915 schloss er sein Studium, mit Auszeichnung, ab. Am 22.März 1916 heiratete Tolkien Edith, nachdem sie ein Jahr zuvor zum römisch-katholischem Glauben konvertiert war. Zwischen 1917 und 1929 bekam das Paar vier Kinder.

Der erste Weltkrieg erfasste 1916 auch das Leben Tolkiens. Er nahm an der Schlacht an der Somme teil, die schrecklichen Bilder der Schlacht ließen ihn nie wieder los. Eine Erkrankung am Fleckfieber, verursacht durch die katastrophalen hygienischen Bedingungen, machten eine Behandlung in England notwendig. Viele seiner Studienfreunde fielen im Krieg.

Im November 1918 bekam Tolkien eine Stelle beim New English Dictionary, die ihn intellektuell forderte. Nebenbei unterrichtet er Privatschüler, um das Gehalt aufzubessern. 1920 ging er für zwei Jahre als Professor ans Institut für englische Sprache nach Leeds, bis er sich 1925 auf eine freie Professur für Angelsächsisch am Pembroke College in Oxford bewarb und schließlich auch bekam.

1945 wurde Tolkien Professor für Anglistik, ebenfalls ins Oxford. Er lehrte und schrieb in den nächsten Jahrzehnten, manche Werke überarbeitete er mehrfach. 1971 starb seine Frau Edith, was Tolkien schwer traf. 1972 wurde ihm von der Queen der Rang eines Commander des Order of the British Empire verliehen. Am 2. September 1973 starb Tolkien in Bournemouth und wurde in Oxford beigesetzt.

Die Werke, die Tolkien schuf, sind weltberühmt und seit Generationen Pflichtlektüre für Fantasy-Fans. Das bekannteste Werk „Der Herr der Ringe“ erschien erstmals 1954, nach vielem Hin und Her. Einige Verlage lehnten das Buch als zu lang ab, Tolkien war aber nicht zu Veränderungen bereit. Es wurde schließlich in drei Bänden („die Gefährten“- „Die zwei Türme“- „die Rückkehr des Königs“) herausgegeben. 1964 kam es zu einem Streit um die Taschenbuchrechte. Ein amerikanischer Verleger brachte das Buch ohne Tolkiens Erlaubnis als Taschenbuch heraus. Die Rechtslage war nicht eindeutig, aber der öffentliche Aufschrei beflügelte Tolkiens Ruhm immens.

Auch die Veröffentlichungen „Der Hobbit“ und „Das Silmarillion“ sind im deutschsprachigen Raum sehr bekannt und beliebt.

In seinen Werken sind die von ihm erfundenen Sprachen eingebettet. Es gibt eine ganze Reihe von Sprachen, die manchmal auf von Tolkien erlernten Sprachen beruhen ( z.B. Quenya und Sindarin, die auf finnische Grundlagen beruhen) oder ganz anderen Sprachprinzipien aufweisen.

Die Geschichte rund um die Sprachen waren für Tolkien eine geeignete Möglichkeit ihnen Leben einzuhauchen. Denn wie soll eine Sprache funktionieren, wenn sie keiner spricht? Das seine Sprachen nur von fiktiven Wesen gesprochen wurde, war für Tolkien kein Widerspruch.

Eingefleischte Fans lernen mitunter Sprachen aus Tolkiens Welt. Da seine Sprachen vielschichtig und komplex aufgebaut sind, über einen reichen Wortschatz verfügen (nicht alle, die Sprachen der Orks beispielsweise, sind oft nur rudimentär) eignen sie sich zum Kommunizieren.

Tolkiens Welt bietet Raum für viel Fantasie und Träumereien für Groß und Klein. Die von ihm geschaffene Welt lebt weiter und mit ihr die Sprachen der Elben, Zwerge und anderen!

Märchen – der Kampf Gut gegen Böse

Hexen, Feen, sprechende Tiere und vieles mehr….. im Märchen gibt es alles, was das Geschichtenherz begehrt!

Jeder von uns hat sein Lieblingsmärchen, eine Geschichte, die man als Kind immer und immer wieder vorgelesen haben wollte! Später konnte man sich selber das Märchenbuch schnappen oder lässt das Märchen einfach im Kopf ablaufen. Mein Lieblingsmärchen ist definitiv „Tischlein deck dich“. Wer es nicht kennt, lesen lohnt sich!

