Die Edda

Die Mythologie der Nordgermanen umfasst unzählige Geschichten über Götter, Riesen, Zwerge und andere mythische Wesen. Anfangs nur mündlich weitergegeben, wurden diese Geschichten im 13. Jahrhundert auf Island in der sogenannten Edda aufgeschrieben.

Die Edda besteht aus zwei Teilen, die sich durch verschieden Autoren und Textformen voneinander unterscheiden: die Snorra-Edda und die Lieder-Edda. Beide sind in altisländischer Sprache geschrieben. Der Inhalt der Edda stammt aus vorchristlicher Zeit, umso erstaunlicher, dass sie erst spät im schon christianisierten Island aufgeschrieben wurden. Daher muss bei der Erforschung und Interpretation der Edda immer der Einfluss der Kirche hinterfragt werden. Funde von ähnlichen Texten in Runenschrift weisen darauf hin, dass die Edda nicht die allererste Aufzeichnung ist.

Die Snorra-Edda ist von Snorri Sturluson um 1220 als eine Art Lehrbuch für die Skalden der damaligen Zeit verfasst worden. Und obwohl Snorri sein Werk als Lehrbuch konzipiert hat, ist es eins der wichtigsten Quelle der altnordischen Welt. Der Grund für Snorris Bestreben die heidnischen Geschichten aufzuschreiben, könnte die Angst des Vergessens gewesen sei, denn das Christentum hatte für die Geschichten und die traditionelle nordische Dichtkunst keinen Platz in ihrer Weltanschauung.

Die Snorri-Edda besteht dem Prolog und drei Hauptteilen. Der Prolog setzt die folgenden Geschichten in einen historischen und religiösen Bezug zum Christentum. Teil I und II erzählen die Helden- und Sagengeschichten in Prosaform, während der dritte Teil die Arten der Strophenformen mit Beispielen aus anderen Geschichten und Liedern erklärt, quasi als Anleitung zum Dichten.

Es existieren vier Manuskripte der Snorri-Edda, die wahrscheinlich Abschriften und keine Originale von Snorri sind, da drei von ihnen auf die Jahre 1300-1350 und eins um das Jahr 1600 datiert sind.

Die Lieder-Edda wurde zum Ende des 13. Jahrhundert geschrieben und beinhaltet die Lieder der nordischen Sagenwelt. Einige Abschnitte sind aus der Snorri-Edda übernommen. Seit wann es die Lieder der Edda gibt, kann man nicht sagen, denn vor der Verschriftlichung in der Edda wurden sie nur mündlich weitergegeben. Auch ist kein namentlicher Verfasser bekannt. Man kann davon ausgehen, dass sich mehrere Verfasser an der Liedersammlung beteiligt haben. Möglich sind auch unterschiedliche Entstehungsjahre, denn die Schreibung wechselt mehrmals.

Die Lieder-Edda enthält 16 Götter- und 24 Heldenlieder, die u.a. von Odins Zaubern, Lokis Taten oder den Helden wie Sigurd, dem Drachentöter, erzählen. Die Lieder unterscheiden sich durch Sprachstufen und -stil, so dass man unterschiedlichem Alter der Lieder ausgehen kann. Auch die Zeichnungen auf den Manuskripten geben Aufschluss über das Alter, aber kaum über die Verfasser. Zwischen den Strophen finden sich manchmal kurze Erklärungen der Prosatexte. Auch die Reihenfolge lässt Fragen offen. Anders als eine Chronik sind die Lieder nicht in zeitlich korrekter Reihenfolge aufgeschrieben worden. Es scheint oft so, dass die Geschichten, die aufeinander Bezug nehmen, einander folgen, unabhängig von der Chronologie. Mitunter entstehen dabei unlogische bzw. zeitlich unmögliche Überschneidungen oder Geschichtenverläufe.

Trotz seines heidnischen Inhalts erfreute sich die Edda seit ihrer Verschriftlichung großer Beliebtheit, auch über die Grenzen der nordischen Welt hinaus. Die Geschichten der Helden sind in andere Kulturkreise eingewandert, wurden angepasst und heute noch so spannend wie damals. Das Interessante an den Geschichten und Liedern der Edda ist die Menschlichkeit der Protagonisten, denn in der nordischen Mythologie erscheinen Götter und Helden oft sehr menschlich. Sie lieben, hassen, lügen usw., um zu bekommen, was sie wollen. Das nordische Heidentum, die Kultur und Traditionen, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, ähnlich wie andere heidnische Religionen. Dieser Erfolg ist auch den Verfassern der Edda zu verdanken, die das vorchristliche Wissen bewahrt haben.

Quellen

Simek, Rudolf. Die Edda. C.H. Beck, München 2007

Die Edda. Götterlieder, Heldenlieder und Spruchweisheiten der Germanen. Übertragen von Karl Simrock, Marix Verlag, Wiesbaden 2011

Sorbische Dialekte

Jede Sprache besitzt Dialekte, egal wie klein sie ist. Das Sorbische besitzt zahlreiche Dialekte, die sich in einem Dialektkontinuum vom Niedersorbischen zum Obersorbischen verbinden. Zwischen ihnen befinden sich sogenannte Übergangsdialekte, die Merkmale beider Standardsprachen beinhalten.

Das Siedlungsgebiet der Sorben ist in den letzten Jahrhunderten immer weiter geschrumpft, genauso wie die Zahl der Sprecher*innen des Sorbischen. Davon sind insbesondere die Dialekte betroffen, die zudem auch kaum dokumentiert oder verschriftlicht sind. Sterben die Sprecher*innen des Dialektes, stirbt auch der Dialekt. Bis in die 1920er Jahre sprachen fast alle Sorben Sorbisch als Muttersprache, viele davon als Dialekt. Die Sprache wurde zur Zeit des Nationalsozialismus verboten und so erlernten viele sorbische Kinder ihre Muttersprache oft nur unzureichend. Auch der Schutzstatus, den es in der DDR für die Sorben gab, half kaum den Schwund der Dialekte aufzuhalten. Mittlerweile sind alle Sorben zweisprachig, in der Schule lernen sie nur eine der beiden Standardsprachen.

Zwar sind die beiden Standardsprachen Ober- und Niedersorbisch auch sehr stark gefährdet, werden aber in Kitas, Schulen und einer Universität gelehrt und in den Medien genutzt. Sorbische Dialekte sind jedoch fast nur im familiären Umfeld zu finden.

Das Hauptunterscheidungsmerkmal der Dialekte ist die Aussprache. Die Grammatik orientiert sich an einer der beiden Standardsprachen, vereinzelt findet man aber anderen Wortschatz.

