Minderheitensprachen in Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland ist Österreich klein, jedoch existieren dort genauso viele verschiedene Sprachgemeinschaften. Deutsch ist laut der österreichischen Verfassung die Staatssprache, wobei es sich vom Standarddeutsch in Deutschland stark unterscheidet. Es ist die Erstsprache von knapp 90% der österreichischen Bevölkerung, was prozentual weniger Menschen als in Deutschland sind. Doch welche Sprachen sprechen die gut 10% ohne Deutsch als Erstsprache?

Neben der Amtssprache Deutsch finden sich in Österreich die verschiedensten Sprachen, von denen einige als Minderheitensprachen anerkannt sind. Laut Gesetz sind es sieben Sprachen: Burgenlandkroatisch, Romani, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch als Sprachen autochthoner Minderheiten  und Österreichische Gebärdensprache als eine Sprache einer nicht-ethnischen Sprachgemeinschaft. Das Volksgruppengesetz von 1976  und die Verfassung regelt alle Rechte der anerkannten Minderheiten. Österreich hat, wie viele Länder der EU, 2001 die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert und sich damit dem Schutz seiner Minderheiten verpflichtet.

Die Burgenlandkroaten leben v.a. im Burgenland an der Grenze zu Ungarn und machen in dieser Region etwa 6% der Bevölkerung aus. Sie sprechen eine Variante des Kroatischen, mehrheitlich herausgebildet aus dem čakavischen Dialekt. Zum heutigen Standardkroatischen gibt es viele Unterschiede z.B. in der Aussprache und der Einflüsse des Deutschen und Ungarischen. Auch eine ungarisch-sprechende Minderheit lebt im Burgenland. Als dritte Sprache ist das Romani hier besonders geschützt, Sprecherzahlen variieren und ihre Sprecher*innen sind nicht nur auf das Burgenland beschränkt. Doch anders als in Deutschland ist Romani nur regional anerkannt.

Die slowenische Minderheit findet man in Kärnten und der Steiermark, ihre genaue Zahl lässt sich aber nur schwer ermitteln. Sie standen in den letzten Jahrzehnten unter starkem Assimilationsdruck. Aktuelle Volkszählungen gehen von 15-20 Tausend Angehörigen dieser Minderheit aus und nicht alle sprechen Slowenisch. Immer wieder beklagen Vertreter dieser Minderheiten die mangelnde Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Minderheitenschutzes. Die zwei Minderheitensprachen Slowakisch und Tschechisch haben ihren Schutzstatus nur in Wien.

Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine verwandte Gebärdensprache der Deutschschweizer Gebärdensprachen, hat also kaum Verbindung mit der Deutschen Gebärdensprache. In Österreich sprechen etwa 12 Tausend Menschen diese Sprache. Offiziell ist sie seit 2005 anerkannt, doch fehlen bis heute weiter Gesetze, die z.B. den Bereich Schulbildung behandeln.

In Österreich werden aber auch zahlreiche andere Sprachen gesprochen. Diese haben allerdings nicht den Status der Minderheitensprachen und werden deshalb weder in den Schulen angeboten noch genießen sie andere Rechte. Häufig gesprochene Sprachen sind z.B. Serbisch, Arabisch, Türkisch, Polnisch und Albanisch.

Die Sprachenpolitik Österreichs ist in dieser Hinsicht sehr konservativ, ähnlich wie in Deutschland. In Gemeinden mit autochthonen Minderheiten ist das Land eigentlich verpflichtet zweisprachige Beschilderung im Stadtbild zu gewährleisten, was bisher nur wenig umgesetzt wird. Die Gemeinden sind auch verpflichtet muttersprachlichen Unterricht anzubieten, was nicht überall möglich ist. Das betrifft natürlich auch alle anderen Sprachen ohne Minderheitenstatus. Die Suche nach Lehrkräften und die Kapazitäten in den Schulen stellen dabei ein großes Problem dar.

Quellen

Statistika Austria https://www.statistik.at/

Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen  https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list?module=treaty-detail&treatynum=148

Erzgebirgskreis

Der Erzgebirgskreis in Sachsen mit dem Verwaltungssitz Annaberg-Buchholz blickt auf eine lange Geschichte zurück, auch wenn die heutigen Grenzen des Kreises erst seit 2008 festgelegt sind. Die beiden größten Städte sind Aue-Bad Schlema und Annaberg-Buchholz.

Die Region umfasst große Teile des Erzgebirges mit zahlreichen Flüssen wie der Zschopau und dem Schwarzwasser. Im Süden grenzt Tschechien mit dem südlichen Erzgebirgeteil (Krušné hory) an den Kreis. Die Region wurde im Juli 2019 zum UNESCO-Welterbe ernannt.

Die erste Besiedlung der Region lässt sich nicht genau datieren, doch deuten Funde auf eine Zeit weit vor Christi Geburt. Schon damals nutzten die Menschen die Erzvorkommen, wenn auch in wesentlich kleinerem Ausmaß. Besonders das Klima eignete sich nur bedingt für eine Besiedlung und den Ackerbau. Nur in den tiefer gelegenen Gegenden ist eine dauerhafte Landwirtschaft möglich.

Seit dem Mittelalter baut der Mensch in Erzgebirge Bodenschätze ab. Die heutige Kulturlandschaft ist das Ergebnis dieses Abbaus. Zu Beginn des 12. Jahrhundert machten die Entdeckung der Silbervorkommen die Region interessant und die Bevölkerungszahlen stiegen. Neben Silber wurden auch Vorkommen von Blei-, Kupfer- und Zinnerz entdeckt.

