Adam Mickiewicz – der polnische Goethe

Drei Jahre nach der dritten Teilung Polens 1795 kam Adam Mickiewicz, am 24.12. 1798, in Zaosie (Russisches Kaiserreich) zur Welt. Er entstammte der Szlachta, dem polnischen Landadel. Obwohl Polen zu dieser Zeit kein eigener Staat war (oder gerade deswegen) erzog der Vater ihn und seine Geschwister nach patriotischem Vorbild.

Von 1815 bis 1819 studierte Adam Mickiewicz in Wilna und traf dort viele polnische Studenten, die wie er an ein freies Polen glaubten und antirussische Ansichten verbreiteten. Durch seine antirussischen Tätigkeiten geriet Mickiewicz ins Visier der Behörden und 1823 wurde er verhaftet und nach Russland verbannt. Nach einigen Jahren in Russland durfte er 1829 in Richtung Westeuropa ausreisen. Unter anderen machte er Station in Berlin und Weimar, wo er Goethe kennenlernte, weiter nach Venedig, Rom und Neapel. Von dem Novemberaufstand 1830 erfuhr Mickiewicz als er in Rom war, reiste in Richtung Heimat, blieb aber aus Sicherheitsgründen in Preußen.

Der Aufstand scheiterte und zwang Mickiewicz zur Emigration nach Paris, wo sich viele Exilpolen in dieser Zeit niederließen. Dort schrieb und lehrte er, verlor aber 1844 seine Stelle wegen Verbreitung andersartiger politischer und religiöser Ideen. Lange Jahre engagierte er sich für die „polnische Sache“, d.h. er versuchte in Bereichen der Kunst, Literatur und Politik Unterstützer für Polen zu gewinnen.

Am 26.11. 1855 starb Adam Mickiewicz in Konstantinopel, wo er versuchte polnische Truppen gegen die Russen im Krimkrieg zu organisieren.

Mickiewicz hat in seinem Leben eine literarische Verwandlung erlebt. Zu Beginn seiner Schriftstellerei waren Motive wie Naturverbundenheit und Idylle vordergründig, die sich an den klassischen Themen der europäischen Romantik orientieren. Ein frühes Werk ist die „Ode an die Jugend“, in der Mickiewicz die Kraft beschreibt, die in der Jugend innewohnt und sie mit der Natur vergleicht.

Aus seiner frühen Schaffenszeit gibt es weitere zahlreiche Gedichte, die im Laufe der Zeit immer mehr von Mickiewicz Sehnsucht eines eigenständigen Polens zeugen.

Außerhalb Polens sind Mickiewicz „Krimsche Sonette“ am bekanntesten, die er 1826 verfasste.

In Polen gilt Adam Mickiewicz als Nationaldichter. Seine wichtigsten Werke sind der Dramenzyklus „Dziady“ (dt. Ahnenfeier), an dem er fast 10 Jahre schrieb, und „Pan Tadeusz“ von 1834, ein Versepos von gigantischem Ausmaß. Beide Werke schrieb Mickiewicz als er in Frankreich lebte, fern ab seiner Heimat. Sie zeugen von Mickiewicz Liebe zu Polen, seinen Traditionen und den herzlichen Menschen.

„Pan Tadeusz“ und andere Werke Mickiewicz lassen sich vergleichen mit denen Goethes in Deutschland. Sie gehören als Pflichtlektüre in jede polnische Schule und bieten auch für Polenfreunde einen reichenhaltigen Leseschatz. Die meisten Werke gibt es in hervorragenden deutschen Übersetzungen, denn die Originale sind selbst für Kenner der polnischen Sprache oftmals nicht leicht.

Es existieren auch Verfilmungen einiger ausgewählter Werke, unter anderem „Pan Tadeusz“ und „Dziady“, die sich in Polen großer Beliebtheit erfreuen. Kritik an der Person lässt man in Polen nicht zu. Mickiewicz verkörpert wie kaum ein anderer die Sehnsucht des polnischen Volkes nach Freiheit und Unabhängigkeit.

Seinen Einfluss und die Verehrung seiner Person zeigt sich in den zahlreichen Denkmälern in Polen und Europa. Unter anderem trägt die Universität in Poznań seinen Namen, genauso wie das Adam-Mickiewicz-Institut, dass sich um das kulturelle Erbe der polnischen Literatur außerhalb Polen kümmert, vergleichbar mit dem deutschen Goethe-Institut.

Tschechisch – ein Spielball der Geschichte

Tschechisch gehört zu den westslawischen Sprachen, die wiederum der Familie der indoeuropäischen Sprachfamilie angehört.

Die ersten alttschechischen schriftlichen Quellen stammen aus dem 12. Jahrhundert, deren Ursprung die kirchenslawische Sprache von Kyrill und Method war. Diese Quellen sind vor allem religiöse Texte, Lieder, Gebete usw.  Ebenfalls im 12. Jahrhundert hat man in einigen lateinischen Texten tschechische Glossen gefunden.

Ab dem 14. Jahrhundert kam die höfische Dichtung in tschechischer Sprache auf, außerdem entstanden u.a. Bibelübersetzungen und Literaturdenkmäler wie die alttschechische Alexandreis (ein mittelalterliches tschechisches Ritterepos). Für die tschechische Schriftsprache war es besonders wichtig, dass Texte von Gelehrten nicht nur in lateinischer Sprache geschrieben wurden, da Latein als Gelehrtensprache unangefochten war.

Mit der Gründung der Prager Universität (7. April 1348) rückte die tschechische Sprache mehr in den Fokus, obwohl die Universitätssprache noch sehr lange das Lateinische blieb.

Jan Hus, der als Vater der tschechischen Schriftsprache gilt, führte im 14. Jahrhundert weitreichende Sprachreformen durch, die bis heute Bestand haben. Auf sein Bestreben hin gibt es im Tschechischen die zwei diakritischen Zeichen háček (Häkchen) und čárka (Akut). Es sind die Bemühungen die Laute der tschechischen Sprache in lateinischer Schrift wiederzugeben, um Verwechslungen auszuschließen.