Im Dialektkontinuum gliedert sich in drei Gruppen, die den Orten benannt sind, an denen sie hauptsächlich gesprochen werden. Zu den niedersorbischen Dialekten gehören der Vetschauer Dialekt, der westliche und östliche Cottbusser Dialekt. Die obersorbischen Dialekte umfassen den Bautzner Dialekt, den Katholischen Dialekt, zwei Heide Dialekte, den Oßlinger Dialekt und den Wittichenauer Dialekt.

In die Einteilung der Übergangs- oder Grenzdialekte fallen Dialekte, die sich nicht genau einer der beiden Standardsprachen zuordnen lassen. Dies ist zum Teil auch historisch bedingt, denn die Ober- und Niederlausitz waren oftmals Teile zweier Staaten (ab 1815 Sachsen und Preußen).

Zu den Übergangsdialekten gehören zwei Spremberger Dialekte, der Großkoschener Dialekt, der Hoyerswerdaer Dialekt, der Spreewitzer Dialekt, der Schleifer Dialekt, der Nochtener Dialekt und der Muskauer Dialekt. Das ist nur eine grobe Einteilung der sorbischen Dialekte und es gibt keine genauen Informationen wie viele Menschen welchen Dialekt sprechen. Einige Sprachwissenschaftler sind der Meinung, dass manche Dialekte so große Differenzen zu den beiden Standardsprachen aufweisen, um schon eine dritte sorbische Sprache zu sein. Andere weisen diese Einteilung als falsch zurück. Das Problem bei diesen Klassifizierungen ist, dass die Übergänge sehr fließend sind. Es fehlen für viele Dialekte schriftliche Dokumentationen und außerdem ist die Mehrheit der Dialekte ausgestorben.

Eine Besonderheit weist der Schleifer Dialekt auf, denn obwohl von ihm keine Schriftsprache existiert, gibt es schriftliche Aufzeichnungen von einem Bauer aus Rohne, Hanzo Njepila (dt. Hanso Nepila, 1766 – 1856). Er schrieb Tagebuch, einige Teile davon sind erhalten geblieben, wurden veröffentlicht („Šycko som how napisał./Im Kämmerlein hab ich geschrieben.“) und sind ein wertvoller Forschungsgegenstand für Sprachwissenschaftler und Historiker. Vorsichtige Schätzungen gehen aktuell von 20-30 Sprecher*innen des Schleifer Dialektes aus.

Die Forschung im Bereich der sorbischen Dialekte wird den Schwund der letzten verbliebenen Dialekte wahrscheinlich nicht aufhalten können. Doch ist die Dokumentation und Erhaltung der letzten lebenden Dialekte ein Schritt die sorbische Sprache und Kultur sichtbarer und für nachfolgende Generation erfahrbar zu machen!

Quelle

Norberg, Madlena Norberg: Sind die sorbische/wendische Sprache und Identität noch zu retten? In: Sammelband zur sorbischen/wendischen Kultur und Identität. Univ.-Verlag, Potsdam 2008

Ein Artikel von Sonja Wölkowa: https://www.sorabicon.de/kulturlexikon/artikel/prov_uyw_lgj_d3b/

Bildquelle

Von NordNordWest – Eigenes WerkHinc Šewc: Gramatika hornjoserbskeje rěče, 1. zwjazk. Ludowe nakładnistwo Domowina Budyšin, 1968, S. 251, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19779213

Slowakisch – das slawische Esperanto

Slowakisch ist eine Sprache der westslawischen Sprachfamilie, die vor allem in der Slowakei von etwa 5 Mio. Menschen gesprochen wird. Weltweit kommen nochmal etwa eine Mio. Sprecher*innen dazu u.a. in den USA und Kanada. Seit dem 1. Mai 2004 ist sie durch den Betritt der Slowakei auch eine Amtssprache der Europäischen Union.

Das Slowakische hat eine enge Geschichte mit dem Tschechischen, was durch die geschichtlichen Ereignisse bedingt ist. Die Herausbildung der slowakischen Sprache beginnt etwa im 10. Jahrhundert als ungarische Stämme das Großmährische Reich erobern. Die Sprache und auch slowakische Dialekte entwickelte sich in der einfachen Bevölkerung, die offiziellen Sprachen unter der ungarischen Herrschaft waren neben Ungarisch noch Latein und Deutsch. Ab dem 14. Jahrhundert war Slowakisch auch die Sprache des Bürgertums in den Städten wie Bratislava, Košice oder Žilina. Das Bürgertum nutze Slowakisch als inoffizielle Amts- und Literatursprache. Auch das Tschechische, vor allem durch die Hussiten, war immerzu präsent. Beide Sprachen beeinflussten sich seit dem späten Mittelalter immens. Durch die enge Verwandtschaft beider Sprachen waren sie den Menschen näher als z.B. das Lateinische oder Deutsche.

Ende des 18. Jahrhunderts versuchte sich Anton Bernolák an der Einführung eines slowakischen Schriftstandards. Doch erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Zeit der Nationalen Wiedergeburten u.a. der Sorben, Tschechen und Slowaken, gelang es Ľudovít Štúr einen grundlegenden Schriftstandard zu etablieren. Die vielfältigen Dialekte des Slowakischen machten es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kaum möglich von einer gesprochenen Standardsprache zu sprechen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt sich dann auch eine Standardisierung der mündlichen Sprache erkennen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde Slowakisch als Teil der Gesamtgesellschaft fest etabliert, d.h. in allen Aspekten einer Sprache angewendet. Die meisten Slowaken beherrschten das Tschechische in Wort und Schrift, bestanden aber auf ihre sprachliche Eigenständigkeit.  

Von vielen werden Tschechisch und Slowakisch als eine Sprache mit unterschiedlichen Varietäten gesehen. In der Wissenschaft differenziert man jedoch genauer und klassifiziert beide als eigenständig. Sprecher*innen beider Sprachen verstehen sich untereinander gut, wobei die jüngere Generation in Tschechien Slowakisch nur bedingt versteht.  

Als Teil der westslawischen Sprachfamilie ähnelt Slowakisch seinen Verwandten Tschechisch, Polnisch und Sorbisch in vielen Aspekten. Doch gerade in der Aussprache gibt es wichtige Unterschiede. Von vielen wird Slowakisch als ‚Slawisches Esperanto‘ bezeichnet, denn es ist die regelmäßigste der slawischen Sprachen.

Slowakisch wird in lateinischen Buchstaben geschrieben, versehen mit einigen diakritischen Zeichen wie dem Akut oder dem Hatschek. Damit werden Längen und Weichheit in der Sprache gekennzeichnet. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe, wie beim Tschechischen oder Niedersorbischen.  