Die Besiedlung rund um die Städte Annaberg-Buchholz und Aue-Bad Schlema nahm mit dem Bergbau stetig zu. Siedler aus anderen Regionen strömten hierher, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Sie erhielten von den Landesherren oft Steuererleichterungen und Land. Mit der wachsenden Bevölkerung entwickelte sich auch die Infrastruktur, es wurden Spitäler, Kirchen, Gießereien usw. errichtet. Neben dem Bergbau entwickelte sich auch das Textil- und Töpferhandwerk zu florierenden Handwerkszweigen.

Die Kriege und Seuchen des späten Mittelalters verwüsteten die Region stark, zerstörten ganze Siedlungen und dezimierten die Einwohnerzahl. Doch die Wichtigkeit der Region zeigt sich im Wiederaufbau nach solchen Katastrophen.

Im 19. Jahrhundert ermöglichte die Industrialisierung und der Bau von Bahnstrecken der weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und den Ausbau der Handelsbeziehungen über die Grenzen Sachsens hinaus. Besonders die Produktion von Posamenten wie Bänder, Spitze, Kordeln etc., die in den europäischen Großstädten stark nachgefragt waren, ebenso wie die Papierindustrie.

Auch heute ist die Region stark ins das Wirtschafts- und Industrienetz Deutschlands eingebunden, besonders in den Bereichen Maschinen- und Werkzeugbau. Auch das Handwerk und der Tourismus sichern die Existenz vieler Einwohner. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte muss sich die Region aber auch andere Wirtschaftszeige erschließen, da die Industrie abnimmt. Der Tourismus und das Gesundheitswesen sind da auf dem Vormarsch.

Der historische Reichtum der Region spiegelt sich heute in imposanten Burgen, Schlössern und Kirchen wider, auch über die deutsch-tschechische Grenze hinweg. Außerdem befinden sich 32 Naturschutzgebiete im Erzgebirgskreis, darunter auch Moorlandschaften wie Mothäuser Heide.

Das Wappen wurde 2008 entworfen und zeigt einen schwarzen Löwen in Gold über einem grünen Berg mit schräggekreuzten silbernem Schlägel und silbernem Eisen.

Quellen

Schattkowsky, Martina (Hrsg.). Erzgebirge. Edition Leipzig, Leipzig 2010

Unger, Helmut & Reinhart. Annaberger Chronik. Erzgebirgsmuseum Annaberg-Buchholz. Leipzig 1994

https://www.erzgebirgskreis.de

Niedersorbischkurs in Cottbus

Nachdem ich den Sommerkurs letztes Jahr verpasst habe, wollte ich mich, ganz nach deutscher Art, rechtzeitig anmelden, sprich September. Eine Unterkunft war auch schnell gefunden, nur meine Vorfreude war durch den Prüfungsstress in der Uni leicht gedämpft.

Die Anreise war für Sonntag geplant, denn der Kurs sollte am Montag um neun Uhr beginnen und meine Lust der Zuverlässigkeit der Bahn zu vertrauen wenig ausgeprägt. Am Nachmittag bezog ich meine kleine Wohnung unweit des niedersorbischen Gymnasiums.

Ganz allein zu sein bin ich nicht gewohnt. Ich schlief schlecht, was vielleicht auch an der Hitze lag, und machte mich Montag überpünktlich auf den Weg. Viel bekannte Gesichter, es waren wohl so um die neunzig Leute, saßen mit mir zusammen in der Cafeteria der Schule und nach einer kurzen Begrüßung wurden wir in verschiedene Gruppen eingeteilt und der Unterricht begann. Ich kam in eine fortgeschrittene Gruppe und meine anfängliche Nervosität, dem Sprachniveau nicht zu entsprechen, legte sich schnell.  

Jede Gruppe wurde von zwei Lehrpersonen unterrichtet, so dass sich die Lehrmethode immer ein wenig unterschieden und sich niemand langweilte. Auch die Themen waren bunt gemischt, ein bisschen Grammatik hier, ein wenig Wortschatz dort. Viele Dinge habe ich schon mal gehört und schnell verstanden, doch die praktischen Übungen halfen mir sehr mehr zu sprechen, was ich sonst, wegen fehlenden Sprachpartner*innen, kaum schaffe. Auch in den Pausen haben wir versucht ein wenig Niedersorbisch miteinander zu sprechen.

Der Unterricht endet am frühen Nachmittag und wer wollte, konnte die vielen kulturellen Angebote nutzen, die für alle angeboten werden, z.B. neuste Kurzfilme, Singabende uws. Ich war u.a. in der Lodka, der sorbischen Kulturinformation, wo ich einige Bücher zum Lesen und Üben erstanden habe. Und habe mir Vorträge zu unterschiedlichsten Themen, manche sogar auf Niedersorbisch, angehört. Zu meinem Erststaunen konnte ich mehr verstehen als ich gedacht habe.

Zum Abschluss der Woche trafen wir uns alle noch einmal, um unsere „Zeugnisse“ in Empfang zu nehmen. Ein wenig Wehmut empfand ich beim gemeinsamen Abschlusssingen, denn nun war die Woche endgültig vorbei und wir gingen unserer Wege.  

Rückblickend muss ich sagen, dass die Kurswoche viel zu schnell vorbei war. Ich habe mich erst am Ende wirklich getraut auch zwischen den Unterrichtseinheiten sorbisch zu sprechen. Eine zweite Woche wäre bestimmt hilfreich gewesen. Außerdem gab es so viele interessante Nachmittagsveranstaltungen, dass für eigene Pläne kaum Zeit blieb.