Etwa zwei Jahrhunderte (15. und 16. Jhd.) lang konnte sich die tschechische Sprache entfalten, wurde sogar als Verwaltungssprache, neben Deutsch, verwendet. Doch dann entbrannte in Mitteleuropa der 30jährige Krieg, der auch Böhmen und Mähren erfasste. Die Schlacht am Weißen Berg (1620) zwang die böhmische und meist protestantische Aristokratie nicht nur zu Emigration, sondern setzte auch dem Erblühen der tschechischen Sprache ein jähes Ende.

Neben Latein erstarkte Deutsch als Schul- und Universitätssprache in Böhmen und Mähren, Tschechisch wurde vor allem vom Volk gesprochen. Das Tschechische schien langsam zu verschwinden.

Ab dem Ende des 18.Jahrhundert bemühten sich viele Gelehrte, die bekanntesten sind Josef Dobrovský (1753 – 1829) und Josef Jungmann (1773 – 1847), um eine Revitalisierung des Tschechischen. Es wurde wieder mehr auf Tschechisch geschrieben, nicht nur Prosa und Lyrik, sondern auch wissenschaftliche Texte. Außerdem erschienen Wörterbücher, Grammatiken und Wortschatzsammlungen.  Besonders reich am literarischen Schätzen ist die Zeit der Romantik, des Realismus und des Naturalismus. Einige bekannte Vertreter tschechischer Literatur sind Karel Hynek Mácha (1810–1836), Karel Jaromír Erben (1811 – 1870) und Božena Němcová (1820 – 1862).

1880 erreichte die Tschechen endlich die Einführung des Tschechischen als offizielle Amtssprache in Böhmen und Mähren. Die Weiterentwicklung der Industrie und der Bedarf an Arbeitskräften ließ das Tschechische weiterwachsen, da die Bevölkerung wieder mehrheitlich tschechisch sprach.

Nach 1918 war Tschechisch die Staatssprache der jungen Tschechoslowakischen Republik, neben Slowakisch im slowakischen Teil.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich im Tschechischen deutliche Veränderungen zu den slawischen Nachbarsprachen entwickelt. Beispiele sind die verschwundenen altslawischen vorhandenen Nasallaute (im Polnischen vorhanden), die Verschiebung des Wortakzentes auf die erste Silbe (entgegen der vorletzten im Polnischen oder des freien Akzents im Russischen) und die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen.

Die wechselhafte (Sprach-) Geschichte Tschechiens lässt einen reichen Entlehnungswortschatz erkennen, der unterschiedlich stark aus dem Deutschen, Russischen und anderen Sprachen stammt. Mitunter bemühten sich Sprachpuristen um die Erschaffung tschechischer Begriffe für solche Entlehnungen.

Heute sprechen etwa 11 Millionen Menschen Tschechisch als Muttersprache. Außerdem ist Tschechisch eine der Amtssprachen der Europäischen Union.

Sprachfamilien- Die Welt ist ein (Sprach-)Dorf

Die gemeinsame Herkunft von Sprachen fassen Sprachwissenschaftler unter dem Begriff Sprachfamilie zusammen. Es ist ein wenig wie eine Familie im klassischen Sinn. Viele Sprachen stammen von einer älteren Sprache ab, entwickeln sich weiter, verändern sich oder wechseln das Gebiet, in dem ihre Sprecher leben. Trotzdem sieht man Ähnlichkeiten zwischen ihnen z.B. im Wortschatz, dem Satzbau oder der Aussprache.

Je nach historischen Gegebenheiten haben sich Sprachen einer Sprachfamilie unterschiedlich entwickelt. Natürlich schreiten diese Entwicklungen immer weiter fort, aber durch die Globalisierung in einem anderen Tempo als früher. Manchmal sind die Veränderungen aber auch zufällig bzw. nicht mit Sprachkontakt oder anderen Phänomenen zu erklären. Die heutige Verteilung der Sprachfamilien auf der Welt ist zu einem großen Teil auf die Kolonialambitionen der europäischen Staaten zurückzuführen, die den europäischen Teil der indoeuropäischen Sprachfamilie über den ganzen Globus verteilten. Die ursprüngliche Verteilung zeigt eine riesige Vielfalt. Leider sind vor allem durch die Kolonialmächte massenweise Sprachen in den Kolonialländern verloren gegangen. Andere, wie die Pidgin- und Kreolsprachen, kamen dazu.

In den meisten Fällen sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Sprachen deutlich oder lassen sich nach intensiven Untersuchungen zweifelsfrei klären. Bei anderen gibt es bis heute Uneinigkeit, wohin sie gehören, da es in der Umgebung keine verwandten Sprachen zu finden sind z.B. Baskisch. Die schriftlichen Quellen geben Sprachwissenschaftlern Aufschluss darüber, wie die Entwicklungen abgelaufen sind. Doch je länger man in der Sprachgeschichte zurückgeht, desto dünner wird die Datenlage. Vieles kann man nur anhand von Lautgesetzen und Sprachvergleichen der modernen Sprachen rekonstruieren.

Die Anzahl der bestehenden Sprachfamilien schwankt, je nach dem wen man fragt und wie detailliert man die Einteilung betrachtet. Auch die Frage ob zwei Sprachen wirklich zwei oder nur zwei verschiedene Varianten einer Sprache sind (ein gutes Beispiel ist Serbokroatisch), lässt die Zahlen variieren.

Im Glottolog (eine Sprachendatenbank) sind 425 Sprachfamilien aufgeführt, die aber 181 isolierte Sprachen mit einbeziehen, d.h. Sprachen, die zu keiner Familie zugeordnet werden können. Und innerhalb jeder Sprachfamilie gibt es viele Verästelungen, wie bei einem Stammbaum. Die Verästelungen entstehen durch das Auseinandergleiten der Sprachen, die sich durch Lautwandel, morphologische Veränderungen usw. immer weiter voneinander weg entwickelten. Irgendwann ist der gemeinsame Nenner der Sprachen so klein, dass sie sich nicht mehr verstehen.

Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung der romanischen Sprachen, die alle vom Latein abstammen. Man sieht die Ähnlichkeiten zwischen Französisch, Italienisch, Rumänisch usw., aber die Sprecher können sich nicht ohne Weiteres verständigen. Oder wenn man als Deutschsprachiger in den Niederlanden ist, man versteht ein wenig, aber es erfordert einiges an Konzentration.

Je nach Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen kann man als Lernender viele Gemeinsamkeiten zwischen seiner eigenen und der „fremden“ Sprache ausmachen. Anders sieht es aus, wenn man eine Sprache aus einer anderen Sprachfamilie lernt z. B. ein Schwede lernt Japanisch. Das Lautsystem ist komplett anders, die Betonungen, die Grammatik usw. Die Gemeinsamkeiten sind extrem klein, die erste Zeit des Lernens aufwendiger, unabhängig von der Komplexität der Fremdsprache an sich.

Wie schon erwähnt erregt die Tatsache, dass es isolierte Sprachen gibt, besonders die Aufmerksamkeit der Forschung. Menschen sind soziale Wesen, leben (meist) in Gruppen, die eine gemeinsame Sprache sprechen. Wie kann sich dann eine Sprache entwickeln, die keine oder kaum Gemeinsamkeiten mit ihren Sprachnachbarn aufweist? In einigen Fällen kann man es mit Bewegungen der Sprachgruppen erklären, z. B. Ungarisch, das aus dem Uralischen stammt und deren Sprecher von langer Zeit in das heutige Gebiet eingewandert sind. Heute sieht man die Sprachverwandtschaft nicht mehr auf den ersten Blick. Wie sieht es aber beispielsweise mit dem berühmten Baskisch aus? Abgesehen davon, dass es nur wenige schriftliche Quellen zur Untersuchung aus alter Zeit gibt, lassen sich keine Verbindungen zu anderen Sprachen ziehen.

Neben den isolierten Sprachen gibt es noch die Klasse der unklassifizierten Sprachen. Sie sind, wie der Name schon sagt, unklassifiziert, weil es entweder keine ausreichenden Daten gibt, sie noch nicht hinreichend erforscht wurde oder Anteile verschiedener Sprachfamilien aufweist (z.B. Pidgin- und Kreolsprachen).

Die Forschung im Bereich der Sprachverwandtschaften ist sehr aktiv, kleine und „abgelegene“ Sprachen warten oftmals noch auf ihre Klassifizierung. Sie besitzen häufig keine Schrift und müssen erstmal ausreichend dokumentiert werden. Das klingt nach genug Arbeit für die nächsten Jahrzehnte!

Sprachinseln – ein weltweites Phänomen

Wer jetzt an ein Urlaubsparadies mit angeschlossener Sprachschule denkt… leider falsch!!!

Sprachinseln sind kleine Sprechergemeinschaften, die sich in einem anderen Sprachgebiet befinden. Sie stellen im jeweiligen Gebiet eine sprachliche Minderheit dar und haben oftmals wenig Kontakt zu ihrem ursprünglichen Kernsprachgebiet. Außerdem sind die Sprachinseln eine in sich abgeschlossenen Gemeinschaft. Dabei gilt allgemein die Bedingung, dass die Sprache im Kernland noch gesprochen wird. Für das Deutsche gibt es zahlreiche Beispiele, ein prominentes ist die sehr aktive Sprachinsel in Namibia.

Die Entwicklung von Sprachinsel kann unterschiedliche Ursachen haben.

Häufig entstehen sie, wenn Menschen in größeren Gruppen in andere Länder auswandern oder sich im Zielland bewusst zusammenschließen. Die Gründe für die Auswanderung sind oft religiöser Natur. Verfolgung in der Heimat zwang die Menschen in Zeiten der religiösen Unruhen ein „toleranteres“ Land zu suchen, in dem sie Religionsfreiheit genießen. Die Mennoniten oder die Amische in den USA sind beispielsweise solche Gemeinschaften, die im 18.Jahrhundert nach Amerika emigrierten, um Verfolgung und Diskriminierung aufgrund ihres Glaubens zu entgehen. Ihr Leben ist meist recht isoliert, anderssprachige Menschen bzw. Andersgläubige, werden kaum in bestehende Gemeinschaften aufgenommen. So wird die Weitergabe der Sprache und Kultur sichergestellt. Auch fremde Spracheinflüsse der Umgebung (z.B Englisch in den USA) können so geringgehalten werden. Die Weitergabe der „Gemeinschaftsmuttersprache und -kultur“ hat oberste Priorität.

Eine wichtige Rolle als Entstehungsfaktoren von Sprachinseln spielt die Kolonisierung der europäischen Nationen, die sich fremde Gebiete einverleibt haben und dadurch ihre Sprachen und Kulturen verbreiteten. Die Kolonialherren brauchten in den besetzen Gebieten eine funktionierende Verwaltung und Infrastruktur, die wie die des Mutterlandes aufgebaut war und von Beamten geführt wurde, die sich kaum die Mühe machten, die ortsüblichen Sprachen zu verwenden.

Obwohl heutzutage die ehemaligen Kolonien unabhängig sind, sind einige sprachliche Relikte aus dieser Zeit noch sichtbar. Neben den vielen Amtssprachen der heute unabhängigen Staaten, ist oft auch die Sprache der Besatzer erhalten geblieben (z.B. Französisch in Afrika oder Spanisch bzw. Portugiesisch in Südamerika). Gerade in Staaten mit vielen verschiedenen Volksgruppen stellt die europäische Sprache eine gemeinsame Basis für das ganze Land her, ist beispielsweise neben der lokalen Mehrheitssprache Schulsprache (in den afrikanischen Ländern häufig anzutreffen z.B. im Kongo oder in Namibia). Meist erfüllen diese Kolonialsprachen nicht die Bedingungen der Sprachinseln. Eine wichtige und bekannte Ausnahme stellt die deutsche Sprachinsel in Namibia dar.