Wie alle slawischen Sprachen flektiert das Slowakische stark, es gibt sechs Fälle und drei grammatische Geschlechter, wobei das Maskulinum zwischen belebt und unbelebt unterscheidet. Es gibt kein Artikelsystem wie im Deutschen.

Das Slowakische zeigt viele lexikalische Entlehnungen aus anderen Sprachen wie dem Ungarischen, Polnischen und Deutschen. Immer häufiger finden auch Anglizismen den Weg in die Sprache, was aber in allen Sprachen zu beobachten ist.

Die zahlreichen Dialekte gliedern sich in drei große Gruppen: Ostslowakisch, Mittelslowakisch und Westslowakisch. Außerdem gibt es im Grenzbereich zu Ungarn und in Teilen Serbiens und Kroatien kleine slowakischsprachige Gruppen.

Quellen

Gladrow, Anneliese. Slowakisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Die Region Lebus

Eine der 16 Woiwodschaften Polens ist Lebus, polnisch Województwo lubuskie, grenzt nicht nur an Deutschland, sondern hat auch eine lange gemeinsame Geschichte mit seinem Nachbarn.

Die historische ehemals deutsche Region ‚Neumark‘ wird von der heutigen Woiwodschaft Lebus fast vollständig umfasst. Im Norden grenzt Westpommern, im Osten Großpolen, im Süden Niederschlesien und im Westen Brandenburg. Die beiden wichtigsten Städte sind Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe) und Zielona Góra (Grünberg), in denen die Verwaltung angesiedelt ist.

Wie die Regionen links der Oder ist die Lebuser Region landschaftlich durch die letzte Eiszeit geprägt. Das Land ist durchzogen von Flüssen z.B. Warta (Warthe) und Odra (Oder), die sich zwischen viel Wald entlangschlängeln. Es gibt einige Naturschutzgebeite z.B. Nationalpark Warthemündung (Park Narodowy Ujście Warty) und den Landschaftsschutzpark Łagów (Łagowski Park Krajobrazowy), in denen zahlreiche Vogelarten beheimatet sind. Die Woiwodschaft ist eine der am dünn besiedelten Gegenden Polens. Die Industrie in den Städten und die Landwirtschaft sind neben dem langsam wachsenden Tourismus die Lebensgrundlage der Menschen, wobei der Tourismus immer mehr forciert und ausgebaut wird.

Erste Besiedlungen der Region fanden in der mittleren Steinzeit ca. 8000 v.Chr. statt. Mit aufkommender Landwirtschaft entstanden in der Jungsteinzeit Siedlungen, wahrscheinlich von germanischen Stämmen. Im vierten Jahrhundert n.Chr. war das Gebiet nicht besiedelt, erst im 6. Jahrhundert kamen slawische Stämme u.a. die Pyritzer und Lebuser und siedelten an den Flüssen.

Ab dem 10. Jahrhundert gehörte die Region zum polnischen Staat unter Mieszko I. aus dem Geschlecht der Piasten. Seit dieser Zeit verbreitete sich das Christentum unter den Slawen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gehörten Teile der Region zu christlichen Orden, zu Niederschlesien oder Großpolen. Die Besiedlung mit deutschen Siedlern in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts fiel mit dem Herrschaftsbeginn des Hauses Brandenburgs zusammen. Das Einflussgebiet der Brandenburger wurde über die Region weiter ausgebaut.

Kriegsgeschehen wie der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) und der Siebenjährige Krieg (1756-1763) ließen die Region wirtschaftlich und bevölkerungsmäßig ausbluten. Die Neuansiedlung und Gründung von Dörfern begannen zeitnah nach den Kriegen. Trotz der Rückschläge wurde das Gebiet im 18. und 19. Jahrhundert wirtschaftlich genutzt. Als Teil Preußens wurden die sumpfigen Gegenden trockengelegt und ein einfaches Verbindungsnetz zwischen den Siedlungen und Städte z.B. Berlin-Küstrin geschaffen, das weiter in Richtung Posen, Breslau oder Königsberg ging. Für große Industrieanlagen eignete sich der Untergrund jedoch kaum und so wanderten viele Menschen im 19. Jahrhundert in andere Industriezentren und Großstädte ab.

Nach dem Ersten Weltkrieg verblieb die Region bei Deutschland, wurde aber zur Grenzregion zwischen Deutschland und dem neu entstandenen Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschob sich die deutsch-polnische Grenze bis zur Oder. Die deutschen Bewohner wurde vertrieben und neue, aus dem Osten vertriebene, Polen angesiedelt.

Die Region blieb bis zum Ende des Kalten Krieges und der Öffnung der Grenzen wenig beachtet. Erst in den letzten Jahrzehnten konnte v.a. der touristische Wert der Region genutzt werden. Die zahlreichen Bauwerke wie Schlösser oder Burgen und dazugehörende Parkanlagen sind ein Schatz dieser Region. Die benachbarten Region Brandenburg und die Woiwodschaft Lebus arbeiten im touristischen Bereich intensiv zusammen. Die wasserreiche Region bietet Wassersportfans unzählige Möglichkeiten, auch Rad- und Wanderwege wurden ausgebaut.

Bekannte Personen aus der Region sind u.a. Johann von Küstrin (1513-1571), die Frauenrechtlerin Marie Juchacz (1879–1956), die Sängerin Maryla Rodowicz (*1945) und die Schriftstellerin Olga Tokarczuk (*1962).

Das Wappen der Woiwodschaft Lebus ist in Rot und Grün gespalten, mit einem silbernen Adler und zwei goldenen Sternen.

Quellen

Kling, Wolfgang & Lüderitz, Jörg. Neumark. Durch die alte Kulturlandschaft östlich von Oder und Neiße. Trescher Verlag, Berlin 2015

Rutkowski, Paweł (Hrsg.). Streifzüge zwischen Oder und Drage. Begegnungen mit der Neumark. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2012

Die georgische Schrift

Wer schon mal in Georgien war, hat sicher die ungewöhnliche Schrift bemerkt. Georgisch ist eine Sprache aus der Gruppe der südkaukasischen Sprachen und besitzt eine der wenigen isolierten Alphabetschriften in Europa (kulturell wird der Kaukasus oft zu Europa gezählt, geografisch zu Asien).

Historisch gesehen ist die georgische Schrift eine der ältesten weltweit, genutzt etwa seit der Mitte des 5. Jahrhunderts. Wie alle Schriften hat sie sich im Laufe der Zeit stark verändert. Heute existieren zwei Schriftenvarianten für religiöse Texte (Assomtawruli und Nusschuri) und eine für weltliche Texte (Mchedruli). Die jüngere Variante, die Mchedruli-Schrift, ist seit dem 13. Jahrhundert dokumentiert.