Wieder zu Hause in Berlin geht die Reise in die Welt des Niedersorbischen weiter, zwar eher für mich allein und in einem Online-Kurs, aber immerhin weiter. Auch die Kontakte, die ich zu vielen Leuten aufbauen konnte, werden helfen tiefer in die niedersorbische Sprache und Kultur einzutauchen.

Ganz sicher bin ich nächstes Jahr wieder dabei!

PS: Wer sich für das Niedersorbische interessiert, kann auf der Seite der Schule für Niedersorbische Sprache und Kultur vorbeischauen: https://www.sorbische-wendische-sprachschule.de

Lingua ignota

Geheimsprachen und -schriften gibt es schon seit Langem, ohne dass sich eine dauerhaft gehalten hatte. Menschen haben schon immer versucht Informationen so zu übermitteln, dass sie nur von Eingeweihten verstanden wurden. Doch gerade die erste und dokumentierte Geheimsprache bzw. Plansprache ist scheinbar nicht unbedingt zu diesem Zweck entwickelt worden. Sie stammt von Hildegard von Bingen: die Lingua ignota, dt. unbekannte Sprache.

Hildegard von Bingen war eine Äbtissin, die im 12. Jahrhundert lebte und in einem Kloster aufgewachsen ist. Das ermöglichte ihr eine für Frauen damals unüblich gute Ausbildung. Sie verfasste zahlreiche Arbeiten über Botanik, Medizin usw. und schuf eine Sprache mit dazugehörendem Alphabet.

Der Grund für Hildegards Motivation eine Sprache zu schaffen, wird in ihrer Religiosität vermutet. Sie beschreibt immer wieder Visionen, deren Deutung sie mittels einer neuen Schrift und Sprache in Worte zu fassen versucht. Man könnte die Lingua ignota als eine Art heilige Schrift verstehen, von Gott erschaffen, aber sicher ist diese Interpretation nicht.

Die Lingua ignota umfasst 23 Buchstaben, entsprechend dem lateinischen Alphabet. Das Aussehen der Buchstaben, sie nennt sie Litterae ignotae, scheint frei erfunden zu sein.

Insgesamt umfasst die Sprache nur 1011 Begriffe, die meisten davon sind Substantive. Dieser begrenzte Wortschatz beinhaltet vor allem Bezeichnungen für Menschen, Berufe, Tiere und Pflanzen. Auch die Menge an geistlichen Bezeichnungen wie Gott oder Teufel legen nahe, dass Hildegard weniger ein weltliches als ein geistiges Interesse an ihrer Sprache und Schrift hatte. Sie beschrieb keine komplette Grammatik, einige Endungen z.B. für Pluralformen sind zu erkennen.

Der Wortschatz ist teilweise ähnlich dem Deutschen, Hebräischen und Lateinischen, was Hildegard im Kloster gelernt hat. Manche Wörter weisen keine Parallelen zu bekannten Sprachen auf, sind also eine reine Erfindung.

Es lässt sich annehmen, dass die Sprache nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt war. Die Gründe hat Hildegard niemals genannt. Sie verfasste eine Art Glossar mit dem Titel Ignota lingua per simplicem hominem Hildegardem prolata (dt. Eine unbekannte Sprache, von dem einfältigen Menschen Hildegard vorgelegt), in dem sie Übersetzungen ihrer Sprache vermerkt, jedoch erklärt sie weder die Entstehung noch den Zweck der Sprache.

Interessant ist, dass Hildegards wissenschaftliche Texte nie in der Lingua ignota geschrieben wurden. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass es die Schrift eher eine geistige Übung handelt. Auch in ihren zahlreichen Briefen verwendet Hildegard nur vereinzelt Wörter der Lingua ignota, warum ist unklar. Aus den Briefen geht auch hervor, dass ihre Briefpartner von der Existenz der Sprache wussten. Aber scheinbar hat niemand diese Sprache jemals aktiv verwendet. Man findet sie nur als einzelne Wörter, eingebettet in lateinische Texte.

Nach dem Tod Hildegard von Bingens ging das Wissen um die Lingua ignota und ihrer Entstehung verloren, bis sich unter anderem Wilhelm Grimm für diese Sprache und seine Geschichte interessierte. Man kann die Lingua ignota nicht isoliert betrachten, denn Hildegard von Bingen war sicherlich nicht so veranlagt eine Sprache ohne einen Sinn dahinter zu erschaffen. Aber das werden wir nie genau herausfinden.

Quellen

Ferrara, Silvia. Die große Erfindung. C.H.Beck, München 2021

Gärtner, Kurt & Embach, Michael. Lingua ignota und Litterae ignotae. In: Hildegardis Bingensis Opera minora II. Turnhout 2016

Marzanna

Am 21. März feiert die Menschen in vielen Teilen Polens den Beginn des Frühlings mit einer Prozession, bei der eine Puppe herumgetragen, dann verbrannt oder in einem Gewässer ertränkt wird. Diese Puppe symbolisiert Marzanna, die Göttin des Winters, des Todes und der Wiedergeburt. Ihr Tiersymbol ist der Kuckuck, der als Bote des Frühlings gilt, aber auch als Symbol des Teufels.

Der Name leitet sich vom indoeuropäischen *mar- bzw. *mor- ab, was ‚Tod‘ bedeutet. In der slawischen Mythologie kennt man Marzanna als Tochter von Perun und Mokosch. Als junge Frau heißt sie Mara. Sie hat einen Bruder, Jarilo, mit dessen Vereinigung sie den Frühling bringt.