Märchen sind eng verwandt mit Sagen und Mythen, sind frei erfunden und zeigen keine Anhaltspunkte für Ort und Zeit. Die Personen und Tiere in Märchen sind eingeteilt in gut und böse, wiederkehrende Charaktere weisen meist ähnliche Eigenschaften auf z.B. die böse Hexe oder der gutaussehende, heldenhafte Prinz u.a. Die Vorstellungen der Menschen, wie solche Charaktere zu sein haben, spiegelt die allgemeine Vorstellung von Moral in früherer Zeit wider. Auch religiöse oder spirituelle Aspekte findet man in vielen Märchen wieder. Die Sicht auf die Welt, der Kampf des Guten gegen das Böse usw. wird in Märchen auf verschiedene Arten ausformuliert.

Ursprünglich waren Märchen mündlich überlieferte Geschichten, deren Ursprünge sehr weit zurückliegen. Geschichten dieser Art findet man in allen Teilen der Welt, viele Kulturen sind auf mündliche Überlieferungen angewiesen, denn sie besitzen oft keine Schrift.

Auch im europäischen Raum wurden Märchen lange Zeit innerhalb der Familien und Gemeinschaften weitererzählt. In der Romantik (etwa 1790-1840) kam die Zeit der Märchensammlungen auf. Das soll nicht bedeuten, dass nicht schon früher versucht wurde Märchen zu verschriftlichen, aber das immense Interesse kam in der Romantik. Die berühmten Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm (1785-1863) /(1786-1859), Johann Karl August Musäus (1735-1787) und Ludwig Bechstein (1801-1860) sind in Deutschland die bekanntesten Märchensammler aus dieser sammelwütigen Zeit.

Neben vielen Sammlungen entstanden auch immer weitere Märchen aus der Feder berühmter Schriftsteller und Schriftstellerinnen. Diese orientierten sich einerseits an Mythen oder Legenden, anderseits flossen aktuelle, oft sozialkritische Themen mit ein. Modern Märchen, auch Kunstmärchen genannt, erfreuten sich in der Romantik ebenso großer Beliebtheit. Die Liste der Autoren und Autorinnen ist lang. Einige sind: Wilhelm Hauff (1802-1827), Hans Christian Andersen (1805-1875), Johann Ludwig Tieck (1773-1853), Gottfried Keller (1819-1890) und Božena Němcová (1820-1862). 

Božena Němcová mag vielen unbekannt erscheinen, aber das Märchen und der tschechisch-deutsche Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ sind fast jedem ein Begriff, oder?!

Volks- und Kunstmärchen sind von der Entstehungsgeschichte zwar unterschiedlich, folgen im Handlungsstrang aber meist den gleichen Regeln. Die Figuren stehen entweder für das Gut oder das Böse. Außerdem besitzen die Figuren oftmals phantastische Fähigkeiten: Tiere können sprechen, Menschen zaubern und es treten immer wieder Fabelwesen wie Drachen u.a. auf. Die Figuren zeigen ihre gute oder böse Seite vor allem durch ihr Handeln. Der Leser bekommt kaum Zugriff aus ihre Gefühle oder Gedanken, so wie wir es aus Romanen kennen.

Die Handlung ist meist unilinear und folgt festen Strukturen. Es entsteht eine Situation, in der einer guten Figur Unrecht geschieht, z.B. wird ein Prinz von einer Hexe verzaubert und erst durch eine gute Tat einer anderen guten Figur wird der Zauber aufgehoben. Die Eigenschaften der Handelnden werden dabei gegenübergestellt: schwach-stark, dumm-klug, arm- reich usw.

Der Leser empfindet Sympathie mit der Person, der Unrecht geschieht, versetzt sich dabei in seine Lage und fiebert einem positiven Ende entgegen. Der Großteil der Märchen hat ein gutes Ende, das Gute siegt über das Böse. Das entspringt vor allem den Wünschen der Zuhörer oder Leser, ist im wahren Leben nicht immer so.

Das grundlegende Thema des Märchens Gut gegen Böse wird in zahlreiche andere Genres übertragen. Wir Menschen lieben Dinge, die mythisch, unerklärlich und ein wenig schaurig sind. Ich erinnere mich gut an die Gänsehaut, wenn die böse Königin Schneewittchen die rote Hälfte des Apfels anbietet und alles in mir schreit: Nimm ihn nicht! Siehst du nicht wer sie ist? Auch wenn ich natürlich wusste, dass am Ende alles gut wird!

Heutzutage könnte man natürlich die Stereotypen der Märchen anprangern, viele tun das und erzählen Märchen in anderen Formen. Na klar, es muss auch nicht immer der heldenhafte Prinz sein, der komischerweise immer wie aus dem Ei gepellt aussieht! Aber in unserem Inneren sind wir Romantiker und Romantikerinnen, wir verraten es einfach keinem!