Die frühesten Zeugnisse der georgischen Schrift wurden interessanterweise nicht auf georgischem Gebiet gefunden, sondern in Klöstern in Palästina.

Geschrieben wird diese Schrift generell von links nach rechts wie in Europa üblich, anders als z.B. Hebräisch. Jeder Buchstabe steht für einen Laut, d.h. es ist eine phonetische Schrift. Insgesamt gibt es 33 Buchstaben. Ursprünglich waren es mehr, doch nach einer Schriftreform im 19. Jahrhundert wurden 5 Buchstaben entfernt, da sie in der neu-georgischen Sprache nicht mehr gebraucht wurden. Außerdem gibt es in verwandten Sprachen wie Swanisch oder Lasisch, die die georgische Schrift nutzen, zusätzliche Buchstaben, weil sonst nicht alle Laute repräsentiert wären.

Jeder Buchstabe hat einen Namen, ähnlich wie wir es auch in der hebräischen Schrift kennen. Die Reihenfolge innerhalb des Alphabetes erinnert stark ans Griechische. Im Gegensatz zu Schriften, die sich aus dem griechischen Alphabet entwickelt haben z.B. die gotische oder kyrillische Schrift, ist die georgische Schrift keine Abwandlung der griechischen. Dafür sprechen vor allem die Unterschiede in der grafischen Gestaltung der Buchstaben. Die Eigenschaften der georgischen Schrift weisen jedoch auf den griechischen Einflüsse hin z.B. die Reihenfolge der Buchstaben.

Wer die Schrift entwickelt hat, ist nicht geklärt. Manche halten den armenischen Heiligen Mesrop Maschtoz, der das armenische Alphabet entwickelt hat, für den Schöpfer. Doch diese These ist bislang noch nicht bewiesen worden. Die bloße Nähe zu Armenien reicht da bei Weitem nicht aus und die Unterschiede zwischen den Schriften sind augenscheinlich. Heute wird diese Theorie allgemein als falsch angesehen.

Die drei Varianten der georgischen Schrift Assomtawruli, Nuschuri und Mchedruli sind chronologisch nacheinander entstanden. Interessant ist, dass der jeweilige Vorgänger erhalten blieb und weiterverwendet wurde. Das ist bei Schriften eher unüblich. Die Nutzung der ‚alten‘ Schriften verschob sich im Laufe der Zeit zu den kirchlichen Texten, während sich Mchedruli als Schrift für weltliche Literatur und Medien durchsetzte. 

Assomtawruli ist die älteste Schriftform und bis zum 9. Jahrhundert die einzige. Die immer gleich hohen Buchstaben bestehen aus geometrischen Elementen wie Linien, Kreise und Halbkreise, die im rechten Winkel verbunden werden. Diese exakte geometrischen Anordnung ist ein Indiz auf eine eigenständige Schrift, denn anderen Schriften fehlt das Charakteristikum der Geometrie. Mit dem Aufkommen von Nuschuri wurden immer weniger Texte in Assomtawruli geschrieben bzw. kopiert.

Nuschuri entstand im 9. Jahrhundert und wurde in Manuskripten vermehrt verwendet. Diese Schriftvariante ist einfacher zu lesen, daher die Beliebtheit in Manuskripten. Die Buchstaben variieren in ihrer Höhe und sind durch die leichte Neigung einfacher zu schreiben. Noch heute verwendet die georgische Kirche diese Schrift.

Mchedruli ist die letzte Stufe in der Entwicklung der georgischen Schrift. Sie ist im Vergleich zu Nuschuri nochmals vereinfacht. Belegt in Urkunden und Inschriften ist sie seit dem 10. Jahrhundert. Abermals siegte die neue Variante wegen ihrer schnelleren Schreibarkeit und leichterer Lesbarkeit.  Mchedruli ist heute die verbreitete Schrift im öffentlichen Leben, in den Medien und der Literatur.

Nur Mchedruli lesen und schreiben zu können, reicht nicht aus, um die Vorgänger Assomtawruli und Nuschuri zu verstehen. Doch der phonetische Charakter des Alphabetes erleichtert den Erwerb des Lesens und Schreibens. Die Einzigartigkeit der Schrift inspiriert Künstler und wird mittlerweile auch für touristische Zwecke genutzt.

Quellen

Bokhashvili, Marine. Einführung in die georgische Schrift. Buske, Hamburg 2007

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift.  C.H. Beck Wissen, München 2002

Bildquelle

Von Deu – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=104782273

Finnische Mythologie

Die Völker im Norden Europas lebten oft in Gruppen, die über weite Distanzen und unwegsames Gelände voneinander getrennt waren. Die Finnen als Stamm wanderten wahrscheinlich vor fünftausend Jahren aus der Richtung des Urals ins Gebiet des heutigen Finnlands und Umgebung ein.

Die Verbindung mit anderen finno-ugrischen Völkern sieht man nicht nur in der Verwandtschaft der Sprachen, sondern auch in Ähnlichkeiten der Mythologie. Die geografische Nähe zu den Nordgermanen und Samen hat ebenfalls zu Überschneidungen der finnischen, samischen und nordischen Legendenwelt beigetragen.

Heutzutage hat die finnische Mythologie wieder viele Anhänger, die eine moderne Art des Heidentums leben, oft gemischt mit anderen Kulturformen.

Der erste, der Teile der finnischen Mythologie gesammelt hat, war Reformator Mikael Agricola (1510–1555). Er ließ Kommentare zur finnischen Folklore in seine Psalmenübersetzung von 1551 einfließen. Der Großteil der Mythen ist im finnischen Nationalepos, dem Kalevala, gesammelt. Das Kalevala ist erst 1835 erschienen und besteht aus über zweiundzwanzigtausend Versen. Vorher wurde die Mythen mündlich weitergegeben und im 19. Jahrhundert von Elias Lönnrot aufgeschrieben worden. Außerdem stellt das Kalevala eins der wichtigsten literarischen Werke der finnischen Sprache dar. Wegen der späten Verschriftlichung der Mythen lässt sich nur schwer sagen, wann welche Einflüsse fremder Elemente Eingang in die Mythenwelt der Finnen gefunden haben.

Wie jede Mythologie ist die Entstehung der Welt auch bei den Finnen ein zentrales Motiv. Sie glaubten, dass die Welt aus Vogeleiern entstanden ist. Eine Geschichte spricht von einem Adlerweibchen, das über das Wasser fliegt und nach einem Platz für sein Nest sucht. Sie findet eine trockene Stelle, die zufällig das Knie des schlafenden Zauberer Väinämöinen ist, und legt ihr Ei ab. Der Zauberer erwacht und erhebt sich, das Ei zerbricht und heraus kommen der Mond und die Sonne, während aus den Schalen die Erde und die Sterne werden. Andere Geschichte erzählen von Eiern anderer Vögel wie einer Ente oder einer Schwalbe, aus denen die Welt erschaffen wurde.