Die unterschiedlichen Kulturkreise in der slawischen Mythologie kennen verschiedenste Namen: Mara auf Ukrainisch, Morana auf Tschechisch oder Mora auf Bulgarisch, der Ursprung ist derselbe.

Die Verbrennung oder Ertränkung der Marzanna geht auf einen heidnischen Brauch zurück, um den Winter auszutreiben. Die Puppe wird von Kindern und Jugendlichen gebastelt, meist aus Stroh gefertigt, mit einem weißen Tuch bekleidet und mit Bändern geschmückt. Je nach Region sieht sie eher nach einer jungen oder älteren Frau aus. Sie wird von den jungen Leuten durch die Straßen getragen, dazu werden Lieder gesungen. Singen die jungen Leute besonders schön, bekommen sie manchmal Geld oder Lebensmittel wie Eier geschenkt. Der Weg der Prozession führt zu einem Teich, Bach oder See, dann wird die Marzanna angezündet und ins Wasser geworfen.

Die Puppe darf im Wasser nicht mehr berührt werden, das bringt Pech. Auf dem Rückweg dürfen sich die Menschen nicht nach der Marzanna umdrehen, es könnte ebenfalls Pech oder Krankheiten bringen, ein Sturz sogar den Tod in nächster Zeit. Dieser Brauch ist also nichts für schwache Nerven!

Manchmal fehlt das Anzünden, warum ist nicht ganz klar. Möglich ist die Verbindung von Marzanna und dem Wasser als Symbol der Wiedergeburt oder als Weg in die Unterwelt. Manche lehnen die Interpretation Marzannas als Göttin des Todes ab und sehen sie eher als Fruchtbarkeitsgöttin. Beides findet man in der Literatur.

Die Kirche sah den Brauch natürlich nicht gerne, da er auf heidnische Ursprünge zurückgeht und die Zeit der Prozession oft in die Zeit um Ostern fiel. Doch der Brauch hält sich bis heute, jedoch fällt er mit dem Frühlingsfest ‚Jare Święto‘ zusammen, und ist sehr beliebt.

Ähnliche Bräuche kennt man auch in Deutschland, wobei die Puppe eher männlich gelesen wird. Manchmal findet man in den Gegenden des Marzanna-Brauches auch eine männliche Variante, den Marzaniok.

Quellen

Gieysztor, Aleksander. Mitologia Słowian. Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, Warszawa 2006

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1992

Rechtschreibung – Fluch oder Segen?

Diktate prägten mein ganzes Schulleben, bis zur zehnten Klasse. Vielleicht kann sich der eine oder andere auch noch daran erinnern. Ich erinnere mich gut an die Anspannung an den Diktattagen, für die ich fleißig geübt habe. Meine Lehrerin in der achten Klasse hat mir nach einer Diktatrückgabe gesagt, dass ich wohl viel lesen würde, weil ich die deutsche Rechtschreibung so gut beherrsche. Diesen Tipp gebe ich auch meinen Kindern. Lest mehr, dann prägt ihr euch die Schreibung schwieriger Wörter von ganz alleine ein!

Aber was würde denn eigentlich passieren, wenn man beim Schreiben nicht auf die Rechtschreibung achten würde? Ist es verboten so zu schreiben, wie man will? Theoretisch kann jede Person schreiben, wie sie will. Es gibt kein Gesetz, das verbietet nach Gehör zu schreiben. In der Schule riskiert man halt eine schlechte Deutschnote, aber das wars. Auf Ämtern ist die Schreibfreiheit allerdings auch begrenzt. Auch hier ist die Verwendung einer festgelegten Schreibung des Standarddeutschen vorgeschrieben.

Also kurz um, wir kommen kaum umher richtig zu schreiben. Doch wer hat das eigentlich beschlossen wie wir zu schreiben haben? Dafür müssen wir zu den Anfängen des Deutschen als Schriftsprache zurückgehen. Die ersten Texte in deutscher Sprache wurden wahrscheinlich im 8. Jahrhundert geschrieben, mit lateinischer Schrift. Schon hier traten die ersten Schwierigkeiten auf, denn das lateinische Alphabet konnte nicht alle Laute des damaligen Deutsch verschriftlichen. Es mussten Abwandlungen der Buchstaben wie z.B. die Umlaute her. Auch Großschreibung oder Satzzeichen sind nötig, um Satzanfänge und -enden zu markieren. Ein Vorreiter in dieser Sache war Notker von St. Gallen, der eine erste Schreibung festlegte. Trotzdem schrieben die meisten frei nach Schnauze.

Selbst als der Buchdruck ab 1450 aufkam, entstand keine einheitliche Schreibung, weder Groß- und Kleinschreibung noch die Schreibung von Doppelkonsonanten etc. Da auch das Deutsche als Sprache so große Veränderungen durchgemacht hat, besonders in der Silbenstruktur und im Vokalsystem, und die Mehrheit der Menschen im Mittelalter eh nicht lesen und schreiben konnten, betraf die Frage nach einer einheitlichen Schreibung nur eine kleine Gruppe in der Bevölkerung.

Bewegung in die Sache kam erst ab dem 18. Jahrhundert. In der Zeit nahm u.a. die Schulbildung der Menschen zu, d.h. immer mehr Menschen lernten lesen und schreiben. Das erforderte zuverlässige Lehrmaterialien und eine Ausbildung von Lehrern, die einen vergleichbaren Standard vermitteln sollten. Ein erstes nennenswertes Werk war das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm, begonnen um 1838 und erst seit einigen Jahren fertiggestellt. Ihre Arbeit verstärkte die Diskussion um eine genormte Rechtschreibung für Schulen und Behörden, die nach der Reichsgründung 1871 stetig vorangetrieben wurden.