Die zahlreichen Sprachinseln, die sehr klein sein können, haben es in der heutigen globalen Welt schwerer denn je, ihre Sprache und Kultur zu bewahren. Sie sind einem starken Assimilationsdrang, von Seiten des Landes, in dem sie leben, oder einer größeren Sprachgemeinschaft ausgesetzt. Das betraf beispielsweise eine kleine sorbische Sprachinsel in Australien Mitte des 19. Jahrhunderts, die diesen Assimilationsdrang zu spüren bekam. Aufgrund fehlender Englischkenntnisse schlossen sich die Sorben der größeren und dadurch wirtschaftlich stärkeren deutschen Gemeinschaft an. Da die Sorben zu dieser Zeit schon meist zweisprachig aufgewachsen waren, bereitete ihnen das Zusammenleben mit deutschen Sprechern keinerlei Probleme und so passten sie sich in Australien innerhalb von zwei Generationen komplett an die deutsche Gemeinschaft an.

Die Abschottung, die früher möglich war, ist heute kaum noch 100%ig zu bewahren. Vor allem wirtschaftliche Gründe zwingen die Gemeinschaften sich zu öffnen. Man betreibt Handel, nutzt Bildungseinrichtungen und medizinische Versorgung usw. In den Schulen wird meist kein Unterricht in der Sprache der „Inselkinder“ gegeben, also sind die Schüler gezwungen neben ihrer Muttersprache auch die Schulsprache zu lernen.

Nun wird gerne argumentiert, dass Mehrsprachigkeit ein Vorteil für alle ist. Allgemein ist das natürlich richtig, aber konzentriert man sich nur auf den Punkt der Sprachinselerhaltung, wird man einsehen müssen, dass die Vermischung der Sprachen und Kulturen immer zu Lasten der kleineren und wirtschaftlich schwächeren Sprache geht. Sollten Jugendliche nach der Schulzeit ihre Sprachinsel verlassen (Ausbildung, Heirat etc.) werden sie im Laufe der Zeit weniger Kontakt mit ihrer Muttersprache haben und sie weniger nutzen. Schlussfolgernd stellen die Sprecher auch die Weitergabe der Sprache an die nächste Generation in Frage. Das kann man bei kleinen Sprachinseln in Europa gut veranschaulichen. Die meisten Mitglieder von Sprachinseln assimilieren nach und nach und integrieren sich vollständig in die Kultur. Ihre Herkunftssprache geht verloren. Das ist ein Verlust an kulturellem Gut!

Auch aus linguistischer Sicht zu bedauern, denn die Sprachinseln haben durch ihre Isolation von Kernsprachgebiet oft eine ursprüngliche Form der Sprache bewahrt. Das sieht man sehr gut in den Gemeinschaften der Amisch und Hutterer in den USA, deren Deutsch im Vergleich zum heutigen „europäischen“ Deutsch antik oder altmodisch wirkt. Aber auch andere Gemeinschaften zeigen interessante Phänomene: Entlehnungen der Lexik aus anderen Sprachen durch Sprachkontakt, Entstehung von Pidginformen und fehlende Verschriftlichung der sprachlichen Eigenheiten.

Man sieht also das große Potenzial, dass die Forschung vor sich hat!

Šycko som how napisał / Im Kämmerlein hab ich geschrieben

Der Bauer Hanzo Njepila aus Rohne, der für seine Zeit ein eher ungewöhnliches Bedürfnis zu schreiben hatte, gibt in seinen Schriften ein buntes und unverfälschtes Bild des Lebens der damaligen Zeit. Die Texte beschäftigen sich mit seiner Kindheit, dem Leben im Alter und seine Sicht auf die Religion.

Die zweisprachige Ausgabe ist 2006 im Domowina-Verlag erschienen und gibt lebendige Einblicke in das Leben Hanzo Njepilas (1766-1856).

Die erhaltenen Texte Njepilas wurden 2004 von der niederländischen Sprachwissenschaftlerin Hélène Brijnen abgeschrieben, systematisiert und sprachlich analysiert. Fabian Kaulfürst und Hync Richter haben die Übersetzung und den Druck ausgearbeitet. Illustriert wurde das Buch von Maja Nagel.

Der Herausgeber hat die Texte vor allem thematisch zusammengestellt, eine Datierung war nicht immer möglich. Auch die Übersetzung der Passagen stellte sich komplizierter dar als vermutet. Es gibt etliche Wiederholungen, die der Lesbarkeit zuliebe gekürzt wurden, ebenso wurde die Orthografie in einigen Teilen angepasst. Die Besonderheit der Texte stellt die Sprache dar: der Schleifer Dialekt, der schriftlich so gut wie nicht dokumentiert ist.

Zu Beginn des Buches erfährt man viel über die Umstände zu Njepilas Kindheit. Seine Familie hatte oft Probleme Lebensmittel zu beschaffen, die Mutter bemühte sich aus allem möglichen etwas zu kochen. Njepila schrieb ausführlich über seine Angewohnheit Lehm zu essen, wenn er es vor Hunger nicht mehr aushielt. Die Erfahrungen aus der Kindheit haben ihm ein Leben lang begleitet und er erinnert sich später noch daran. Durch Fleiß schaffte er es den Hof der Eltern erfolgreich zu führen, so dass er dachte, er könne im Alter etwas ruhiger leben. Doch die Streitigkeiten, vor allem mit seiner Schwiegertochter, ließen keine Ruhe aufkommen. Der größte Teil der Texte beschreibt die Streitigkeiten innerhalb der Familie. Es geht um Essen, dass ihm verwehrt wird, Holz, das unrechterweise von den Kindern weggenommen wird und die Anschuldigungen, dass er faul, gierig und noch vieles mehr sei.