Tiere sind in der finnischen Mythologie allgegenwärtig. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Finnen vielerorts von der Jagd abhängig waren und daher Tiere als heilige Tiere ansahen. Das heiligste von ihnen ist der Bär, aber auch alle möglichen (Wasser-)Vögel.

Nicht nur in der Schöpfungsgeschichte der Finnen spielen Vögel eine zentrale Rolle. Sie tauchen immer wieder auf. Vögel verleihen den Menschen ihre Seele im Augenblick der Geburt und nehmen sie im Tod. Für die Finnen ist der Tod eine unausweichliche Sache. Alle Toten treten, unabhängig von ihren Taten im Leben, die Reise ins Totenreich an, zum Fluss Tuonela. Dort herrschen die Götter der Unterwelt Tuoni und Tuonetar, zusammen mit der Göttin des Todes und der Verwesung Kalma.

Wie in der Mythologie der Sibirer können Schamanen das Totenreich betreten und wieder verlassen. Diese Gabe haben normale Menschen nicht, sie kehren nie zurück.

Die Götter der Finnen sind zahlreich und wie in anderen Mythologien mit verschiedenen Attributen und Aufgaben versehen. Der höchste Gott ist Ukko, der Gott des Himmels und des Gewitters, der in dem Kalevala als alter weißbärtiger Mann beschrieben wird. Eine zufällige Ähnlichkeit mit Odin und Thor aus der nordischen Mythologie? Die höchste Göttin der Finnen ist Akka ist die Fruchtbarkeitsgöttin. Neben vielen anderen Göttern gibt es Geister, Dämonen und Tiergeister.

Oft variieren die Namen der Götter und der Inhalt der Legenden je nach Region und überschneiden sich mit anderen Mythologien z.B. den Esten oder Germanen. Wer von wem etwas übernommen hat, lässt sich kaum noch nachvollziehen, zeigt aber, dass die Volkgruppen nicht so isoliert voneinander gelebt haben wie manchmal angenommen wird. Vor allem der Handel zwischen den Völkern im Norden Europas und im Ostseeraum sorgte für die Mischung, die in den Geschichten aufgeschrieben wurden.

Quellen

Grimal, Pierre. Mythen der Völker III. Fischer Bücherei. Hamburg 1963

Honko, Lauri. Finnische Mythologie. In: Hans Wilhelm Haussig (Hrsg.): Götter und Mythen im Alten Europa (= Wörterbuch der Mythologie. Abteilung 1: Die alten Kulturvölker. Band 2). Klett-Cotta, Stuttgart 1973

Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

In Deutschland ist das Thema ‚Sprache‘ gerade in aller Munde. Sprache bestimmt nicht nur unser Denken, sondern auch unser Handeln. Neben Deutsch werden in Deutschland viele andere Sprachen gesprochen, denn unser Grundgesetz garantiert jedem das Recht seine eigene Sprache zu sprechen. Doch nicht alle Sprachen sind gleich in ihrem rechtlichen Status. Besonders geschützt sind Dänisch, Obersorbisch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Saterfriesisch, Romanes als Minderheitensprachen und Niederdeutsch als Regionalsprache.

Diesen besonderen Schutzstatus regelt die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, engl. European Charter for Regional or Minority Languages. Die Charta ist vom Europarat formuliert worden und hat das Ziel, alle Minderheiten- und Regionalsprachen Europas als kulturelles Erbe zu bewahren und zu schützen. Diese Zusammenarbeit der europäischen Staaten soll die staatenübergreifende Zusammenarbeit stärken. Außerdem steht der Schutz der kleinen, vom Aussterben bedrohten Sprachen im Vordergrund. Die Charta ist das erste Dokument seiner Art weltweit.

Am 5. November 1992 wurde die Charta gezeichnet und bis heute von über 25 Staaten unterzeichnet, jedoch noch nicht von allen ratifiziert (rechtskräftig bestätigt). Deutschland ratifizierte das Dokument 1998 und am 1. Januar 1999 trat es in Kraft.  Die Sprachencharta gilt aktuell für 79 Sprachen, die von 203 Minderheiten gesprochen werden.

In der Sprachencharta verpflichtet sich Deutschland die Minderheitensprachen Dänisch, Obersorbisch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Saterfriesisch, Romanes und die Regionalsprache Niederdeutsch in den Gebieten, in denen sie gesprochen werden, besonders zu schützen. Diese Verpflichtung ist jedoch nicht an Sanktionen geknüpft, falls die Schutzmaßnahmen aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt werden. Auch gibt es keine Kontrollinstanz, die die Maßnahmen überprüft und bewertet. Es liegt allein in der Hand jedes einzelnen Staates die unterschriebene und ratifizierte Charta umzusetzen.

Der Aufbau der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen gliedert sich in fünf Abschnitte.

Abschnitt 1 definiert, was genau eine Regional- bzw. Minderheitensprache ist und wo sie angesiedelt sind. Dabei ist die Unterscheidung von historischen Minderheiten in den betreffenden Gebieten klar von migrantischen Minderheiten abgegrenzt. Auch Dialekte sind in der Charta nicht gesondert aufgeführt.

Abschnitt 2 beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Zielen der Charta und den Möglichkeiten, die jeder Staat hat, um ‚seine‘ Sprachen zu schützen.

Abschnitt 3 enthält einen Maßnahmenkatalog für alle Bereiche des öffentlichen Lebens z.B. Bildung, Kultur, Wirtschaft oder Medien. Dabei sollen laut Vereinbarung möglichst viele Maßnahmen umgesetzt werden. Nicht alle sind jedoch immer möglich.

Abschnitt 4 regelt die Anwendung der Charta. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich regelmäßig Berichte zur Umsetzung zu verfassen. Jedoch drohen keinen rechtlichen Konsequenzen bei Verweigerung der Berichte.

Abschnitt 5 sind Schlussbestimmungen.

In Deutschland sind auf Bundesländerebene Gesetzte zum Schutz der beheimateten Minderheiten erlassen worden, die unterschiedlich umgesetzt werden. Als einzige Minderheitensprache ist das Romanes nicht an ein spezielles Siedlungsgebiet gebunden, wird daher leider weniger intensiv gefördert als die anderen Sprachen. Für jede der geschützten Sprachen sind im Einzeln Maßnahmen zur Sprachpflege etc. erarbeitet worden. Ausschlaggebend für die Intensivität der Maßnahmen sind oft finanzielle und ressourcenvorherrschende Faktoren.