Der Durchbruch in dieser Debatte konnte Konrad Duden verzeichnen, der 1880 sein Wörterbuch herausgab. Dudens Name ist bis heute ein Symbol für die deutsche Rechtschreibung. 1902 wurde Dudens Wörterbuch und die darin festgeschriebenen Schreibungen als Regelwerk bestätigt. Bis heute wird der Duden stetig überarbeitet, angepasst und neu herausgegeben, teilweise sind die Änderungen kontraintuitiv für die Menschen.

Bis heute musste Generationen von Schüler*innen zahlreiche Rechtschreibreform durchleben. Kaum hatte man das System durchschaut, kam die nächste Reform um die Ecke. Schrift ist wie Sprache an sich kein statisches Gebilde, sondern verändert sich mit dem Wandel der Sprache.

Besonders der Schrifterwerb kollidiert oftmals mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung. Das Konzept ‚Schreiben wie gehört‘ funktioniert im Deutschen nicht, weil die deutsche Schreibung nicht phonetisch ist, d.h. ein Buchstabe repräsentiert mehrere Laute. Das erschwert das intuitive Schreiben. Da heißt es einfach üben, leider.

Doch wenn die deutsche Rechtschreibung so schwierig und wenig intuitiv ist, warum machen wir das überhaupt? Weil wir in einer Gemeinschaft leben, die bestimmte Regeln braucht, um zu funktionieren. Wir haben uns auf bestimmte Normen geeinigt, die im öffentlichen Leben gelten. Heute steht die deutsche Rechtschreibung ein wenig für deutsche Ordnung und gute Bildung, was im Umkehrschluss nicht heißt, dass Fehler in der Rechtschreibung unbedingt auf eine schlechte Bildung des Schreibenden deutet.

Aber im Privaten dürfen alle schreiben, wie sie wollen. Manchmal nutzen Personen eine offiziell falsche Schreibung, um Statements zu setzen oder eine Kunstform zu kreieren. Besonders in den Sozialen Medien kann man die verschiedensten Schreibungen finden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Quellen

Schneider, Michael. Geschichte der deutschen Orthographie – unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung seit 1994

Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Amtliche Regelung, 1. August 2006. Herausgegeben vom Rat für deutsche Rechtschreibung. Narr, Tübingen 2006

Zofia Kossak

Die polnische Literatur hat viele bedeutende Künstler*innen vorzuweisen, vorwiegend Männer. Doch auch einige Frauen haben sich in dieser Domäne einen Namen gemacht und veränderten mit ihren Werken das Land. Eine von ihnen ist Zofia Kossak, die nicht nur Schriftstellerinn, sondern auch Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg war.

Zofia Kossak wurde am 10. August 1889 in Kośmin, einem Ort in der Nähe von Lublin, in eine Künstlerfamilie hineingeboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend in der Region Lublin. Ab 1906 arbeitete sie als Lehrerin in Warschau. Sie besuchte dort von 1912–1913 die Kunstakademie im Fach ‚Malerei‘ und wechselte nach Genf, wo sie ihr Studium aufgrund des Krieges unterbrechen musste.

1915 heiratete Zofia Kossak und lebte mit ihrem Mann in Nowosielica in der heutigen Ukraine. Sie bekam zwei Söhne und erlebte dort nicht nur das Kriegsende, sondern auch den Ausbruch des Polnisch-Sowjetischen Krieges. Die Familie zog 1919 nach Lwiw, Kossak arbeitete dort für eine polnische Zeitung und schrieb an ihrem ersten großen Werk ‚Pożoga‘ (dt. Feuersbrunst), in dem sie die Erlebnisse aus dem Polnisch-Sowjetischen Krieg verarbeitete.  

Kossaks Mann starb 1921 und sie zog mit den Kindern zu ihrem Vater ins Teschener Schlesien. Sie heiratete 1925 erneut und bekam noch zwei Kinder. In dieser Zeit starb ihr erstgeborener Sohn Juliusz. Sie schrieb in der Zeit viel, erhielt Auszeichnungen wie den Literaturpreis der Woiwodschaft Schlesien und engagierte sich in bei den Pfandfindern, u.a. gründete sie ein Zentrum für die Pfadfindervereinigung. Seit Mitte der 1930er Jahre lebte Kossak mit ihrem Mann, ohne die Kinder, in Warschau und schrieb in der Zeit mehrere historische Romane u.a. ‚Krzyżowcy‘ (dt. Die Kreuzfahrer) und ‚Król trędowaty‘ (dt. Der Leprakönig).

Der Überfall der Deutschen auf Polen zwang sie zur Flucht, jedoch kehrte sie schon Ende September mit ihren Kindern nach Warschau zurück und arbeitete journalistisch im polnischen Untergrund. Sie war in verschiedenen Untergrund-Hilfsorganisationen tätig, u.a. der Żegota, die vor allem Juden half gefälschte Dokumente zu erhalten oder sie aus den Ghettos zu schmuggeln. Auch für Organisationen der katholischen Kirche war Kossak tätig, neben ihrer schriftstellerischen und publizistischen Arbeit.

Die Arbeit im Untergrund drohte immer wieder aufzufliegen, die Deutschen schleusten oftmals Informanten ein. Im September 1943 wurde Kossak bei einer Straßenkontrolle verhaftet und nach Ausschwitz deportiert. Das Angebot für die Deutschen zu arbeiten, lehnte sie ab und sollte hingerichtet werden. Doch einflussreiche Freunde konnten ihre Freilassung bewirken. Wieder zurück in Warschau beteiligte sie sich zusammen mit ihrer Tochter Anna am Warschauer Aufstand im August 1944.