Andere lehnen Märchen ab, weil sie sehr viel Gewalt beinhalten oder durch die Vernichtung des Bösen am Ende ein Ungleichgewicht in der Welt entsteht. Diese Sichtweisen kann ich gut nachvollziehen. Doch wir teilen unsere Welt immer in zwei Seiten ein, unbewusst und meist ohne böse Absichten. Märchen zeigen uns eine Art Weg im Leben. Klar, jeder sollte seinen eigenen Weg finden, aber nicht immer ist er so geradlinig wie man es geplant hat.

Märchen geben mir immer das Gefühl, dass ich trotzdem irgendwann am Ziel ankomme, mit oder ohne Umwege. Und dass ich es selbst in der Hand habe. Oder dass ich es mit Hilfe anderen Menschen schaffe meine Ziele zu erreichen! Nur von dem Wunsch, den sich selber deckenden Tisch aus dem Märchen zu finden, habe ich mich endgültig verabschiedet!

Kaschubisch – mehr als ein polnischer Dialekt!

Die Kaschubei, die die Städte Danzig (poln. Gdańsk), Gdingen (poln. Gdynia) und die westlichen und südwestlichen Gebiete davon umfasst, beheimatet eine kleine, aber interessante Regionalsprache: Das Kaschubische (kaszëbsczi jãzëk).

Die erste Erwähnung der Region und der Sprache stammt aus einer Urkunde von 1238, die eng mit den pommerschen Herzögen in Verbindung steht. Erste Schriften in kaschubischer Sprache sind aus dem 15. Jahrhundert, die Vereinheitlichung der kaschubischen Sprache ist aber bis heute nicht vollständig vollzogen. Es gibt einige kaschubische Dialekte und Mundarten.

Das Siedlungsgebiet der Kaschuben, sie sind Nachfahren der östlich lebenden Pomoranen, ersteckte sich westwärts bis nach Köslin (poln. Koszalin), Belgard (poln. Białogard) und Kolberg (poln. Kołobrzeg). Genau Angaben sind schwierig, da wenig schriftlich belegt ist.

Die bewegte Geschichte der Region, vor allem durch den Wirkungskreis Preußens, lässt einen starken Einfluss des Deutschen auf das Kaschubische erkennen. Die Kaschuben hatten oft keine andere Möglichkeit als sich anzupassen oder auszuwandern, was ihre Zahl und ihr Siedlungsgebiet stark dezimierte.

Nach dem ersten Weltkrieg lag der größte Teil des kaschubisch-sprachigen Gebietes im neu-gegründeten Polen. Doch in Polen herrscht Misstrauen gegenüber den Kaschuben, man sprach ihnen deutschgesinnte Ansichten zu. Das führte dazu, dass das Ansehen der kaschubischen Sprache stark abnahm. Im polnischen Verständnis galt Kaschubisch eher als Dialekt des Polnischen, die Schwierigkeiten der kaum vorhandenen Verschriftlichungen verstärkten diese Tendenz.

Man geht davon aus, dass etwa 300.000 Menschen in der Kaschubei Kaschubisch verstehen, etwa 110.000 sprechen es im Alltag. Die größte Gruppe Kaschubisch Sprechender gibt es in Kanada, insgesamt etwa 20.000 Menschen. Durch die geringe Sprecherzahl ist das Kaschubische im Atlas der gefährdeten Sprachen der UNESCO als gefährdete Sprache klassifiziert. In der Region gibt es seit Jahren verstärkte Bemühungen zum Schutz und Förderung der Sprache. Die Anerkennung als Regionalsprache hat ihren Teil, auf politischer Ebene, dazu beigetragen.

Kaschubisch gehört zu den westslawischen Sprachen und wird innerhalb dieser Gruppe zur den lechischen Sprachen gezählt, zu denen auch Polnisch und einige bereits ausgestorbene Sprachen, wie Polabisch und Slowinzisch, gehören. Einige Forscher sehen Kaschubisch als Bindeglied zwischen dem Polabischen und Polnischen.

Es stellt sich als schwierig heraus die kaschubische Sprache zu standardisieren, da sie über zahlreiche Varianten verfügt. Die wenigen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die in kaschubischer Sprache schreiben bzw. schrieben, tun bzw. taten das in ihrem jeweiligen Dialekt. Der bekannteste unter ihnen ist Florian Stanislaw Ceynowa (1817-1881).