Beim Lesen kommt der Gedanke auf, dass es normal gewesen sein müsste sich derart vulgär zu beschimpfen. Auf jeder Seite springen Schimpfwörter durch den Text, die Streitereien nehmen kein Ende, es gibt keine vernünftigen Dialoge zwischen Njepila und seiner Schwiegertochter. Der Neid und die Missgunst ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Erzählungen. Auch vom Sohn hat Njepila keine gute Meinung. Er stellt ihn als genauso falsch wie seine Schwiegertochter dar. Einige Male klagt er sein Recht ein, aber wieder und wieder klagt er beim Schreiben sein Leid. Gerade das Schreiben lässt ihn in den Augen seiner Familie noch schlechter darstellen. Sie sind der Meinung, er solle „richtig“ arbeiten, das Schreiben sei unnütz und er würde sich für was Besseres halten. Auch zu Handgreiflichkeiten kommt es im Streit. Außerdem bezichtigt Njepilas Schwiegertochter ihn sie sexuell belästigt zu haben.

Man hat fast das Gefühl in einer Geschichte aus dem Trash-TV zu stecken. Die vulgäre Sprache, die zwischenmenschlichen Probleme, das Pochen auf der eigenen Meinung……alles Dinge, die sich von damals zu heute nicht wirklich geändert haben. Leider sehen wir nur eine Seite der Geschichte, es gibt ja keine Aufzeichnungen von der Familie. Wie bei allen Texten muss man zwischen den Zeilen lesen, ich bin versucht die Darstellungen Njepilas hier und da mit kritischen Augen zu sehen. Die Menschen waren zur damaligen Zeit vom harten Leben gezeichnet. Gerade die Erfahrungen Njepilas in der Kindheit haben seine Sicht auf das Leben geprägt. Er ist ein gottesfürchtiger Mensch und orientiert sich an den Werten, mit denen er aufgewachsen ist. Die respektlose Art der jungen Leute stößt ihn vor den Kopf, er fühlt sich ungerecht behandelt, was auch so ist, da er von Gericht mehrmals Recht bekommt.

Im letzten Abschnitt scheibt Njepila über seine Sicht auf Gott. Man erkennt beim Lesen seinen tiefen Glauben. Auch die Sprache unterscheidet sich im Vergleich zu den vorherigen Kapiteln (Familienstreitigkeiten) stark. Die Texte sind sehr positiv gehalten, es ist die Rede von der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes. Es scheint, dass Hanzo Njepila in Gott die Kraft und Ruhe findet, die ihm im irdischen Leben mit seiner Familie verwehrt bleibt. In den Geschichten der religiösen Texte zieht er teilweise Parallelen zu seinem eigenen Leben.

Ich bewundere die Ehrlichkeit, mit der Njepila schreibt. Und sicherlich schrieb er nicht mit dem Hintergedanken, das Ganze irgendwann zu veröffentlichen. Es ist eher als eine Art Tagebuch, eine Möglichkeit seine Gedanken zu ordnen und einen Ausgleich zwischen dem kargen Leben und seiner Schreibleidenschaft zu schaffen.

Hanzo Njepila- ein schreibender Bauer aus Rohne

Ein einfacher Bauer mit wenig Schulbildung hinterlässt der Welt Handschriften über das einfache Leben aus dem Siedlungsgebiet um Rohne (in der Oberlausitz).

Hanzo Njepila, dt. Hanso/Hans Nepila, wurde am 1. August 1766 in Rohne geboren. Seine Eltern waren einfache Bauern und seine Kindheit von Hunger und Armut geprägt. Gerade in den Jahren 1771/1772, in denen es viele Missernte gab, hungerte die Familie. Später wird Hanzo Njepila beschreiben, wie er sogar Lehm aß, weil er so hungrig war. Als Junge konnte er für kurze Zeit zur Schule gehen, lesen und ein wenig schreiben lernen. Doch die Arbeit auf dem Feld war wichtiger und als junger Mann übernahm er den Hof seiner Eltern. Mit seiner Frau Maria hatte er sieben Kinder. Im Laufe der Zeit setzte er den Hof wieder komplett in Stand und bewirtschafte die Felder, circa 5 Hektar. Später übergab er den Hof an seinen Sohn, musste aber trotz des Alters weiter als Bauer arbeiten, denn die Spannungen innerhalb der Familie endeten oft im Streit um die Frage des Altenteils. Davon berichtet Njepila ausführlich und ohne Scheu in seinen Texten.

In seinen Schriften schreibt er über den seinen Alltag und den seiner Familie. Leider schätzte seine Familie seine Schreiben nicht. Hanzo Njepila starb am 20. Juni 1856 in Rohne. Die meisten Handschriften sind ihm von der Familie mit ins Grab gegeben worden und somit für die Nachwelt verloren gegangen. Von den zahlreichen Schriften, die er schrieb, sind nur vier erhalten geblieben.

Schon die Tatsache, dass ein einfacher Bauer lesen und schreiben konnte, war für diese Zeit ungewöhnlich. Aber die Beschäftigung mit dem Schreiben stellt sich als außergewöhnlich dar! Man kann davon ausgehen, dass Bauern in dieser Zeit kaum Zugang zu Literatur oder ähnlichem hatten. Ihre Schulbildung war allenfalls rudimentär. Woher kam also das Bedürfnis Njepilas Situationen aus seinem Leben festzuhalten?

Die meist autobiographischen Texte drehen sich um seine Kindheit und das schwierige Verhältnis zu seiner Schwiegertochter. Auch einige religiös motivierte Texte und Naturbeschreibungen geben Einblicke in Njepilas Welt.

Das Besondere an seinen Schriften ist der Schleifer Dialekt, in denen er alle seine Texte verfasste.  Es ist ein Übergangsdialekt zwischen Nieder- und Obersorbisch aus der Schleifer Region, den noch knapp 100 Menschen sprechen. Er ist nicht schriftlich standartisiert, daher stellen die Schriften Hanzo Njepilas ein wertvolles Instrument für die Forschung dar.

Seine Texte sprechen ihm aus der Seele, er schert sich nicht um Form und Rechtschreibung. Sein Schreibstil ist voller Leben und Authentizität. Der Ausbau des Hauses, der Alltag mit der Familie, die späteren Streitereien mit seiner Schwiegertochter und das Leben im Alter sind so lebendig, man hat das Gefühl mit dabei zu sein.