Von einigen Wissenschaftlern wird v.a. die Definition des Begriffes ‚Regionalsprache‘ kritisiert. Auch die Nichtbeachtung der zahlreichen Dialekte stellt einen Kritikpunkt da. Doch abgesehen davon vereint die Sprachencharta viele Länder in ihren Bemühungen ihre sprachliche Vielfalt zu erhalten und auch nach außen hin sichtbar zu machen. Besonders der Schutz von kleinen Sprachen ist eine große Aufgabe, die wahrscheinlich nie enden wird.

Quelle

Lebsanft, Franz & Wingender, Monika (Hrsg.). Die Sprachpolitik des Europarats. Die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ aus linguistischer und juristischer Sicht. De Gruyter, Berlin 2012

Die europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list?module=treaty-detail&treatynum=148

Lesja Ukrajinka

Die Welt der Literatur ist sehr männlich geprägt. Das ist auch in Osteuropa ein weit verbreitetes Phänomen. Nur einzelne Frauen schaffen es sich zu Lebzeiten in der Welt der Literatur durchzusetzen wie z.B. Wisława Szymborska. Eine der wenigen Frauen, die in die ukrainische Literaturgeschichte eingegangen ist, hieß Lesja Ukrajinka (ukrainisch Леся Українка).

Sie wurde am 25. Februar 1871 (nach gregorianischem Kalender) als Laryssa Petriwna Kossatsch in Swjahel, damals Russisches Kaiserreich, geboren. Ihr Vater Petro Antonowytsch Kossatsch entstammte dem Adel und war als Jurist tätig, ihre Mutter war die Schriftstellerin Olena Ptschilka. Ukrajinkas Eltern setzten auf eine gute Ausbildung ihrer vier Kinder und so kam sie schon im Kindesalter mit den Größen der damaligen ukrainischen Literaturszene in Berührung.

Ihre Schulbildung beinhaltete neben Literatur auch zahlreiche Fremdsprachen u.a. Deutsch, Latein, Französisch und Englisch, deren Beherrschung sie später bei zahlreichen Übersetzungen der europäischen Literatur unter Beweis stellte. Die Unterrichtssprache war immer Ukrainisch, deshalb gingen Ukrajinka und ihre Geschwister nicht auf staatliche Schulen, sondern wurden zu Hause unterrichtet. Ihrer großen Begeisterung für die Musik konnte sie wegen einer Tuberkuloseerkrankung nicht intensiv nachgehen und wandte sich deshalb verstärkt der Literatur zu. Zeitlebens wurde sie von literarischen Größen wie Taras Schewtschenko oder Iwan Franko beeinflusst.

Ukrajinka schrieb schon im Kindesalter Gedichte, einige erschienen sogar in Zeitungen. Ab 1884 veröffentlichte sie ihre Texte und Gedichte unter ihrem Pseudonym Lesja Ukrajinka, da ukrainische Veröffentlichungen in Russischen Kaiserreich verboten waren, ebenso wie die Verbreitung im Ausland gedruckter Werke in ukrainischer Sprache. Neben dem Schreiben von Gedichten, Liedern und Märchen übersetzte sie Werke u.a. von Heinrich Heine, Adam Mickiewicz oder Gerhart Hauptmann. Sie übersetzte bewusst Werke, die auch einfachen Leuten zugänglich waren. Dabei war auch die Verwendung der ukrainischen Sprache ein wichtiger Schritt zur Prestigesteigerung des Ukrainischen.

Sie war Mitglied in der Literaturgruppe Plejada, in der sie sich für die Verbreitung ukrainischer Literatur stark machte. Ihre frühen Gedichte zeigen oftmals traditionelle und naturalistische Motive z.B. ‚Dawnja kaska‘ („Ein altes Märchen“, Versepos 1893)

Auch persönliche Schicksale wie ihre Tuberkuloseerkrankung und die Hoffnung auf Besserung sind Themen ihrer Werke z.B. in ‚Contra Spem Spero!‘ (dt. ‚Gegen die Hoffnung hoffe ich!‘)

Ihre Gesundheit wegen reiste Ukrajinka viel in europäischen Kureinrichtungen, die sie nicht nur zum Schreiben sondern knüpfte Kontakte und lernte die fremden Kulturen kennen. Auf ihren Kurreisen lernte sie 1897 in Jalta Serhij Merschynski kennen, in den sie sich verliebte und ihre Gefühle in einigen Gedichten verarbeitete.  Merschynski Tod 1901 ließ Ukrajinka in einer Phase des melancholischen Schreibens zurück. Die verschiedenen Menschen aus aller Herren Länder beeinflussten auch ihre Arbeit und sie schrieb mehr politische motivierte Texte und übersetzte Schriften von Marx und Engels, obwohl sie selber aus der gehobenen Gesellschaft stammte.

Ihre politischen Schriften erweckten die Aufmerksamkeit der Behörden. Ukrajinka wurde 1907 mehrfach verhaftet und unter Beobachtung gestellt. Im selben Jahr heiratete sie Klyment Kvitka, mit dem sie die Liebe zur Musik und fremden Kulturen teilte. Sie wohnten zuerst einige Zeit auf der Krim und dann in Georgien. Dort starb Lesja Ukrajinka am 1. August 1913 in Surami. Ihr Leichnam wurde nach Kiew gebracht und auf dem Bajkowe-Friedhof beerdigt.

Lesja Ukrajinka schrieb, ungeachtet ihrer gesundheitlichen Verfassung, ihr ganzes Leben hindurch. Viele Werke wurde zu Lebzeiten nicht veröffentlicht, einige hat die Schriftstellerin auch nicht mehr fertiggestellt. In der Ukraine wird Ukrajinkas Erbe und die Erinnerung an sie geehrt und sorgfältig bewahrt. Ihr zu Ehren gibt es viele Denkmäler, nach ihren benannten Straßen etc. Sie gilt heute als eine der einflussreichsten Schriftstellerinnen der Ukraine. Die schiere Menge der Werke und ihre Verbundenheit zum ukrainischen Volk lassen die Erinnerung an sie nicht verblassen.

Quellen

Jobst, Kerstin S. Geschichte der Ukraine. Stuttgart 2015

Tschižewskij, Dimitrji & Horbatsch, Anna-Halja. Die ukrainische Literatur. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon. Bd. 20. München 1996

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Sorbische Sprachinsel in Amerika

Die Heimat zu verlassen, fällt keinem Menschen leicht. Doch gibt es immer wieder Gründe es zu tun. Im 19. Jahrhunderts ließen viele Menschen aus ganz Europa ihr altes Leben zurück und versuchten einen Neuanfang. Die Gründe für diesen Schritt sind vielfältig: schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, keine Berufsperspektiven, Glaubensfragen usw.