Nach dem Kriegsende verließ sie, nicht ganz freiwillig, Polen und ging nach London. Erst nach zwölf Jahren kehrte sie in ihre Heimat zurück und schrieb für verschiedene Zeitungen. Zofia Kossak starb am 9. April 1968 und fand ihre letzte Ruhe in Górki Wielkie im Teschener Land.

Sie hinterließ ein umfangreiches Werk, einiges wurde schon zu ihren Lebzeiten ins Deutsche, Französische und Englische übersetzt. Kossak schrieb Romane, Kurzgeschichten, Essays u.v.m., nicht zu vergessen die Schriften für die Untergrundzeitungen. Ihre Schriften zeigen ihre eher konservativ-katholische Haltung, die ihr mit unter als Antisemitismus ausgelegt wurde. Ihr Verhältnis zu anderen Literaturschaffenden in Polen war oft angespannt. Sie äußerte sich auch immer wieder kritisch zu politischen Themen und stand dem Kommunismus ablehnend gegenüber.

Ihre Arbeit im polnischen Untergrund sah sie als Pflicht einer Christin an, deren Aktivismus sich vor allem gegen die Deutschen richtete. Es ist nicht ganz geklärt wie viele Juden durch ihre Arbeit in den Untergrundorganisationen gerettet wurden, Schätzungen gehen von einigen Tausend aus. Sie erhielt dafür Auszeichnungen, auch noch posthum z.B. den Titel ‚Gerechte unter den Völkern‘ der Gedenkstätte Yad Vashem.

Das Andenken an ihr literarisches Schaffen wird deutlich, wenn man sich die Pflichtlektüre in polnischen Schulen anschaut, wo sie mit einigen Werken präsent ist. Die Reflektion der Lektüre ist ebenso notwendig wie spannend, genauso wie das Leben von Zofia Kossak.

Quelle

Jurgała-Jureczka J. Zofia Kossak. Opowieść biograficzna, Warszawa. PWN, 2014

Pałaszewska M. Zofia Kossak, Warszawa. Borowiecky, 1999

Altkirchenslawisch

Die slawische Sprachfamilie umfasst viele Sprachen Europas. Doch nicht alle sind natürlich entstanden, haben sich also über eine lange Zeit entwickelt. Die slawischen Sprachen in früherer Zeit waren untereinander sehr gut verständlich, erst im Laufe der Zeit entwickelten sie sich soweit auseinander, dass sich ihre Sprecher*innen nicht ohne weiteres verstehen. Das Altkirchenslawische dagegen ist eine Schriftsprache, die in sakralen Texten genutzt wurde. Diese Schriftsprache beruht auf dem Altbulgarischen. Man geht davon aus, dass Altkirchenslawisch nicht im Alltag gesprochen wurden.

Die Geschichte des Altkirchenslawischen beginnt im Jahr 862 n.Chr. als die Brüder Kyrill und Method den Auftrag erhielten auf Missionierung ins Mährerreich zu gehen. Beide waren umfassend gebildet und sprachen neben Griechisch auch eine slawische Sprachen, wahrscheinlich Alt-Bulgarisch. Für ihre Arbeit brauchten sie ihre religiösen Texte in slawischer Sprache und entwickelten dafür auch eine eigene Schrift, die glagolitische Schrift. Mit der Zeit verbreitete sich diese Schrift und auch die Sprache im gesamten Raum des Bulgarischen Reiches, was auch Teile der heutigen Ukraine, Russlands und dem Kaukasus umfasste.

Bis zum 10. Jahrhundert entwickelte sich das Altkirchenslawische von einer Sakralsprache weiter zu einer Literatursprache. Doch der größte Einfluss blieb der Sakralsprache vorbehalten. In den orthodox geprägten Gegenden fungierte Altkirchenslawisch als eine Art Amtssprache. Die Einflussnahme auf viele slawische Sprachen ist bis heute zu sehen. Zum Beispiel findet man im heutigen Russisch viele Reste des Altkirchenslawischen. Auch nicht-slawische Sprachen wie Rumänisch oder Ungarisch haben einen Teil ihres Wortschatzes aus dem Slawischen übernommen, was durch die geografische und historische Nähe zueinander naheliegt.

Die Erforschung des Altkirchenslawischen ist erst im 19. Jahrhundert so richtig in Fahrt gekommen. Die Schriftquellen sind überschaubar und viele Slawisten und Sprachwissenschaftler haben sich mit ihnen beschäftigt. Besonderes Interesse galt der Klassifizierung der Sprache, denn je nach Quelle wies sie unterschiedliche Spracheinflüsse auf. Ergiebig waren auch die weltlichen Texte, die zwar erst später geschrieben wurden, aber einen guten Zugang zur Grammatik und dem Wortschatz ermöglichten. In den religiösen Texten findet man wenig Indizien auf die weltliche Verwendung. Trotzdem ist es möglich altkirchenslawische Quellen anhand ihrer sprachlichen Merkmale einer Region oder Sprachstufe zuzuordnen. Auch die slawischen Muttersprachen der Verfasser können dabei eine Rolle spielen.

Eine noch nicht sicher geklärte Frage ist die Verbreitung des Altkirchenslawischen im westslawischen Gebieten wie Böhmen oder Polen. Hier war die römisch-katholische Kirche dominant, jedoch lässt es sich nicht ausschließen, dass die Missionare und ihre Schriftsprache nicht auch dort unterwegs waren, weil es vereinzelt Texte gibt, deren sprachliche Merkmale auf diese Regionen hindeuten. Da lateinische und griechische Texte oft ins Altkirchenslawische übersetzt wurden, kann auch eine Beeinflussung dieser beiden Sprachen nicht ausgeschlossen werden. 