Die verweigerte Anerkennung für sein Werk, seitens seiner Familie, hat Njepila zu Lebzeiten sehr verletzt. In jüngster Zeit haben seine Texte in der Sprachforschung immer mehr an Bedeutung gewonnen. Aber auch aus literarischer Sicht lohnt es sich einen Blick hineinzuwerfen!

Víly – Wesen des Wassers

Wasser ist in vielen Kulturen ein zentrales Thema und symbolisiert wie kein anderes Element den Kreislauf des Lebens.  Quellen und Bäche werden als heilig angesehen und in der ganzen slawischen Mythologie mit verschieden Wasserwesen in Verbindung gebracht.

Die Víly sind, immer in Gruppen auftretende, Wassergeister (vergleichbar mit Nymphen), die meist einen lokal begrenzten Wirkkreis aufweisen.

Auch der Wald oder die Natur wird mit den Víly assoziiert. Sie gelten als Nixen und werden in den Legenden als schöne Mädchen mit heller Haut, weißem Gewand und hellem, manchmal blondem oder rötlichen Haar, beschrieben. Das Haar ist die Quelle ihrer Macht, wenn sie es verlieren, verlieren sie ihre Kraft und sterben.

Auch von der Fähigkeit mit wunderschöner Stimme zu singen wird berichtet. Da drängt sich sofort der Vergleich mit der im deutschen Raum bekannten Loreley auf. Außerdem tanzen die Víly gerne in Kreisen, auf weichem Gras. Sie besitzen Zauberkräfte, um wahrzusagen oder sich in verschiedene Tiere zu verwandeln.

Die Beziehungen zu den Menschen sind unterschiedlich. Grundsätzlich sind Víly freundliche Wesen, den Menschen zu getan, helfen Kriegern im Kampf, was eine Verbindung zu den Walküren nahelegt.

Durch Opfergaben lassen sich Víly milde stimmen z. B. mit Kuchen, Blumen, bunten Bändern und anderen schönen, für junge Mädchen ansprechende Dinge. Es ist mitunter möglich, dass ein Mensch Freundschaft mit einer Víla schließt oder sie sogar heiratet. Die Freundschaft beruht meist auf der Bitte um Schutz geliebter Menschen. Zudem schützt eine Víla auch Tiere, die ihr besonders am Herzen liegen wie der Hirsch oder die Hirschkuh (Tiere des Waldes).

Im Allgemeinen sind Víly, zwar nicht direkt Botinnen des Todes, aber sie können Menschen, die sie bleidigen oder sich nicht respektvoll verhalten, verwirren, sie auf Irrwege führen. Die bösen, schwarzen Víly bestrafen Menschen, indem sie sie beim Baden ertränken oder verdursten lassen. Auch Schiffe sinken zu lassen steht in ihrer Macht (wieder die Parallele zur Loreley). 

Die bösen Víly ähneln den Rusalky im ostslawischen Raum. Sie tragen überwiegend böse Züge, schaden den Menschen, zerstören Schiffe oder Brücken. Ihre Boshaftigkeit liegt in ihrer Herkunft, da sie von ungetauften Kindern, Selbstmörderinnen u.a. abstammen. Im Gegensatz zu den Víly lassen sich hier stärkere christliche Einflüsse erkennen, daher ist es zu erklären, dass die Rusalky erst ab dem 16. Jahrhundert in Texten auftreten, während Víly schon im 6. Jahrhundert n.Chr. von Chronisten (z.B. Prokopios von Caesarea) erwähnt werden. 

Weitere Gemeinsamkeiten weisen Víly und Rusalky mit den germanischen Nixen und den Diven aus dem keltischen Raum auf, die ähnliche Attribute und Kräfte besitzen. Die Verbindung mit Wasser und dem Leben findet man in fast allen Kulturen, es scheint ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität zu sein.

Märchen – Ein Fall für die Geschichtsbücher?

Für mich gehören Märchen zu den frühesten Erinnerungen meiner Kindheit. Ein in rotes Leder gebundenes Buch mit allerlei schaurigen oder manchmal auch lustigen Geschichten, aus dem meine Mutter mir oft vorlas. Nicht jedes Märchen findet bei jedem Anklang, es ist immer Geschmackssache. Aber es ist für jeden etwas dabei!

Heutzutage sind Märchen nicht mehr so präsent in den Bücherregalen der Kinder. Die schiere Flut an tollen Kinderbüchern macht die Auswahl schwer und wer sich als Kind nicht sonderlich für Märchen interessiert hat, wird sie wahrscheinlich auch seinen Kindern nicht vorlesen.

Schon der Umfang und die Verschiedenartigkeit der Märchen ist gigantisch! In Deutschland stehen die gesammelten Märchen der Gebrüder Grimm unangefochten an der Spitze. Jacob und Wilhelm wanderten durch die deutschen Lande und sammelten allerlei Märchen, die sie 1815 zu einer Sammlung zusammenstellten. Vorher wurden Märchen hauptsächlich mündlich vom einfachen Volk weitergegeben, aber schon vor den Gebrüdern Grimm gab es Bestrebungen diese kleinen Schätze auszuschreiben.

Ähnlich wie die Sammlung der Grimms schuf auch Johann Karl August Musäus in der 1780er Jahren eine große Sammlung „Volksmärchen der Deutschen“. Der Begriff ‚Deutsch‘ sollte nicht mit heutigen Maßstäben gemessen werden. Musäus hat auch Märchen aus Böhmen und Mähren aufgeschrieben, die damals durchaus auch deutschsprachig waren. Die Geschichten über Rübezahl aus Böhmen haben mir oft Freude bereitet. Es wäre doch sehr schade sie nicht zu kennen!

Auch der Ablauf des Märchens folgt einem bestimmten Erzählschema. Es passieren Dinge, die es im echten Leben nicht gibt (sprechende Tiere, Verwandlungen in ein Tier, Geisterwesen, …). Und meistens erleben die Helden*innen der Geschichte ein Happyend, weil sie Gutes tun und/oder reinen Herzens sind.