Im Siedlungsgebiet der Sorben, entweder zu Preußen oder Sachsen gehörend, kamen viele Gründe für die Auswanderung zusammen. Besonders die wirtschaftliche Not und die Uneinigkeit der Kirche setzten den Menschen zu. Die Berichte von erfolgreichen Auswanderern und ihrem Wohlstand wirkte verführerisch. Die typischen Auswanderungsländer wie Australien und Amerika standen auch für religiöse Freiheit, was für die Sorben ein wichtiger Baustein ihres Lebens darstellte.

Die ersten sorbischen Auswandererwellen nach Australien in den späten 1940er Jahren schürten die Sehnsucht der Daheimgebliebenen. Doch schon bald kamen Briefe aus der neuen Welt, die sehr ernüchternd klangen. Die Auswanderer hatten mit Problemen wie fehlenden Sprachkenntnisse, Geldengpässe und dem ungewohnten Klima zu kämpfen. Dies waren u.a. Gründe die geplante Auswanderung von Australien nach Amerika zu ändern. Die Reise war wesentlich kürzer und damit günstiger, sodass sich 1853 die erste kleine Gruppe von Sorben auf die Reise nach Texas machte. Sie reisten von Bautzen nach Bremen und bestiegen in Bremerhaven die „Reform“. Kurz vor der Ankunft lief das Schiff an der kubanischen Küste auf einen Felsen. Die Passagiere wurden gerettet, doch ihr Hab und Gut versank ins Meer. Die Schiffbrüchigen wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft in Havanna versorgt und mit bescheidenem Geldbeträgen ausgestattet, so dass sie ihre Reise fortsetzen konnten. Ihre Zielorte New Ulm und Industry erreichten sie unbeschadet. Die kleine Gruppe schrieb Briefe nach Hause, in denen sie die günstigen Lebensbedingungen beschrieben und so die Daheimgebliebenen in größerer Zahl zur Auswanderung ermunterten.

Die größere Gruppe, bestehend aus 558 Personen, machte sich nach langer Vorbereitungszeit im August 1854 auf die Reise. Sie hatten nicht nur ihre Habseligkeiten dabei, sondern auch eine Sammlung sorbischer religiöse Bücher und eine Glocke für die dort geplante Kirche. Als Geistlicher begleitete Jan Killian die Auswanderer. Die Reise war von vielen Todesfällen überschattet, meist Cholera und Masern. Im Dezember kam die Gruppe in Hafen von Galveston in Texas an und brach nach einer kurzen Rast in Houston in Richtung New Ulm auf. Dort konnten die vielen Menschen auf Dauer nicht leben, so sah man sich nach einer Möglichkeit, um Land für einen eigene Siedlung zu erwerben. Fündig wurden die Sorben circa 30 Kilometer von New Ulm entfernt. Das Land war bewaldet, es gab Flüsse, jedoch eignete sich der Boden nur bedingt für die Landwirtschaft. Doch da die finanziellen Mittel der Siedler begrenzt waren, blieb ihnen nichts anderes übrig. Jede Familie bekam je nach finanziellen Mitteln ein Stück Land zugewiesen. Die Siedlung wurde Serbin genannt, eine Ableitung der sorbischen Abstammung.

Die Sorben hatten die ersten Jahre stark zu kämpfen: das ungewohnte Klima, der karge Boden, auf dem sich fast nur Mais und Baumwolle anbauen ließ, und das Heimweh. Ein Vorteil bot das Weideland, auf dem sich das Vieh selbst versorgte. Doch die Erträge waren knapp und die wenigsten brachten es zu Reichtum. Die Probleme beschränkten sich nicht nur auf die Landwirtschaft. Auch in Fragen der Religion traten Schwierigkeiten auf. Einige Sorben wendeten sich von Killian als geistigen Führer ab, suchten in den umliegenden Gemeinden nach seelischem Beistand.

Der amerikanische Bürgerkrieg 1861 veränderte das Leben der Sorben von Grund auf. Texas gehörte den Konföderierten an, die weiter Sklaven halten wollten. Schon das allein widerstrebte den Sorben grundsätzlich, doch nun mussten sie als Bürger ihrer Wehrpflicht nachkommen und Kriegsdienst leisten. Zahlreiche Gefallene hatte die Serbiner Gemeinde zu beklagen. Doch in einem Punkt profitierten die Sorben von dem Bürgerkrieg, denn sie konnten ihre Baumwolle jetzt zu besseren Konditionen über Mexiko in alle Welt verkaufen. Während des Krieges vergrößerte sich die Bevölkerungszahl Texas, denn die Kampfhandlungen geschahen woanders. Viele Deutschstämmige zogen zu und so wurde das Sorbische Schritt für Schritt zur Sprache der Minderheit. Die Sorben und Deutsche lebten fortan in ständigem Zwist, die in eine Spaltung der Gemeinden in eine deutsche und eine sorbische mündete. In den Jahrzehnten nach dem amerikanischen Bürgerkrieg kamen immer weiter Sorben nach Amerika, besonders nach Serbin und Umgebung. Es entstanden zahlreiche Siedlungen wie Fedor, Warda oder Lincoln.

Die Behörden in der Lausitz sahen mit Unbehagen zu wie weitere Gruppen das Land verließen, was v.a. die Niederlausitz vor ein wirtschaftliches Problem stellte. Vor allem die strikte antisorbische Politik Preußens veranlasste die Menschen immer weiter zu diesem Schritt.

Trotz der sorbischen Siedlungen entwickelte sich das Deutsche zur dominanten Sprache, in der Kirche wie in der Verwaltung, obwohl die Deutschen zahlenmäßig unterlegen waren. Die neuen sorbischen Siedler aus Deutschland waren zweisprachig, so dass Deutsch von fast allen verstanden wurde. Vor allem die „alteingesessenen“ sorbischen Siedler fühlten sich von der deutschen Sprache und der Dominanz der Deutschen ausgegrenzt. So nahmen die sorbischen Gottesdienste immer mehr ab, nur in Serbin blieben sie bestehen. Dort hielt man auch am sorbischen Schulunterricht fest. Die Kinder lernten zusätzlich Deutsch und Englisch.