Altkirchenslawisch ist sprachlich gesehen keine Besonderheit innerhalb der slawischen Sprachfamilie. Das grammatische System ist etwas komplexer als in den heutigen slawischen Sprachen. Das liegt vor allem daran, dass Sprachen zur Vereinfachung neigen z.B. weniger Kasus.

Das es keine Standardvariante dieser Schriftsprache gibt, teilt sich das Altkirchenslawisch in viele dialektale Varietäten auf: altbulgarisch als Hauptdialekt, salonikislawisch, altböhmisch, altmährisch, altkroatisch, altrussisch und altserbisch.  Die Schreibung sollte so weit wie möglich phonetisch sein, d.h. ein Buchstabe repräsentiert einen Laut. Ob die Schreiber der Texte sich immer daranhielten, muss stark angezweifelt werden. Es ist realistischer davon auszugehen, dass die Muttersprachen der Schreiber Einfluss auf das Schriftbild des Altkirchenslawischen hatten. Wichtig ist zu auch betonen, dass die heutigen slawischen Sprachen jeweils eine eigen sprachliche Entwicklung durchgemacht haben und der Einfluss des Altkirchenslawisch individuell unterschiedlich stark war bzw. heute zu sehen ist.

Quellen

Holzer,Georg. Altkirchenslawisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Trunte, Nicolina. Словѣньскъи ѩзыкъ. Ein praktisches Lehrbuch des Kirchenslavischen in 30 Lektionen. 2022

Die Geschichte der Gebärdensprachen

Bei dem Begriff ‚Sprache‘ denken wir sofort an Lautsprache. Doch Menschen können auf vielfältige Weise kommunizieren außer mit ihrer Stimme, z.B. mit ihren Händen. Und das ist keine Seltenheit. Weltweit gibt es über 200 Gebärdensprachen!

Gebärdensprachen sind vollwertige Sprachen mit eigener Grammatik und Wortschatz. Sie unterscheiden sich in ihrer Komplexität nicht von den Lautsprachen, die wir als selbstverständlich ansehen. Und genau wie andere natürliche Sprachen entwickeln sie sich stetig weiter.

Dass Gebärdensprachen entstanden sind, ist nicht verwunderlich. Schon immer haben sich Menschen auch durch Gebärden bzw. Gesten verständigt, wenn die Situation es erforderte. Doch wie die ersten Gebärdensprachen entstanden sind, ist unklar. Sicher ist aber, dass schon in der Antike von Menschen berichtet wurde, die sich mit Gebärden verständigt haben, auch wenn es von den Zeitgenossen oft als minderwertige Kommunikationsform abgetan wurde.

Taubheit bzw. Schwerhörigkeit galt lange Zeit als eine Strafe Gottes und daher wurde auf Bildung der Menschen oder eine eigene Gebärdensprache kaum Wert gelegt. Im Mittelalter kamen bei den europäischen Mönchen trotzdem eine Art Gebärdensprache auf, denn sie das Schweigegelübde vieler Mönche erforderte dies. Nicht nur Gebärden, auch Fingeralphabete entstanden in den Klöstern. Auch an Herrscherhöfen kannte man ähnliche Systeme, damit die Kommunikation zwischen dem Personal lautlos verlief. Doch das waren trotz allem noch keine Sprachen wie wir sie heute kennen.

Auf ihren Eroberungs- und Entdeckerreisen trafen die Europäer auf viele Indigene im Amerika, die eine Gebärdensprache verwendeten, unabhängig von Hörversmögen.

Im späten Mittelalter entwickelte sich eine humanistische Sicht auf die Bildung von tauben oder schwerhörigen Personen, ähnlich wie bei Blinden. Das galt vorerst nur für Menschen aus den höheren Schichten, setzte sich aber bald für alle durch. Die Lehrmethoden unterschieden sich stark von den heutigen und setzten viel auf Schreiben und das Fingeralphabet.

In Nordamerika entwickelte sich der Vorläufer der American Sign Language ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, weil viele Gehörlose in Gemeinschaften wie auf Martha’s Vineyard zusammenlebten. Sie brauchten eine gemeinsame Sprache, unabhängig von ihrer Herkunft.

In Europa wurden Schulen für Kinder gegründet, die sich aber zu großen Teilen versuchten den Kindern die Lautsprache beizubringen. Gebärdensprache zu unterrichteten, war eher ungewöhnlich. Die ersten Versuche fanden in Frankreich statt. Das erklärt die Verwandtschaft vieler europäischer Gebärdensprachen mit der französischen.

Gebärdensprachen als eigene Sprachsysteme entstanden im 19. Jahrhundert. Es gab immer noch kein einheitliches Lehrprogramm, die Kinder nutzten aber schon ihre eigenen Gebärden, auch wenn das noch teilweise verboten war. Gegner der Gebärdensprachen versuchten mit allen Mittel den Gebrauch zu verbieten und die Menschen weiterhin zum lautlichen Sprechen zu bringen. Bis heute sehen viele Gebärdensprachen als minderwertig an.

In Deutschland wurde die deutsche Gebärdensprache zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannter. Es entstanden mehr Schulen, die sich zwar noch mit Lautsprache arbeiteten, sich aber um die Bildung Gehörloser kümmerten und auch die deutsche Gebärdensprache nutzten.