In den Märchen tauchen immer die Gegensätze von Gut und Böse auf. Die Charaktere kann man eindeutig dem Bösen (alte Hexen oder Zauberer, böse Schiegermütter, böser Wolf etc.) oder dem Guten (der tapfere Prinz, die liebliche Prinzessin usw.) zuordnen.

Diese ersten gesammelten Märchen sind ursprünglich keine Kindermärchen gewesen. Die Erwachsenen erzählten sich diese schaurigen, mitunter blutrünstigen Geschichten abends, wenn die Kinder im Bett waren. Mit der Zeit adaptierte man sie so weit, dass sie auch für Kinderohren geeignet waren. Jetzt fragt sich der ein oder andere (zurecht) inwiefern man Märchen wie zum Beispiel „Die sieben Geißlein“ oder „Schneewittchen“ als geeignet für Kinder bezeichnen kann!

Um es mal vorsichtig zu sagen: Die Idee von dem, was ein Kind braucht oder hören sollte, war früher etwas anders! Man erzählte sich diese Märchen nicht nur zum Zeitvertreib, sie wurden auch zu erzieherischen Zwecken genutzt. Der allgemeine Aberglaube und die Angst vor dem Bösen waren tief in den Menschen verwurzelt und Erzählungen dieser Art fielen auf fruchtbaren Boden. Gewaltdarstellungen und Bestrafungen aller Art waren früher nicht ungewöhnlich, manchmal sogar als abschreckendes Beispiel erwünscht. Wenn man seinem Kind erzählte, was mit Rotkäppchen geschah und es danach auf den Weg zum Einholen schickte, konnte man schon ziemlich sicher sein, dass es auf dem Weg blieb!

Was lernt ein Kind daraus? Sei schön brav, hör auf die Erwachsenen, dann passiert dir nichts! Ja, das war die Vorstellung wie sich ein Kind damals zu verhalten hatte. Und ja, manchmal hilft auch im Märchen nur rohe Gewalt oder List, um das Böse zu besiegen! Das entspricht nicht mehr so richtig unserer Vorstellung eines sozialen Miteinanders. Also liest man Märchen nicht mehr, in abgespeckter Form, greift lieber auf kinderfreundliche Märchen (aus jüngerer Zeit) oder Geschichten ohne Gewaltbeschreibungen zurück.

Auch die stereotype Rollenverteilung der Geschlechter ist heute definitiv nicht mehr zeitgemäß.  Vielleicht ist auch das bei heutigen Eltern ein Argument gegen klassische Märchen?

Wobei: Was ist mit der offensichtlich alleinerziehenden Geißenmutter, die sechs ihrer Geißlein ohne Furcht aus dem Bauch des Wolfes schneidet? Hut ab vor dieser couragierten Mutter! Oder die Moral aus dem Märchen „Die große Rübe“? Wenn alle zusammenarbeiten, kann man sein Ziel erreichen!

Wie so oft ist auch das Thema ‚Märchen‘ nicht nur schwarz oder weiß! In unserer sich wandelnden Gesellschaft, ist es häufig verpönt klassische Literatur, die nicht den Normen der heutigen Zeit entspricht, vorzulesen. Die Kinder könnten ja eine falsche Wertevorstellung bekommen! Ich bin mir nicht sicher, ob das der wirkliche Grund ist. Die Beschäftigung und der Umgang mit kritischer Literatur sollten Kinder befähigen die Welt kritisch zu betrachten! Das Erkennen von Richtig und Falsch ist ein Entwicklungsschritt, den wir Heranwachsenden nicht vorenthalten sollten, in dem wir ihnen verbieten Geschichten zu lesen, die genau das aufzeigen!!!!

Baba Jaga/Baba Zima/Ježibaba

Sie ist die wohl bekannteste weibliche Gestalt der slawischen Mythologie. Viele Geschichten, Märchen und Legenden ranken sich um sie und brachten ihr schon Auftritte auf der Leinwand.

Ihr Name setzt sich aus Baba → alte Frau oder Großmutter und Jaga → von Jadwig oder von Roga → die Gehörnte bzw. Zima → die Kalte zusammen.

In beinahe allen Geschichten wird Baba Jaga als böses Luftwesen beschrieben. Schon in ihrer Gestalt mit zersausten Haaren, runzeliger Haut, unförmiger Nase und hässlichen Zähnen, ist sie der Prototyp des Bösen.

Als Luftwesen soll Baba Jaga fliegen können. In vielen europäischen Märchen ist Fliegen ein klassisches Charakteristikum der „gewöhnlichen“ Hexe. Wenn Baba Jaga fliegt, bringt sie Chaos mit und zerstört während des Flugs (=Sturm) die Umgebung. Die Menschen glauben Baba Jaga bzw. den Sturm mit Schaufeln und Besen, die vor das Haus gestellt werden, besänftigen zu können.

Auch kannibalistische Züge lassen sich erkennen. Baba Jaga ernährt sich vom Fleisch kleiner Kinder, das erinnert stark an die Hexe aus dem Märchen Hänsel und Gretel.

Mitunter verwendet sie Gegenstände mit Zauberkraft, um Böses zu tun und den Menschen zu schaden. Manche Erzählungen weisen darauf hin, dass Baba Jaga aus den Knochen der getöteten Kinder Pulver u.a. herstellt. Der Ruf als Hexe und Kräuterfrau bzw. als Heilkundige zeigt sich dabei, wird aber immer ins Negative gedeutet.

In Film und Fernsehen ist Baba Jaga meist als die klassische alte Hexe zu sehen. Faktisch ist sie aber Teil eines größeren Ganzen und verkörpert als dritter Teil des Lebenskreislaufes das Alter, den Tod und die Wiedergeburt. Eine Anlehnung an die christliche Dreifaltigkeit könnte man vermuten, aber wie die meisten mythologischen Figuren ist Baba Jaga wesentlich älter als die christliche Lehre.