„Sprecht lieber reines Kaschubisch als verdorbenes Polnisch!“ (Ceynowa)

Seit 1990 gibt es einen Versuch eine einheitliche Orthografie durchzusetzen. Die Zeit wird zeigen, ob es erfolgreich sein wird.

Das wachsende Interesse am Kaschubischen beschränkt sich momentan auf Polen. Es ist mittlerweile möglich Kaschubisch (im Sprachgebiet) in Schulen zu erlernen und, seit 2005, das Abitur in kaschubischer Sprache abzulegen.

Schaut man sich die kaschubische Sprache an, sieht man die Verwandtschaft zum Polnischen auf den ersten Blick. Vor allem der Wortschatz überschneidet sich großflächig und auch die Grammatik des kaschubischen hat sich im Laufe der Zeit der polnischen angepasst.

Neben den vielen Gemeinsamkeiten mit dem Polnischen, gibt es eine Menge von Merkmalen, die sich unterscheiden. Einige sollen beispielhaft folgen, die Liste ist keinesfalls vollständig!

Der für deutsche und polnische Augen ungewöhnliche Buchstabe ë, fällt sofort ins Auge. Es ist ein, dem Deutschen bekanntes, zentrales Schwa [ə], dass aber je nach Dialekt unterschiedlich gesprochen werden kann und bedeutungsunterscheidend ist (Bsp: rëk ‚Gebrüll‘ – rek ‚Krebs‘).

Anders als Polnisch besitzt das Kaschubische einen Initialakzent (im Süden) oder einen freien Akzent (im Norden und in der Mitte).

Außerdem wurde die im Polnischen typische Palatalisierung vieler Konsonanten aufgehoben (=Entpalatalisierung).

Auch morphologische Unterschiede gibt es zu Genüge, sie hier zu beschreiben würde ausufern!

Interessant ist der doch erstaunlich hohe Lehnwortschatz aus dem Deutschen, vor allem aus dem Niederdeutschen. Natürlich kamen, auch Lehnwörter aus dem Tschechischen und Russischen dazu. Schriftsteller beweisen oft viel Fantasie und bereichern die kaschubische Sprache um Neologismen, die durch Kulturvereine und Zeitungen Verbreitung finden.

Der Erhalt des Kaschubischen ist keineswegs sicher, die Zahlen der Muttersprachler sind leicht rückläufig. Hoffnung besteht aber durchaus, das das Interesse an der Sprache wächst und Möglichkeiten geschaffen werden, die Sprache zu lernen und im öffentlichen Alltag zu gebrauchen.

Die deutsche Sprachinsel in Namibia

Namdeutsch, Namibia-Deutsch, Südwesterdeutsch oder Namibisches Deutsch: Die deutsche Sprache in Namibia hat einige Namen. Je nachdem in welches Nachschlagewerk oder sprachwissenschaftliche Abhandlung man schaut, findet man Varianten, die aber alle dasselbe meinen.

Die Geschichte des Deutschen in Namibia beginnt 1842, als Missionare in das Gebiet des heutigen Namibia kamen. 1884 erklärte Bismarck Deutsch-Südwestafrika zum Schutzgebiet, was eigentlich nichts anderes hieß als es zur Kolonie zu erklären. Offiziell gab es Kaufverträge für die Bucht Angra Pequena (in manchen Atlanten als Lüderitzbucht benannt) und das angrenzende Küstenland, die Rechtmäßigkeit dieser Käufe ist doch stark anzuzweifeln. Ab 1890 kamen etwa 12.000 deutsche Siedler in die Kolonie, 1894 öffnete in Windhoek (Hauptstadt und wirtschaftlicher Dreh- und Angelpunkt) die erste Grundschule, 1909 folgte eine Oberschule. Dort wurden alle weißen Kinder beschult, die Schulsprache war natürlich Deutsch.

1915 besetzen südafrikanische Truppen das Kolonialgebiet, die deutschen Truppen kapitulierten und nach dem Ende des ersten Weltkrieges stand das Gebiet unter der Kontrolle des Völkerbundes. 1921 bekam Südafrika offiziell die Verwaltung übertragen, Englisch und Afrikaans wurden daraufhin als Amtssprachen eingeführt. Deutsch als Schulsprache wurde verboten.

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg blieb Deutsch der Status einer anerkannten Sprache Namibias verwehrt.