Das Sorbische wurde zur Familiensprache, während Deutsch und Englisch die Umgebungssprachen im öffentlichen Leben wurden. Diese Assimilation der Sorben verlief ähnlich wie die in der Lausitz. Innerhalb von zwei Generationen war bei fast allen Texaner Sorben Deutsch die Erstsprache.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, verstärkt nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, verschob sich die Sprachnutzung dann von Deutsch zu Englisch, auch die Kirchen- und Verwaltungssprache wurde auf Englisch umgestellt.

Während die Sprache schwand, hielten sich die sorbischen Bräuche und Traditionen noch lange. Die kirchlichen Feiertage und Hochzeiten wurden nach sorbischer Art gefeiert. Auch die Mythen und Legenden aus der Heimat wie die Mittagsfrau (Pśezpołdnica) oder der Wassermann (Wódny muž) waren Bestandteil der sorbisch-texanischen Kultur. Auch Bücher und Zeitungen in Sorbisch gelangten regelmäßig nach Texas, vor allem religiöser Werke. Der Druck einer eigenen sorbischsprachigen Zeitung in Texas verlief nicht erfolgreich.

Die Verbindungen der Texaner Sorben in die Heimat beschränkte sich meist auf Briefe. Heute erinnern meist nur noch einzelne Grabsteine und die Ortsnamen an das Erbe der Sorben. Aber in den letzten Jahren haben sich einige Texaner Interesse an ihrer sorbischen Herkunft und Geschichte entwickelt und nehmen wieder erste Kontakte zu sorbischen Institutionen in Deutschland auf.

Quellen

Kunze, Peter. Kurze Geschichte der Sorben. Ein kulturhistorischer Überblick. Domowina Verlag, Bautzen 2017

Malinkowa, Trudla. Ufer der Hoffnung. Sorbische Auswanderer nach Übersee. Domowina-Verlag. Bautzen 1995

Altpreußisch – die Sprache der Prußen

Der Begriff ‚preußisch‘ ist im historischen Kontext eng mit der deutschen Geschichte verwoben. Wir denken sofort an den alten Fritz oder an die Region Ostpreußen. Doch die Herkunft des Wortes ist das Baltikum und bezeichnete ursprünglich einen baltischen Volksstamm: die Prußen. Sie lebten an der Ostsee zwischen den Mündungen von Memel und Weichsel und sprachen Altpreußisch (auch Prußisch oder Preußisch genannt). Die Eigenbezeichnung der Prußen für ihre Sprache ist ‚prūsiska‘.

Altpreußisch ist eine am Ende des 17. Jahrhundert ausgestorbene Sprache der baltischen Sprachfamilie, der auch Litauisch und Lettisch angehören. Es gibt noch Reste der Sprache in Dialekten des Masurischen und im Litauischen. Das Sterben der Sprache war u.a. eine Folge der Christianisierung durch den Deutschen Orden und die Vermischung mit anderssprachigen Siedlern.

Die Quellen des Altpreußischen sind überschaubar, bieten aber die Möglichkeit die Sprache zu strukturieren, wenn auch mit Einschränkungen. Erhalten sind drei verschiedene Übersetzungen des Katechismus, ein paar kurze Texte, zwei kleine, leider unvollständige, Wörterbücher und überlieferte Namen in z.B. lateinischen oder deutschen Schriften. Das Altpreußische besaß vor der Christianisierung keine Schrift bzw. erfolgte die Verschriftlichung erst im 16. Jahrhundert, wo der Niedergang der Sprache schon weit fortgeschritten war.

Die Chronisten des Altpreußischen sprachen die Sprache zumeist selber nur unzureichend und die Schreibung orientiert sich stark an der deutschen, was v.a. lautlich ein Problem darstellt, da viele Laute baltischer Sprachen im Deutschen nicht existieren. Bei der Rekonstruktion des Altpreußischen nutzt man nicht nur die Quellen, sondern auch Vergleiche zu anderen baltischen Sprachen. Alle Rekonstruktionen sind immer unter Vorbehalt.

Das Altpreußische verfügte über je vier lange und kurze Vokale und drei bzw. vier Diphthonge. Im Lautsystem zeigen sich viele Parallelen zum Litauischen, aber auch archaischere Eigenschaften, die noch aus dem Indoeuropäischen stammen und keine Veränderungen durchlaufen haben z.B. der Diphthong /e͡i/ (nicht zu verwechseln mit der späteren Diphthongierung des Frühneuhochdeutschen).

Ebenfalls bewahrt hat sich das Neutrum als Genus und die indoeuropäischen Stammklassen, deren Paradigmen leider nur teilweise belegt werden konnten. Auch einige Dualreste sind zu finden, ähnlich wie es auch in den meisten slawischen Sprachen üblich ist bei paarweisen Dingen wie Händen oder Ohren. Man vermutet sechs Kasus, aber nicht alle können durch die Quellen belegt werden.

Die Verbkonjugation ist nur lückenhaft, es zeigen sich synthetische wie auch analytische Formen z.B. ‚postāsei‘  – ‚du wirst‘ und ‚pergubus wīrst‘ – ‚kommen wird‘, ähnlich wie wir das im Deutschen kennen. Außerdem sind Teile von vier Modi belegt: Indikativ, Imperativ, Optativ, Konditional.

Aus den Quellen lassen sich zwei Dialekte des Altpeußischen erkennen: das Pomesanische und das Samländische. Mit Sicherheit gab es noch mehr Dialekte, aber es fehlen die Quellen.

Anhand der Wörterbücher sind große Teile des Wortschatzes überliefert. Besondere Gewichtung haben Begriffe für Pferde und dazu passendes Vokabular. Das zeigt die Wichtigkeit von Pferden im Leben der Prußen. Die Prußen lebten laut Schriften von Missionaren von der Fischerei und Jagd, was den reichen Wortschatz in diesen Bereichen erklärt. Das heißt jedoch nicht, dass der Wortschatz auf diese Thematik begrenzt ist.

In den letzten Jahrzehnten versuchten Fans des Altpreußischen die Sprache wiederzubeleben, das sogenannte Neupreußisch. Es wird weniger als Alltagssprache verwendet, eher in Liedern oder Gedichten, und ist kaum wissenschaftlich fundiert.

Quelle

Eckert, Rainer & Bukevičiūtė Elvira-Julia & Hinze, Friedhelm. Die Baltischen Sprachen: Eine Einführung. Langenscheidt, Leipzig 1994

Eckert, Rainer. Altpreußisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Szillis-Kappelhoff, Beate. Prußen – Die ersten Preußen. Geschichte und Kultur eines untergegangenen Volkes. Verlag Bublies, Schnellbach 2012

Bildquelle

Von Original: MapMaster Vektor: NNW – Eigenes Werk, basierend auf: Baltic Tribes c 1200.svg von MapMaster, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=124250247