Der Vergleich von Baba Jaga zu den germanischen Figuren der Frau Holle und Perchta wird in der Literatur immer wieder deutlich. Die Einbettung einzelner Eigenschaften der Baba Jaga in literarische Gestalten wie fliegende Hexen oder böse Weissagerinnen bringen den Gegensatz Gut-Böse verstärkt zur Geltung. Auch die mörderischen Absichten böser Stiefmütter wie bei Schneewittchen lassen sich zu Baba Jaga in Bezug setzen.

Plansprachen – Ein kurzer Überblick

Eine Plansprache ist eine künstlich konstruierte Sprache, die sich (meist) durch einfache und regelhafte Grammatik, auf Basis bekannter Sprachen auszeichnet. Sie soll die Kommunikation zwischen Sprechern verschiedener Sprachen erleichtern und als Verkehrssprache dienen, ohne dass die Sprecher ihre Muttersprache aufgeben müssen.

Die Liste der existierenden Plansprachen ist lang. Man findet sie rund um den Globus, mal mehr mal weniger fertig konstruiert und verschieden komplex. Von Hildegard von Bingen gibt es Aufzeichnungen, die auf eine einfache Plansprache hinweisen, aber es gibt nur einige wenige Begriffe. Ob es mehr gab, kann man nicht mehr nachweisen.

Die ersten Plansprachen, die wirklich gut dokumentiert sind, entstanden im 19. Jahrhundert. Berichte über frühere Versuche können wegen der mangelnden Datenlage nicht bestätigt werden.

Interessant sind die Ansätze, die von den „Sprachplanern“ verwendet wird. Die allererste dokumentierte Plansprache ist Solresol, die 1817 von François Sudre auf einer musikalischen Grundlage geschaffen wurde. Die Sprache ist durch die kaum vorhandenen Beziehungen zu anderen Sprachen schwer zu lernen.

1879 ist Volapük geschaffen worden. Es basiert auf dem Wortschatz germanischer und romanischer Sprachen, ist aber morphologisch (d.h. wortbildend) so stark verändert worden, dass es als schwer zu erlernen gilt. Volapük war einem breiten Publikum bekannt, heutzutage gibt es aber kaum noch Sprecher. Obwohl die ersten Jahre nach Aufkommen des Volapüks erfolgsversprechend waren, verdrängte einen andere, heute noch bekanntere Plansprache das Volapük: Esperanto.

Esperanto ist die mit Abstand erfolgreichste Plansprache. Es wurde von Ludwik Lejzer Zamenhof, etwa 1887 erschaffen. Zamenhof stammte aus der multilingualen Gesellschaft des Russischen Reiches, zu Hause sprach mit dem Vater russisch, mit der Mutter jiddisch. Außerdem beherrschte er (meist fließend) Deutsch, Polnisch, Französisch, Englisch, Latein, Griechisch und Hebräisch. Er konnte dementsprechend viele Sprachvergleiche anstellen und entwickelte Esperanto auf Grundlage vieler europäischer Sprachen. Man geht heute von etwa 2 Millionen Sprechern, die Esperanto als Fremdsprache sprechen und etwa 1000 Muttersprachlern.

Es gibt noch einige weitere Plansprachen, die nennenswert sind. Interlingua, das 1903 von Giuseppe Peano entwickelt wurde und auf dem Lateinischen beruht. 1907 haben Louis Couturat und Louis de Beaufront Esperanto zu Ido vereinfacht. Und 2006 entwickelten Linguisten Interslawisch (Medžuslovjansky, Меджусловјанскы), eine slawische Plansprache, die rein auf slawischen Sprachen beruht.

Ein letztes Beispiel für eine bekannte, aber von wenigen Menschen gesprochene Plansprache ist Klingonisch, das den meisten Menschen aus den Star-Trek-Filmen bekannt ist. Einige eingefleischte Fans erlernten Klingonisch, für die Kommunikation eignet sie sich jedoch nicht, denn der Wortschatz ist nicht alltagstauglich und die Grammatik nicht komplex genug, um alle Kommunikationssituationen auszudrücken.

Allgemein kann man sagen, dass sich Plansprachen in ihrem Aufbau ähneln. Sie besitzen meist (Ausnahmen gibt es immer) eine einfache und regelmäßige Grammatik und einen systematisch ableitbaren Wortschatz, der natürlichen Sprachen oft ähnelt, um das Erlernen zu vereinfachen.

Nun kann man sich zurecht fragen warum man eine Plansprache sprechen lernen sollte! Es gibt so viele natürliche Sprachen und definitiv nicht genug Zeit alle zu beherrschen, warum also Esperanto oder Volapük oder…  lernen?

Es gibt kaum Menschen, die eine der Plansprachen als Muttersprache sprechen (Angaben darüber sind mehr als vage!) und daher auch kaum Kommunikationspartner außerhalb ihrer Sprachgemeinschaft finden. Sie sind gezwungen auf andere Sprachen auszuweichen, wachsen fast immer zweisprachig auf. Es ist schwierig Literatur zu finden, die in eine Plansprache übersetzt oder sogar original verfasst wurde. Das macht es fast unmöglich eine allgemeine Schulbildung zu erwerben, die komplett in der jeweiligen Plansprachen gestaltet wird.

Außerdem ist es so gut wie unmöglich die zwischen den natürlichen Sprachen auftretenden Schwierigkeiten wie verschiedene Aussprachen, Betonungen oder Grammatiksystemen so unter einen Hut zu bringen, dass Sprecher weltweit die jeweilige Plansprachen problemlos lernen können: Denken wir an Sprachen, die kein Kasussystem kennen und jetzt zwischen Nominativ, Akkusativ etc. unterscheiden sollen oder Sprachen ohne Verbflexion.

Durch das Argument, dass es ja in unserer heutigen Welt eine sehr dominante Verkehrssprache (Englisch) und mehrere sehr große Sprachen gibt, mag es den meisten Menschen wie verlorenen Zeit vorkommen eine Sprache zu erlernen, die nicht im Alltag einsetzbar ist. Es scheint eher ein sprachwissenschaftliches Experiment zu sein.

Bis heute existieren etwa 500 Plansprachen und anhand der Menge aller Plansprachen lässt sich das Interesse für dieses sprachliche Gebiet deutlich machen.