Erst 1984 gelang es der deutschsprachigen Minderheit Deutsch als halb-offizielle Amtssprache anerkennen zulassen, d.h. in Gebieten mit großer deutschsprachiger Bevölkerung durfte Deutsch als Schulsprache und Verkehrssprache genutzt werden. Es beschränkte sich aber auf spezielle Bevölkerungsgruppen, vor allem Weiße mit deutschen bzw. europäischen Wurzeln.

Seit 1990 ist Englisch alleinige Amtssprache Namibias, um eine Vereinheitlichung der Verwaltung und Gleichwertigkeit der Schulbildung für alle zu erreichen. Die anderen Sprachen Namibias erhielten den Status als anerkannte Nationalsprachen, insgesamt 11. Das sind neben Deutsch und Afrikaans vor allem Sprachen aus der Bantufamilie- und den Khoisan-Sprachen.

Die Mitglieder der deutschen Gemeinschaft in Namibia lebt vorwiegend in der Hauptstadt Windhoek, Swakopmund und kleineren Städten. Sie sind wirtschaftlich erfolgreich, führen Geschäfte und Unternehmen. Kulturell pflegen die meisten ein an Deutschland orientiertes kulturelles Leben. Es gibt zahlreiche deutsche Vereine (aus den Bereichen Sport, Musik und Kultur), ein Goethe-Institut in Windhoek, eine deutsche Zeitung und vieles mehr, außerdem wirtschaftliche Beziehungen zum ehemaligen Mutterland. Auch im Tourismus stellt Deutsch eine Größe dar, weil der Hauptteil der europäischen Touristen aus dem deutschsprachigen Raum kommt. Daher sind Deutschkenntnisse in Namibia ein wirtschaftlicher Vorteil, auch für die Bevölkerungsgruppen, die eine andere Muttersprache sprechen. Die Zahlen der Namibier, die Deutsch als Fremdsprache in der Schule lernen, ist steigend.

Heute leben etwa 22.000 deutschsprachige Personen in Namibia. Aufgrund der Vielsprachigkeit kommen die Deutschsprecher zwangsläufig in engen Kontakt mit den anderen Sprachen oder erlernen sie in der Schule. Daher sieht man im Deutsch der Namibier viele Einflüsse anderer Sprachen. Englisch und Afrikaans stammen zwar aus der gleichen Sprachfamilie wie Deutsch, unterscheiden sich aber in vielen Punkten. Auch die Bantu- und Khoisansprachen haben, wenn auch weitaus weniger als Englisch und Afrikaans, Eingang ins Namdeutsche gefunden.

Offensichtlich sind vor allem lexikalische Entlehnungen z.B. für Lebensmittel (`Papp`- Brei von Maismehl‘), geografische oder verwaltungsrelevante Begriffe (`Platteland`- ‚Bezirk‘). Aber auch morpho-syntaktische Komponenten, z.B. die Angleichung der Fälle oder die Verwendung der postverbalen Negation, lassen sich auf Sprachkontakte zurückführen.  

Eine interessante Varietät des Deutschen in Namibia ist das Küchendeutsch, auch Namibia Black German genannt. Es bezeichnet eine Art deutsche Varietät, die sich unter den Haushaltsangestellten der deutschen Kolonialherren herausgebildet hat. Forscher haben das Küchendeutsch in zwei Formen von Pidgin-German (I und II) eingeteilt, die vor allem auf einer Mischung von Deutsch und Afrikaans beruht, aber meist zu komplexe grammatische Strukturen ausweist, um die klassische Definition einer Pidginsprache (z.B. das Fehlen von Präpositionen) zu erfüllen. Jedoch ist diese Varietät des Deutschen dabei auszusterben. Es besteht für die Sprecher keine Notwendigkeit diese Sprachvariante weiterzugeben, denn die junge Generation erlernt meist eine der Nationalsprache als Muttersprache.

Unter Leuten der jungen Generation ist neben dem Namdeutschen auch der Namslang verbreitet. Junge Namibier mit Deutsch als Muttersprache lassen Einflüsse der anderen Sprachen einfließen, die für die Sprachenvielfalt ihres Landes sprechen. Dieser Slang wird fast nur mündlich verwendet und hat Einlass in die Kunst- und Musikszene Namibias gefunden.

Die deutsche Sprachinsel in Namibia ist eine der aktivsten Sprachinseln, die das Deutsche auf der Welt hat. Der Umstand verwundert, dass das Prestige der deutschen Sprache, trotz der negativ behafteten Geschichte, ein durchweg positives ist. Die deutschstämmigen Namibier bekennen sich zu ihrer Abstammung und pflegen die Sprache und die Kultur des Deutschen.