In der Zeit des Dritten Reiches wurden Gehörlose als minderwertig eingestuft, zwangssterilisiert oder ermordet. Nach dem Krieg gründete sich der Deutsche Gehörlosenbund und auch weltweit organisierten sich immer mehr Menschen, was 1951 zur Gründung der Weltverbandes der Gehörlosen in Rom führte.

Heute gibt es viel Forschung zur Struktur der Gebärdensprachen, zahlreiche Studiengänge, Dolmetscherlehrgänge usw. Die Gebärdensprachen unterscheiden sich wie Lautsprachen auch voneinander. Nicht nur die Hände, sondern auch ihre Position im Raum, die Mimik, Lippenbewegung und viele weitere Faktoren lassen ein komplexes Sprachsystem entstehen. Selbst Dialekte innerhalb einer Sprache sind keine Seltenheit und zeugen von der Individualität der Sprechergemeinschaften.

In vielen Ländern ist die jeweilige Gebärdensprache als Amts- oder Minderheitensprache anerkannt, was ihren Status als eigenständige Sprache unterstreicht. Gebärdensprachen sind Teil der persönlichen Identität und gehören zur Teilhabe am öffentlichen Leben einfach dazu.

Quellen

Ashraf, Mohammed. Gebärdensprache als natürlich entstandene Sprache. Beni-Suef University International Journal of Humanities and Social Sciences 2020

Sacks, Oliver. Stumme Stimmen. Reise in die Welt der Gehörlosen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2001

Die Uckermark

Im Nordosten Brandenburgs liegt die Uckermark, an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern und Polen, mit dem Verwaltungssitz in Prenzlau. Die historische Region ist größer als der heutige Landkreis.

Die Region ist eine der größten Landkreise Deutschland. Dazu gehören 72 Naturschutzgebiete und zahlreiche Seen, die zur Mecklenburgischen Seenplatte gehören. Trotz der Größe leben hier im Verhältnis nur rund 117.000 Menschen. Die größten Städte sind Schwedt, Prenzlau und Templin.

Die erste Besiedlung der Uckermark geht auf die Mittelsteinzeit zurück. Vor der Völkerwanderung waren hier germanische Stämme u.a. die Semnonen ansässig, die dann weiter nach Westen zogen. Das Gebiet wurde dann vom slawischen Stamm der Ukranen besiedelt, von dem der Name Uckermark abgeleitet ist. Die Ukranen kamen wie viele slawische Stämme zur Zeit der Völkerwanderung in diese Gegend und lebten von der Landwirtschaft und der Viehzucht. Der Name ‚Ukranen‘ ist wahrscheinlich vom Fluss Ucker abgeleitet. Da die Slawen keine Schriftquellen hinterließen, ist ihre Eigenbezeichnung nicht überliefert.

Die erste Erwähnung der Uckermarkals Region findet sich im Vertrag von Landin im Jahr 1250 als sie in den Besitz der Brandenburgischen Herzöge übergeht. Die Uckermark bildete historisch eine Übergangszone zwischen Brandenburg und Pommern, war daher auch strategisch wichtig. Die Siedlungen, u.a. Prenzlau, waren Stationen auf wichtigen Handelsrouten nach Magdeburg und Stettin. Auch wegen der deutschen Expansion der Brandenburgischen Herrscher nach Osten in Richtung des heutigen Polens spielte die Uckermark eine entscheidende Rolle.

Im 30-jährigen Krieg wurden fast 50% der Dörfer zerstört und ein Drittel der Stadtbevölkerung getötet bzw. kam durch Hungersnöte und die Pest um. Um die Uckermark wieder aufzubauen, siedelte der Kurfürst Menschen aus den Niederlanden an, die von der Religionsfreiheit im Land profitierten. Weitere kriegerische Auseinandersetzungen, z.B. der brandenburgisch-schwedische Krieg (1674–1679), ließen die Region kaum zur Ruhe kommen.

Erst im 18. Jahrhundert stieg die Wirtschaftskraft, besonders durch den Bau von Kanälen und den Anbau von Getreide. Die Veränderungen der Landschaft prägen das Aussehen der Region bis heute. Die Bedeutung als Berlins Kornkammer hat sie schon längst verloren. Im gesamtdeutschen Vergleich ist die Region nur schwach entwickelt, jedoch gewinnt die Windkraft und der Tourismus an Bedeutung, der sich durch die Naturschutzgebiete und die vielfältigen Möglichkeiten Sport zu treiben auszeichnet.

Neben der reichen Flora und Fauna kann die Uckermark, wie andere brandenburgische Regionen auch, mit einer Vielzahl an Herrenhäusern und prachtvollen Villen punkten, die immer mehr zu kleinen Kulturzentren, Museen oder Theatern umgebaut werden.

Das in ganz Norddeutschland verbreitete Niederdeutsch hört man hier in einer ostniederdeutschen Varietät, die auch Einflüsse der niederländischen Siedler zeigt. Genaue Sprecherzahlen sind schwer zu erheben und die dialektale Abgrenzung ist nicht immer klar.

Das Wappen der Uckermark ist erst wenige Jahrzehnte alt, orientiert sich aber an historischen Gegebenheiten. Es zeigt ein roten Bachsteinturm mit einer Torbogenmauer, an der zwei Spitzschilde mit Adler und Greif hängen, auf goldenem Grund mit einem blausilbernen Balken im Hintergrund.

Quellen

Enders, Lieselotte. Die Uckermark: Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. BWV, Berlin 2008

Kirsch, Kerstin. Slawen und Deutsche in der Uckermark. Franz Steiner, 2004